Synagoge Hattingen
Die Synagoge in Hattingen befand sich an der Bahnhofstraße 8 in Hattingen und wurde am 13. September 1872 eingeweiht.[1][2] Bis zum Bau der neuen Synagoge feierte die jüdische Gemeinde seit etwa 1810 ihre Gottesdienste im Horstmann'schen Haus in der Großen Weilstraße Nr. 13. Die neue Synagoge in der Bahnhofstraße wurde nach den Bauplänen eines Hattinger Maurermeisters errichtet. Der feierlichen Grundsteinlegung am 7. Juni 1871 wohnten Hattingens Bürgermeister sowie der evangelische Pfarrer bei.[3]
Die gesamten Baukosten der neuen Synagoge konnten von der Spende des Kaufmanns Liefmann Gumperz bestritten werden, das Grundstück in der Bahnhofstraße war bereits von der Gemeinde für 1500 Thaler erworben gewesen. Der Israelit schrieb im Oktober 1872 über die Einweihungsfeier und weiter: "Das Synagogen-Gebäude entspricht den hiesigen Gemeinde-Verhälnissen, ist in seinem Innern zweckmäßig und schön eingerichtet, hat Gasbeleuchtung einschließlich des Kronleuchters für 62 Flammen." Des Weiteren meldete die Wochenzeitschrift, dass hinter der Synagoge der Bau einer Schule mit inbegriffener Lehrerwohnung bereits im Gange war.[4] Die Allgemeine Zeitung des Judentums berichtete 1878, da die Gemeinde nur drei Thorarollen besaß, ein Gemeindemitglied eine neue schreiben ließ und sie der Gemeinde schenkte; die Weihe gab Veranlassung zu einem religiösen Fest.[5]
In der Pogromnacht 1938 wurden die Kultgeräte und die Torarollen aus der Synagoge auf die Straße geworfen und die Synagoge von den Nationalsozialisten niedergebrannt.[6] Die Ruine wurde im Februar 1939 abgerissen. Die aus der brennenden Synagoge gerettete Torarolle wurde angeblich dem Grab des im Juni 1939 verstorbenen Kaufmanns Max Blume auf dem Jüdischen Friedhof Hattingen beigelegt.
Zur Erinnerung befindet sich seit 1987 auf dem Synagogenplatz der Denkstein „Gegen das Vergessen“ der Hattinger Bildhauerin Ulla H'loch-Wiedey.
Beschreibung
Die neue Synagoge in der späteren Bahnhofstraße war auf einer langgestreckten, schmalen Parzelle errichtet. Über den höher gelegenen, weitläufigen Vorplatz erreichte man über ein paar Treppen die Westfassade, rechts dahinter stand das Schulhaus. Das etwa 126 m² große Gebäude hatte einen rechteckigen Grundriss und ein Walmdach. An der Nord- und der Südseite fiel das Licht durch drei hohe, einfarbig verglaste Rundbogenfenster in den Betraum. Das rundbogige Eingangsportal der Westfassade war durch ein mit Säulen profiliertes Gewände eingefasst und durch einen vorstehenden Vorbau mit Dreiecksgiebel betont. Über dem Eingang befand sich ein Oculus. Die durch Lisenen vertikal dreiteilig gegliederte Schaufassade war unter dem Hauptgesims mit einem Rundbogenfries geschmückt. Östlich befand sich ein Anbau für den Thoraschrein. Das Innere der Synagoge war traditionell gestaltet: zunächst betrat man einen Vorraum, von dort aus ging man rechts über eine Treppe zur Frauenempore mit 56 Sitzen, links befand sich ein Zimmer (vermutlich ein Abstellraum). Geradeaus gelangte man durch eine zweiflügelige Tür in den Betraum mit 104 Sitzplätze, die durch einen Mittelgang geteilt und auf den Thoraschrein ausgerichtet waren. Wie in Gemeinden liberaler Orientierung üblich, war die Bima vor dem Allerheiligsten aufgestellt. 1922 fand dann eine grundlegende Renovierung des Gotteshauses statt.[3] Die ursprünglich installierte Gasbeleuchtung wurde später durch elektrisches Licht ersetzt und im Jahr 1938 wurden ein Kronleuchter und zwölf Wandleuchten angebracht.[7]
Siehe auch
Literatur
- Thomas Weiß: Ortsartikel Hattingen, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Arnsberg, hg. von Frank Göttmann, Münster 2016, S. 411–425 Online-Fassung der Historischen Kommission für Westfalen.
Einzelnachweise
- Svenja Hanusch: Jüdisches Leben in der Stadt. In: WAZ, 9. November 2012
- Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum
- Elfi Pracht-Jörns: Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen: Regierungsbezirk Arnsberg. J.P. Bachem, 2005, ISBN 978-3-7616-1449-5, S. 206–210.
- Der Israelit: ein Centralorgan für das orthodoxe Judenthum. Verlag des Israelit, 1872, S. 847.
- Ludwig Philippson (Hrsg.): Allgemeine Zeitung des Judenthums. Nr. 28. Baumgärtners Verlag, Leipzig 1878, S. 28.
- Thomas Weiß: Die Hattinger Synagoge. Stadtarchiv Hattingen, 2006
- Michael Brocke: Feuer an Dein Heiligtum gelegt: zerstörte Synagogen 1938, Nordrhein-Westfalen. Kamp, 1999, ISBN 978-3-89709-200-6, S. 230.