Ulm 1592
Ulm 1592 ist der Titel eines Gedichtes, das 1934 von Bertolt Brecht verfasst wurde und 1937 veröffentlicht wurde. Im Gedicht stehen sich die Weltanschauungen eines Bischofs und eines Schneiders gegenüber. Das Geschehen ereignete sich im süddeutschen Ulm. Das Gedicht ist eine der vielen Kalendergeschichten im gleichnamigen Buch von Bertolt Brecht.
Entstehung
Das Gedicht ist im Zusammenhang mit der tragischen Geschichte des Albrecht Ludwig Berblinger entstanden. Albrecht Ludwig Berblinger zeigte schön früh Interesse an mechanischen Dingen. Er wurde aber gezwungen eine Schneiderlehre zu absolvieren, obwohl er lieber Uhrmacher geworden wäre. In seiner Freizeit war er daher auch als Erfinder tätig und bastelte ständig an einem Fluggerät. Friedrich I. erfuhr von Berblingers Tätigkeit und wollte daher, dass jener seinen Flugversuch vorführte. Der Flugversuch startete von einer Mauer dreizehn Meter über der Donau. Er endete damit, dass Berblinger geradewegs in die Donau stürzte und demnach sein Flugversuch kläglich scheiterte. Dies hatte nun auch seinen sozialen Absturz zur Folge und er war nun überall als Lügner bekannt.
Form
Das Gedicht besteht aus zwei Strophen mit je elf Versen, wobei die letzten vier Zeilen jeder Strophe sich ähneln. Das Gedicht enthält sowohl Paarreime wie auch Kreuzreime. Auffällig ist, dass in der ersten Strophe des Gedicht zum Teil der Schneider das lyrische Ich. Später nimmt das Gedicht eine Wende ein im Sinne einer Erzählform. Somit würde als lyrisches Ich nur eine aussenstehende Person in Frage kommen. Als Personifikationen im Gedicht sind der Schneider und der Bischof, welche die zwei Weltanschauungen vertreten.
Inhalt
Die Hauptfiguren im Gedicht sind der Bischof und der Schneider. In der ersten Strophe behauptet der Schneider, dass er fliegen könne und stieg auf das Kirchendach. Der Bischof ging weiter und behauptet der Mensch sei kein Vogel und dass der Mensch auch nie fliegen können wird. In der zweiten Strophe ist der Schneider gestorben, weil er vom Dach gesprungen ist. Er liegt auf dem Boden des Kirchenplatzes und der Bischof wiederholt nochmals, dass der Mensch niemals fliegen können wird.
Interpretation
In dem Gedicht kommt es zu einem Zusammenstoß zweier Weltanschauungen. Die Kirche trifft auf das freie Denken, die Wissenschaft, den Glauben an den Fortschritt und die Erneuerung. Der Bischof ist ein Vertreter der alten Ordnung. Das heißt, er war dementsprechend konservativ. Man sieht das daran, dass er behauptet, dass niemals ein Mensch fliegen wird aber theoretisch kann er das nicht wissen und ist nicht offen etwas Neues zu akzeptieren. Der Bischof ist so überzeugt davon, dass er nicht anwesend sein will und wiederholt seine Überzeugung auch nach dem Tod des Schneiders. Der Schneider ist die Veranschaulichung von einem neuen Weltbild, mit der Wissenschaft neues zu Entdecken und mit dem Fortschritt der Zeit. Dies sieht man daran, dass er versucht zu fliegen, obwohl es zu jener Zeit unvorstellbar war. Er ist so überzeugt von seiner Erfindung, dass er seine Flügel in aller Öffentlichkeit unter Einsatz seines Lebens ausprobieren will und so zum Gespött wird. „Das grosse, grosse Kirchendach“ zeigt die Perspektive des Bischofs. Er möchte damit die Größe und die Macht der Kirche, die er vertritt, betonen. „Auf dem harten, harten Kirchenplatz“ betont nochmal die Stärke der Kirche. Es zeigt auch, dass der, der sich gegen die kirchliche Reform wehrt, sich verletzen wird. Der Schneider starb auf dem „harten Kirchenboden“. „Die Glocken sollen läuten“ deuten auf den Tod des Schneiders, der auf dem Boden „zerschellet“ ist. Natürlich können die läutenden Glocken auch eine neue Zeitepoche darstellen, die die Leute darauf aufmerksam machen will, dass sie nicht nur auf die alte Ordnung festhalten sollen, sondern einsehen sollen, dass es Zeit ist Neues zu erschaffen und zu erlernen. Warum trägt das Gedicht den Namen Ulm 1592, obwohl es im Jahr 1934 von Bertolt Brecht erfasst wurde? Dies könnte man auf Kolumbus Entdeckung Amerikas, die 1492 stattfand. Dies deutet wieder auf die neue Zeit ein, die zeigt, dass man nie aufhören soll, zu forschen und Neues zu entdecken, obwohl es am Anfang nicht funktioniert und hoffnungslos erscheint. Bevor Kolumbus Amerika entdeckte, dachte jeder, dass die Erde eine Scheibe sei. Genauso ist es auch mit dem Flugzeug, der Schneider scheiterte auch kläglich an seinem Versuch und niemand glaubte an ihm und doch ist es heute möglich mit einem Flugzeug in der ganzen Welt herumzufliegen. Würde es also keine Menschen wie der Schneider geben, wären wir heute immer noch in der Zeit des Mittelalters und unsere Welt wäre nicht mehr dem stetigen Wandel der Zeit unterlegen.
Rezeption
1934 entstand das Gedicht für die geplante Sammlung Kinderlieder. Im Mai 1937 wurde es von Hanns Eisler vertont. Gedruckt wird es erstmals 1939 in der Sammlung Svendborger Gedichte.
Literatur
- Denise Kratzmeier: Bertolt Brecht Kalendergeschichten, Text und Kommentar. Suhrkamp Basisbibliothek, Berlin 2013, ISBN 978-3-518-18931-3.
Weblinks
- Ulmer Geschichte(n): Der Schneider von Ulm. auf: ulm.de