Ulrike Freitag
Ulrike Freitag (* 1962 in Stuttgart - Bad Cannstatt) ist eine deutsche Neuzeithistorikerin und Islamwissenschaftlerin.
Wissenschaftliche Laufbahn
Ulrike Freitag besuchte das Theodor-Heuss Gymnasium in Göttingen und legte dort 1980 das Abitur ab. Im folgenden Jahr begann sie mit dem Studium der Geschichte, der Islamwissenschaft und neueren deutschen Literaturwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.[1] Von 1982 bis 1984 war sie für dieselben Fächer an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn eingeschrieben. Von 1984 bis 1985 folgte ein Aufenthalt in Syrien, wo sie am Arabic Teaching Institute for Foreigners und an der Universität Damaskus Arabisch und Geschichte studierte. Danach kehrte Freitag an die Freiburger Universität zurück, und erlangte 1987 mit einer Arbeit über das französische Mandat in Syrien den Grad des Magister Artium.
Freitag wurde 1991 in Freiburg über Syrische Geschichtsschreibung 1920–1990: Zwischen Wissenschaft und Politik promoviert. Im gleichen Jahr arbeitete sie als wissenschaftliche Angestellte für außereuropäische Geschichte an der Fernuniversität Hagen bei Jürgen Osterhammel. Von 1993 bis 2002 war sie als Dozentin für die moderne Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens an der School of Oriental and African Studies der University of London tätig. Sie hielt sich während der Phase ihrer wissenschaftlichen Qualifikation nochmals längere Zeit zu Forschungszwecken im Ausland auf. Ihre Habilitation wurde durch Stipendien des Historischen Kollegs München sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt und erfolgte 2002 im Fach Islamwissenschaft an der Universität Bonn (Thema: Indian Ocean Migrants and State Formation in Hadhramaut).
Im Oktober 2002 wurde Ulrike Freitag zur Direktorin des Zentrums Moderner Orient in Berlin ernannt, in Verbindung mit einer Professur für Islamwissenschaft an der Freien Universität Berlin.
Stellungnahmen zu aktuellen Konflikten
Ulrike Freitag äußert sich auch zu aktuellen politischen Problemen, so z. B. zum Umgang des saudi-arabischen Staates mit dem liberalen Blogger Raif Badawi.[2] Im Dezember 2015 erläuterte Freitag die konfessionellen Hintergründe der Drosselung saudi-arabischer Unterstützung für den sogenannten Islamischen Staat.[3] Am 4. Juni 2019 unterzeichnete sie einen Aufruf für die BDS-Kampagne und kritisierte Israels Regierungspolitik, die den Nahost-Konflikt dramatisch zuspitzen wolle. Zudem würde Israels Ministerium für strategische Angelegenheiten Kampagnen initiieren, die darauf abzielten, Kritik an israelischer Regierungspolitik pauschal als antisemitisch zu diskreditieren, Kritiker als Terroristen oder Antisemiten zu dämonisieren und ihre Unterstützer einzuschüchtern.[4]
Mitgliedschaften und weitere Funktionen (Auswahl)
- seit 2002 Direktorin des Zentrums Moderner Orient (ZMO), Berlin
- Deutsch Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient (DAVO)
- Middle East Studies Association (MESA)
- 2015–2018: Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Wissenschaftskollegs zu Berlin.
- seit 2012: Beiratsmitglied, Centre Marc Bloch, Berlin.
- 2010–2015: Mitglied im Vorstand der Deutsch-Arabischen Freundschaftsgesellschaft
- 2007–2009: Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Studie zur Internationalen Positionierung der Geisteswissenschaften
- seit 2005 Co-Herausgeberin des Journal of Global History, London
- seit 2005 im Advisory Board des Orient Instituts der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Beirut
- seit 2003 Co-Herausgeberin der Zeitschrift Geschichte und Gesellschaft
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Geschichtsschreibung in Syrien 1920–1990. Zwischen Wissenschaft und Ideologie. Deutsches Orient-Institut, Hamburg 1991, ISBN 3-89173-023-3 (Zugleich: Freiburg (Breisgau), Universität, Dissertation, 1991).
- Indian Ocean Migrants and State Formation in Hadhramaut. Reforming the Homeland (= Social, Economic and Political Studies of the Middle East and Asia. Bd. 87). Brill, Leiden u. a. 2003, ISBN 90-04-12850-6.
- Herausforderungen an die Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Globalisierung. In: Lothar Gall (Hrsg.): 25 Jahre Historisches Kolleg. Rückblick – Bilanz – Perspektiven. Oldenbourg, München 2006, ISBN 3-486-58005-1, S. 271–275.
- Arabische Visionen von Modernität im 19. und frühen 20. Jahrhundert: Die Aneignung von Universalien oder die Übernahme fremder Konzepte? In: Jörg Baberowski, Hartmut Kaelble, Jürgen Schriewer (Hrsg.): Selbstbilder und Fremdbilder. Repräsentation sozialer Ordnungen im Wandel. (= Eigene und fremde Welten. Bd. 1). Campus-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 2008, ISBN 978-3-593-38016-2, S. 89–117.
- Islamwissenschaft aus der Sicht eines außer-universitären Forschungsinstituts: Orient als Islam? In: Abbas Poya, Maurus Reinkowski (Hrsg.): Das Unbehagen in der Islamwissenschaft. Ein klassisches Fach im Scheinwerferlicht der Politik und der Medien. transcript, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89942-715-8, S. 71–81.
- From Golden Youth in Arabia to Business Leaders in Singapore: Instructions of a Hadhrami Patriarch. In: Eric Tagliacozzo (Hrsg.): Southeast Asia and the Middle East. Islam, Movement, and the Longue Durée. Stanford University Press, Stanford CA u. a. 2009, ISBN 978-0-8047-6133-8, S. 235–249.
- mit Malte Fuhrmann, Nora Lafi und Florian Riedler (Hrsg.): The City in the Ottoman Empire. Migration and the Making of Urban Modernity (= SOAS Routledge Studies on the Middle East. Bd. 14). Routledge, London u. a. 2011, ISBN 978-0-415-58363-3.
- Translokalität als ein Zugang zur Geschichte globaler Verflechtungen. In: H-Soz-Kult. 10. Juni 2005. hsozkult.de
- mit Nora Lafi (Hrsg.): Urban Governance Under the Ottomans. Between Cosmopolitanism and Conflict. (= SOAS/Routledge Studies on the Middle East. Band 21). Routledge, Abingdon 2014, ISBN 978-0-415-72547-7.
- mit André Chappatte und Nora Lafi (Hrsg.): Understanding the City through its Margins. Routledge, Abingdon 2018, ISBN 978-1-138-04589-7.
- Neuere Tendenzen der Restaurierung "authentischer arabischer Architektur" am Beispiel Saudi Arabiens. In: Christoph Bernhardt, Martin Sabrow, Achim Saupe (Hrsg.): Gebaute Geschichte. Historische Authentizität im Stadtraum. Wallstein Verlag, Göttingen 2017, ISBN 978-3-8353-3013-9, S. 182–205.
- State-Society Relations through the Lens of Urban Development. In: Ebru Boyar, Kate Fleet (Hrsg.): Middle Eastern and North African Societies in the Interwar Period. Brill, Leiden/ Boston 2018, ISBN 978-90-04-36714-2, S. 27–53.
- Die Erforschung muslimisch geprägter Lebens- und Erfahrungswelten. In: Steffen Wippel, Andrea Fischer-Tahir (Hrsg.): Jenseits etablierter Meta-Geographien. Der Nahe Osten und Nordafrika in transregionaler Perspektive. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2018, ISBN 978-3-8487-4416-9, S. 212–213.
- A History of Jeddah, The Gate to Mecca in the Nineteenth and Twentieth Centuries. Cambridge University Press, 2020, ISBN 978-1-108-77883-1. (cambridge.org)
- mit Jeanine Elif Daǧyeli und Claudia Ghrawi (Hrsg.): Claiming and Making Muslim Worlds, Religion and Society in the Context of the Global. De Gruyter, Berlin 2021, ISBN 978-3-11-072653-4. (degruyter.com)
- mit Randa Aboubakr, Sarah Jurkiewicz und Hicham Ait-Mansour (Hrsg.): Spaces of Participation. Dynamics of Social and Political Change in the Arab World. AUC Press, Cairo 2021, ISBN 978-1-61797-989-7. (aucpress.com)
Weblinks
- Literatur von und über Ulrike Freitag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Ulrike Freitag auf der Seite des Zentrums Moderner Orient
- Lebenslauf von Ulrike Freitag auf der Website der Freien Universität Berlin. Von dort wird auch auf ihre Publikationsliste verlinkt.
- Lebenslauf von Ulrike Freitag auf der Seite des ZMO
Einzelnachweise
- Zu den Informationen in diesem Abschnitt vgl. den in den Weblinks angegebenen Lebenslauf Freitags auf der Internetpräsenz der Freien Universität Berlin.
- Gespräch mit DRadio Wissen, abgerufen am 2. Januar 2016.
- Interview "Saudi-Arabien hat Bedrohung durch IS erkannt", veröffentlicht im Internetportal des Deutschlandfunks am 1. Dezember 2015, abgerufen am 2. Januar 2016.
- 16 Nahost-Expertinnen und -Experten: Israel-Boykott. In: Die Zeit. 4. Juni 2019, abgerufen am 4. Juni 2019.