Swanahild
Swanahild (Sunnichilde, Sonichilde, Serenahilt) war die zweite Ehefrau Karl Martells. Sie war die Nichte von Pilitrud, der Ehefrau des bayerischen Herzogs Grimoald, sowie die Nichte des Herzogs Odilo von Bayern.
Leben
Aus ihrer Ehe hatte sie den Sohn Grifo, der von seinen Halbbrüdern Karlmann und Pippin nach dem Tod des Vaters in seinen Erbansprüchen übergangen wurde.
Von einem Feldzug in Bayern 725, bei dem Grimoald gestürzt wurde, brachte Karl Martell dessen Ehefrau Pilitrudis sowie deren Nichte Sunnichilde als Gefangene mit ins Frankenreich[1]. Er heiratete sie nach dem Tod seiner Ehefrau Chrotrud[2]; wenig später wurde der gemeinsame Sohn Grifo geboren. Offenbar war die Ehe mit Swanahild (auch) ein Versuch, das bayerische Herzogshaus an die Karolinger zu binden[3].
Im Jahr 736 machte Karl ihren Onkel Odilo[4] zum Herzog von Bayern. Insgesamt wird in den letzten Lebensjahren Karls ein dominanter Einfluss Swanahilds gesehen, der sich auch in dem Versuch äußerte, ihrem Sohn ein Erbe zu sichern[5]. Letztendlich nicht geklärt ist dagegen der Einfluss, den Swanahild bei der Heirat Odilos mit ihrer Stieftochter Hiltrud ausübte – sicher ist lediglich, dass Hiltruds Brüder mit der Ehe nicht einverstanden waren. Einerseits wird berichtet, dass Odilo auf seiner Flucht vor der bayerischen Adelsopposition an den Hof Karl Martells Hiltrud noch zu Lebzeiten des Hausmeiers geheiratet habe[6], andererseits, dass sie nach dem Tod Karl Martells ihrer Stieftochter geraten habe, zu ihrem Onkel Odilo nach Bayern zu fliehen, den Hiltrud dann heiratete[7].
Bei seinem Tod 741 hinterließ Karl Martell wie von Swanahild gewünscht das Reich seinen drei Söhnen, Karlmann, Pippin und Grifo, wobei Karlmann und Pippin allerdings bald übereinkamen (Vieux-Poitiers 742), den Erbanspruch des wesentlich jüngeren Grifo zu ignorieren und die Macht unter sich aufteilten. Swanahild unterstützte ihren Sohn bei dessen vergeblichen Versuch, sich gegen seine Halbbrüder zu behaupten. Nach Grifos Niederlage wurde sie in die Abtei Chelles verbannt[8], wo sie zu einem unbekannten Zeitpunkt auch starb und bestattet wurde.
Das Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau gibt Swanahild den Titel regina[9], obwohl ihr der Titel einer Königin nicht zustand. Hierzu werden in der Forschung zwei Positionen diskutiert
- zum einen, dass die Bezeichnung auf Karls Stellung im Frankenreich zurückzuführen ist[10],
- zum anderen, dass die Bezeichnung innerhalb der Familie Swanahilds, der Agilolfinger, für die Töchter der Fürsten üblich war[11]
Quellen
- Fredegari Continuationes, 12,25 (MGH SRM II)
- Annales quae dicitur Einhardi (MGH SRG 6), 741, 742
- Annales Mettenses priores (MGH SRG 10)
Literatur
- Eduard Hlawitschka: Die Vorfahren Karls des Großen. Nr. 33, S. 79.
- Jörg Jarnut: Untersuchungen zur Herkunft Swanahilds, der Gattin Karl Martells. In: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte. Bd. 40, 1977, S. 245–249 (Digitalisat).
- Rudolf Schieffer: Die Karolinger. 1992.
- Christian Settipani: La préhistoire des Capétiens. 1993, S. 172 f.
- Joachim Jahn: Hausmeier und Herzöge. Bemerkungen zur agilolfischen-karolingischen Rivalität bis zum Tode Karl Martells. In: Jörg Jarnut, Ulrich Nonn, Michael Richter (Hrsg.): Karl Martell in seiner Zeit (= Beihefte der Francia. Bd. 37). Thorbecke, Sigmaringen 1994, ISBN 3-7995-7337-2, S. 317–344 (Digitalisat).
- Ulrich Nonn: Swanahild. In: Lexikon des Mittelalters. Band VIII, Spalte 349.
- Ulrich Nonn: Swanahild. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 723 (Digitalisat).
- Detlev Schwennicke: Europäische Stammtafeln. Band I.1 (2005), Tafel 3–7.
Anmerkungen
- Continuationes, caput 12: "Subacta regione illa, thesauris multis cum matrona quandam nomine Beletrude et nepta sua Sunnichilde regreditur."
- "Daß Swanahild nicht nur concubina war, wie es die späteren karolingischen Annalen darstellen und wie es in der älteren Literatur demzufolge immer wieder behauptet worden ist, zeigt H. L. Mikoletzky, Karl Martell und Grifo (Festschrift E. E. Stengel, Münster-Köln 1952), Seite 130-156" (Hlawitschka); Hlawitschka bezieht sich vor allem auf die Annales Mettenses priores, die Swanahild als "ruchloses Weib" (improbae mulieris) und Konkubine beschreiben: "Carolus autemadhuc vivens, cum inter filios suos Carolomannus et Pippinum principatum suum divideret, tertio filio suo Gripponi, quem ex concubina sua Sonihilde, quam de Bawaria captivam adduxerat, habuit, ... partem ei in medio principatus sui tribuit"; "Die Abqualifizierung der zweiten Gemahlin Karls als Konkubine bildete offenbar die moralische Rechtfertigung dieses Vorgehens [gemeint ist das Beiseiteschieben Grifos] und dürfte sich von daher in der Überlieferung ausgebreitet haben." (Schieffer, S. 51)
- Schieffer, S. 42
- Annales qui dicuntur Einhardi, 741: "Hoc anno Karolus maior domus diem obiit, tres filios heredes relinquens, Karlomannum scilicet et Pippinum atque Grifonem, quorum Grifo, qui ceteris minor natu erat, matrem habuit nomine Swanahildem, neptem Odilonis ducis Baioariorum."
- "Gegen Ende von Karls Lebenszeit dominierte eine bayerische Partei um seine 2. Gemahlin Swanahild am Hofe, die dem jungen Grifo ein Erbteil sicherte." (Schieffer, S. 49)
- So Wilhelm Störmer im Artikel "Odilo (I)" des Lexikons des Mittelalters (Band VI Spalte 1351): "Ob diese Bischofsorganisation [Gründung der Bistümer Regensburg, Passau, Freising und Salzburg] der Hauptgrund für die Opposition in Bayern wurde, die Odilo veranlaßte, an den Hof Karl Martells und dessen Gemahlin Swanahild, einer Verwandten Odilos, zu fliehen, ist nicht mehr feststellbar. Während der Flucht vermählte er sich mit Hiltrud. Noch zu Lebzeiten Karl Martells (+ 741) konnte Odilo nach Bayern zurückkehren..." und in seiner Habilitation ("Adelsgruppen", 1972, S. 38): "Jedenfalls war es Swanahild, welche die Ehe ihrer Stieftochter Hiltrud (aus Karl Martells 1. Ehe) mit Herzog Odilo vermittelte und betrieb, und zwar gegen den Willen der Brüder Hiltruds, Pippin und Karlmann."
- Ulrich Nonns Artikel "Swanahild" im gleichen Werk, Band VIII, Spalte 349
- Schieffer: "Grifo wurde auf dem Chèvremont bei Lüttich gefangengesetzt, während seine Mutter im alten Königskloster Chelles bei Paris verschwand…"; Nonn hingegen: "Swanahild wurde als Leiterin des Klosters Chelles abgefunden"
- "Suanahil regina", Nr. 32
- "…wobei Swanahild freilich ebenso wenig eine echte Königin wie Karl Martell rechtmäßiger König war, was aber auf eine besonders betonte und angesehene Stellung Swanahilds neben Karl Martell verweist" (Hlawitschka, S. 79)
- Settipani, S. 173, Fußnote 174, mit Verweis auf Karl August Eckhardt, Merowingerblut, II Agilolfinger und Etichonen (1965), S. 108