Ubi caritas
Ubi caritas (lat. ‚Wo die Liebe‘) ist eine Antiphon aus der Liturgie des Gründonnerstags. Der Text eines unbekannten Autors lehnt sich an den 1. Johannesbrief an und ist in einer Handschrift aus dem Kloster St. Gallen aus dem 8. Jahrhundert überliefert.
Die Antiphon wurde zusammen mit dem dazugehörigen Hymnus Congregavit nos in unum Christi amor, als dessen Verfasser man Paulinus von Aquileia († 802/04) vermutet,[1] im Mittelalter bis zur Liturgiereform des 20. Jahrhunderts während der Fußwaschung gesungen. Heute sind die Antiphon und fünf Strophen des Hymnus in der Messe vom Letzten Abendmahl zur Gabenbereitung vorgesehen.[2] Bei der aktuell gültigen Übersetzung des Messbuches wurde aber die Metrik des Hymnus nicht berücksichtigt.[2] In der liturgischen Praxis wird daher der Hymnus entweder in der lateinischen Fassung gesungen oder ersetzt. Die unten stehende deutsche Teilübersetzung betrifft die am Gründonnerstag vorgesehenen Strophen,[3] der gesamte Hymnus wurde von H. Brosseder übersetzt (im Liederbuch Bis er wiederkommt…, München 1965[4]). Die beiden zuletzt genannten Übersetzungen sind metrisch und können auf die gregorianische Melodie gesungen werden.
In einem schlichten, aber ergreifenden Latein fordert der Text des Hymnus zu den beiden Formen der christlichen caritas auf: der Gottes- und der Nächstenliebe. Ohne sie befindet man sich in der Dunkelheit, sie ist das höchste Geschenk, sie erfüllt das alte und neue Gesetz (d. h. das Alte und das Neue Testament). Die Liebe verbindet, wo sie nicht ist, herrscht Trennung. Der Hymnus spielt außerdem in bibelnaher Sprache auf Mt 18,20 an. Dass in der Gottes- und Nächstenliebe sowohl das sich vollendende als auch das vollendete Leben bestehe, ja, dass die Liebe der entscheidende Punkt ist, an dem Gott und Mensch eins werden, unterstreicht dieser Hymnus in immer neuen poetischen Wendungen. Adolf Adam merkt an, dass Ubi Caritas auch als „Caritaslied“ bei einem von Fürsten gespendeten Mahl im klösterlichen Speisesaal angesehen werden kann, aber dass auch die Fußwaschung (das Mandatum) des Gründonnerstag als Sitz im Leben der Dichtung vermutet wird.[1]
Die erste Zeile lautet entweder Ubi caritas et amor (‚Wo Güte und Liebe‘) oder Ubi caritas est vera (‚Wo die Güte wahrhaftig ist‘). Die letztere Fassung wird dabei vom gegenwärtigen Missale Romanum und Graduale Romanum bevorzugt.
Durch Vertonungen aus Taizé ist Ubi caritas auch jenseits der liturgischen Verwendung populär geworden. Es gibt zwei Fassungen aus Taizé, von denen diejenige von Jacques Berthier sowohl im Stammteil des Gotteslobs 2013 (Nr. 445) als auch in vielen Regionalteilen des Evangelischen Gesangbuchs zu finden ist. Die andere ist von Joseph Gelineau und heißt zur Unterscheidung Ubi caritas Deus ibi est. Einige Gotteslob-Diözesanteile enthalten auch eine ältere Verdeutschung durch Johannes van Acken (1937) Wo die Güte und die Liebe, da ist Gott mit einer Melodie von Heinrich Rohr (1940).[5] Das neue Gotteslob (2013) enthält den lateinischen Kehrvers (285), den vereinfachten deutschen Kehrvers (305,5), drei Strophen des Hymnus in deutscher Übersetzung mit dem Kehrvers (442) und einen mehrstimmigen Satz von Berthier (445).
Ubi caritas ist aber auch sonst häufig vertont worden; am bekanntesten sind dabei die Motette von Maurice Duruflé aus seinen Vier Motetten op. 10 sowie aus neuester Zeit Fassungen von Morten Lauridsen, Ola Gjeilo und Rihards Dubra. Der walisische Komponist Paul Mealor komponierte einen Chorsatz als Auftragskomposition für die Trauung von Prinz William und Kate Middleton am 29. April 2011.[6][7]
Der Text lautet:
lateinisch | deutsch |
---|---|
Ubi caritas et amor |
Wo Liebe ist und Güte, |
Von den 12 Strophen à 4 Versen wird meist nur die erste Strophe verwendet: | |
lateinisch | deutsch |
Congregavit nos in unum Christi amor |
Christi Liebe hat uns geeint. |
Abweichend hierzu lautet der Text der letzten Strophe in vielen gängigen, insbesondere älteren Versionen, wie in der Abbildung erkennbar, aber auch z. B. im Graduale Romanum (Editio Vaticana):[9][10]
lateinisch | deutsch |
---|---|
Simul quoque cum beátis videámus. |
Zugleich auch mit den Heiligen schauen wir |
Literatur
- Adolf Adam (Hrsg.): Te Deum laudamus. Große Gebete der Kirche Lateinisch-Deutsch. Herder, Freiburg i. Br. 1987. Neuausgabe 2001, ISBN 3-451-27359-4, S. 114–117.
Weblinks
- Gemeinfreie Noten von Ubi caritas in der Choral Public Domain Library – ChoralWiki (englisch)
- Ubi caritas – Taizé (Berthier)
- Ubi caritas – Taizé (Gelineau)
- Gründonnerstag: „Wo Güte ist und Liebe…“ Liturgisches Institut der Schweiz
Einzelnachweise
- Vgl. Adolf Adam (Hrsg.): Te Deum laudamus. Große Gebete der Kirche Lateinisch-Deutsch. Herder, Freiburg i. Br. 1987. Neuausgabe 2001, ISBN 3-451-27359-4, S. 220.
- Vgl. Die Feier der heiligen Messe. Meßbuch. Für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch. Teil I: Die Sonn- und Feiertage deutsch und lateinisch. Die Karwoche deutsch. Einsiedeln u. a. 1975, S. [24]f. bzw. Die Feier der heiligen Messe. Meßbuch. Für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch. Karwoche und Osteroktav. Ergänzt um die Feier der Taufe und der Firmung sowie die Weihe der Öle. Solothurn u. a. 1996, S. [28] sowie Schott-Messbuch für die Sonn- und Festtage des Lesejahres A. Herder, Freiburg i. Br. 1983, ISBN 3-451-19231-4, S. 171 f. (online).
- Diese Übersetzung stammt von Michael Hauber.
- zitiert nach: Adolf Adam (Hrsg.): Te Deum laudamus. Große Gebete der Kirche Lateinisch-Deutsch. Herder, Freiburg i. Br. 1987. Neuausgabe 2001, ISBN 3-451-27359-4, S. 220; die Übersetzung findet sich bei Adam auf den Seiten 115–117.
- Z.B. Nr. 811 in der Ausgabe für die (Erz)Diözesen Berlin, Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg
- Melissa Lesnie: New British compositions a gift for the Royal Wedding (englisch) In: Limelight Magazine. Australian Broadcasting Company / Haymarket Media. 29. April 2011. Abgerufen am 29. April 2011.
- Paul Mealor: Ubi Caritas et Amor. (Memento des Originals vom 28. September 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. University of York Music Press (Katalogeintrag)
- zitiert nach: Adolf Adam (Hrsg.): Te Deum laudamus. Große Gebete der Kirche Lateinisch-Deutsch. Herder, Freiburg i. Br. 1987. Neuausgabe 2001, ISBN 3-451-27359-4, S. 114–117.
- Papst Pius IX.: GRADUALE DE TEMPORE ET DE SANCTIS. 1871, abgerufen am 8. Oktober 2017 (Latein).
- Papst Pius X.: GRADUALE DE TEMPORE ET DE SANCTIS. 1908, abgerufen am 30. Juli 2017 (Latein).