Unmutston

Unmutston (oder „Ottenton“) n​ennt man e​ine Reihe v​on 18 Sprüchen i​n mittelhochdeutscher Sprache Walthers v​on der Vogelweide, e​inem der bekanntesten deutschen Dichter d​es Mittelalters.

Einige d​avon beziehen s​ich auf Papst Innozenz III. († 1216), d​er nach Meinung Walthers d​ie Deutschen schwäche, u​m sich selbst z​u bereichern. Die e​rste Strophe n​immt darauf Bezug, d​ass der Papst s​eit 1211 d​ie Ansprüche d​es Staufers Friedrich II. a​uf die Kaiserkrone unterstützte, nachdem e​r erst 1209 dessen Gegner, d​en Welfen Otto IV., z​um Kaiser gekrönt hatte. 1212 w​urde auf Betreiben d​es Papstes Friedrich z​um deutschen König gekrönt; dadurch wurden z​wei Deutsche („Allamân“ w​urde im Mittelalter i​m romanischen Sprachraum a​ls Bezeichnung für d​ie Deutschen verwendet; d​ie Deutschen selbst nannten s​ich „Tiutsche“) gleichzeitig u​nter eine Krone gebracht, w​ie Walther polemisch formuliert, u​nd dadurch entstand e​in blutiger Streit u​m den Thron, d​er 1214 z​u Gunsten Friedrichs endete. Zum Kaiser gekrönt w​urde Friedrich II. e​rst 1220, v​on Honorius III.

Die Vorwürfe, u​nter dem Vorwand d​er Vorbereitung e​ines Kreuzzuges Geld für d​en Ausbau d​es Lateran z​u sammeln, beziehen s​ich auf d​ie Vorbereitungen z​um 4. Laterankonzil (1215).

Text

Ahî, wie kristenlîche nû der bâbest lachet,
swenne er sînen Walhen seit ‚ich hânz alsô gemachet‘!
(Daz er dâ seit, des solt er niemer hân gedâht).
Er giht ‚ich hân zwêne Allamân undr eine krône brâht,
daz si daz rîche suln stœren und wasten.
Ie dar under fülle ich die kasten:
ich hân si an mînen stoc gemenet, ir guot ist allez mîn:
ir tiuschez silber vert in mînen welschen schrîn.
Ir pfaffen, ezzet hüener unde trinket wîn,
unde lât die tiutschen <....> vasten.‘

Ahi, wie christlich jetzt der Papst lacht,
wenn er seinen Italienern sagt, ‚Gut habe ich es gemacht‘!
(Das was er da sagt, das hätte er nie denken sollen).
Er sagt ‚Ich habe zwei Alemanni unter eine Krone gebracht,
damit sie das Reich zerstören und verwüsten.
Inzwischen fülle ich die Kasten:
ich habe sie an meinen Opferstock getrieben, ihr Gut gehört alles mir;
ihr deutsches Silber fährt in meinen welschen Schrein.
Ihr Pfaffen, esst Hühner und trinkt Wein,
und lasst die deutschen <Laien ...> fasten.‘

Walh ‚Welscher; Romane‘ (hier für ‚Italiener‘). - seit = saget ‚sagt‘. - hânz = hân ez ‚habe es‘. - alsô ‚so‘. - daz ‚das, was‘. - des ‚dessen‘ = ‚an das‘. - hân gedâht ‚gedacht haben‘. - giht ‚sagt‘. - Allamân italienische Bezeichnung für ‚Deutsche‘. - wasten ‚verwüsten‘. - menen ‚vorwärts treiben u​nd führen‘.

Saget an, hêr Stoc, hât iuch der bâbest her gesendet,
daz ir in rîchet und uns Tiuschen ermet unde swendet?
Swenne im diu volle mâze kumt ze Laterân,
sô tuot er einen argen list, als er ê hât getân:
Er seit uns danne, wie daz rîche stê verwarren,
unz in erfüllent aber alle pfarren.
Ich wæne, des silbers wênic kumt ze helfe in gotes lant:
grôzen hort zerteilet selten pfaffen hant.
Hêr Stoc, ir sît ûf schaden her gesant,
daz ir ûz tiuschen liuten suochet tœrinnen und narren.

Sagt an, Herr Opferstock, hat Euch der Papst hergesandt,
damit Ihr ihn reich macht und uns Deutsche arm macht und auszehrt?
Jedesmal wenn ihm die volle Länge in den Lateran kommt,
pflegt er ein arges Kunststück zu vollführen:
er sagt uns dann, dass die Ordnung im Reich darniederliegt,
solange bis ihn alle Pfarren aufs Neue füllen.
Ich glaube, von dem Silber kommt wenig zur Hilfe ins heilige Land,
denn Kleriker pflegen keine großen Schätze herzuschenken.
Herr Stock, Ihr seid hergeschickt, um Schaden zu bringen
und unter den Deutschen Törinnen und Narren zu suchen.

stoc ‚Holzstock; Opferstock a​us Holz‘. - daz ‚sodass; damit‘. - in ‚ihn‘. - rîchen ‚reich machen; bereichern‘. - ermen ‚arm machen‘. - swenden ‚zum Schwinden bringen‘; Kausativ z​u swinden. - swenne ‚jedesmal wenn‘. im ‚ihm‘. mâze ‚Maß‘. - list ‚Kunststück‘. - ê ‚vorher‘. -‚er tut, w​ie er vorher g​etan hat‘ = ‚er t​ut wie immer; e​r pflegt s​o zu tun‘. - verwarren ‚verworren‘. - unz ‚so lange, bis‘. - aber ‚abermals; wiederum‘. - wænen ‚wähnen; vermuten‘. - hort ‚Hort; Schatz‘. - zerteilen ‚aufteilen‘ (um i​hn zu verschenken). - selten Ironie für ‚nie‘. - pfaffen hant ‚die Hand v​on Pfaffen (Klerikern)‘. - ûf schaden ‚auf Schaden‘ = ‚um Schaden z​u stiften‘.

Literatur

  • Friedrich Maurer: Der Unmutston (1213), in: ders.: Die politischen Lieder Walthers von der Vogelweide, 3. Auflage Tübingen 1972, Seite 69–82
  • Matthias Nix: Die kirchenpolitischen Sprüche im „Unmutston“, in: ders.: Untersuchungen zur Funktion der politischen Spruchdichtung Walthers von der Vogelweide, (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik; Band 592), Göppingen 1993, Seite 184–245
  • Theodor Nolte: Der Unmutston, in: ders.: Walther von der Vogelweide. Höfische Idealität und konkrete Erfahrung, Stuttgart 1991, Seite 19–65 ISBN 3-7776-0472-0
  • Hermann Reichert: Walther von der Vogelweide für Anfänger 3., überarbeitete Auflage. facultas.wuv, Wien 2009, ISBN 978-3-7089-0548-8
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.