Subjektives Wohlbefinden
Subjektives Wohlbefinden (englisch subjective well-being, kurz: SWB) beschreibt das selbst wahrgenommene Gefühl des Glücks im Leben oder der Zufriedenheit mit dem Leben.[1] Daneben gibt es Maße des objektiven Wohlbefindens, die versuchen, die Lebensqualität eines Menschen zu erfassen. Fasst man beide Bereiche zusammen, erhält man das Wohlbefinden als Wohlstandsindikator auf nationalem und internationalem Niveau.
Manchmal unterscheidet man neben dem subjektiven und objektiven Wohlbefinden (SWB/OWB) einen dritten distinkten Aspekt, das psychische bzw. psychologische Wohlbefinden (PWB).[2][3][4] Allerdings werden SWB und PWB auch synonym gebraucht.[5]
Geschichte und Hintergrund
Überlegungen zum Glück, Glücklichsein oder dem guten Leben reichen zurück bis zu den frühesten Philosophen und Denkern (siehe auch Philosophie des Glücks). Die Idee des SWB im heutigen Sinne lässt sich bis zum Utilitarismus von Jeremy Bentham zurückverfolgen, der annahm, dass die Grundlage eines guten Lebens aus der Anwesenheit von Freude und Vergnügen und der Abwesenheit von Schmerz bestand.[6]
Eine der frühesten empirischen Arbeiten in diese Richtung stammt von John C. Flügel (1925), der die Stimmungen von Personen untersuchte, indem er für sie emotionale Ereignisse erfasste und die emotionalen Reaktionen über die Momente aufsummierte.[7]
Die wissenschaftliche, insbesondere empirische Untersuchung von SWB begann mit dem Aufkommen der positiven und der humanistischen Psychologie in den 1970er und 80er Jahren. Deren Ziel war es, den Fokus der Wissenschaft, die sich bislang eher auf negative Aspekte (z. B. Psychische Störungen) konzentrierte, um positive Aspekte (z. B. Glück, Optimismus, Vertrauen) zu erweitern.
Komponenten
Obwohl SWB oft synonym für Glück gebraucht wird, ist zu beachten, dass es sich um einen Sammelbegriff handelt, der verschiedene Phänomene zusammenfasst. Ein breiterer Konsens besteht in der Zweiteilung von affektiven und kognitiven Aspekten. In einer frühen Arbeit zum Thema SWB identifizierte Ed Diener (1984) drei wesentliche voneinander unabhängige Komponenten des Subjektiven Wohlbefindens: Lebenszufriedenheit, Positiver Affekt, Negativer Affekt.[8] Diener ergänzte später noch die Bereichszufriedenheit (1999).
Wird SWB anhand des kognitiven Aspekts der Lebenszufriedenheit gemessen, so ist dieses in der Bevölkerung normalverteilt. Das höchstmögliche Maß an Lebenszufriedenheit erreichen je nach untersuchter Bevölkerung 0,3–1,6 %.[9] Wird SWB anhand der affektiven Aspekte erfasst, zeigt es eine positiv schiefe (rechtsschiefe) Verteilung.[10]
Einflussfaktoren
1974 untersuchte Richard Easterlin den Zusammenhang zwischen Einkommen und Glück und stellte fest, dass mehr Einkommen die Menschen nicht unbedingt glücklicher macht (siehe auch Easterlin-Paradox).[11] Easterlin's Ergebnisse waren nicht unumstritten und sind bis heute Grundlage weiterer Forschung auf internationaler und Mikro-Ebene.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde eine Vielzahl weiterer von Variablen und deren Wirkung auf das Subjektive Wohlbefinden untersucht, darunter Alter, Geschlecht, Persönlichkeit, Bildung, Arbeitsverhältnisse, Ehe, Religion, Dankbarkeit uvm.[12][13]
Beispiele
Theorien
Bislang gibt es keine umfassende Theorie, die alle Aspekte des Subjektiven Wohlbefindens erklären könnte. Bekannte Ansätze sind:
- hedonistische Adaptation, auch Habituation bzw. hedonistische Tretmühle (Brickman & Campbell, Michael W. Eysenck)
- opponent-process theory (Hering, Solomon)
- dynamic equilibrium model (Heady & Wearing)
- Sozialer Vergleich
- Salutonormativität
Literatur
- Ed Diener: The Science of Well-Being: The Collected Works of Ed Diener. Springer Netherlands, 2009, ISBN 978-90-481-2349-0.
- Ed Diener: Culture and Well-Being: The Collected Works of Ed Diener. Springer Netherlands, 2009, ISBN 978-90-481-2351-3.
- Ed Diener: Assessing Well-Being: The Collected Works of Ed Diener. Springer Netherlands 2009, ISBN 978-90-481-2353-7.
- E. Diener, E. M. Suh, R. E. Lucas, H. L. Smith: Subjective well-being: Three decades of progress. In: Psychological Bulletin. 125 (1999), S. 276–302.
- Daniel Kahneman, E. Diener, N. Schwarz (Hrsg.): Well-Being: The Foundations of Hedonic Psychology. New York 2000.
- A. Aberle, P. Becher (Hrsg.): Wohlbefinden. Weinheim 1991.
Einzelnachweise
- David G. Myers, S. Hoppe-Graff, B. Keller: Psychologie. 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. Springer, 2008, ISBN 978-3-540-79032-7, S. 576.
- Ryff, 1989.
- Ryff & Keyes, 1995.
- Renate Frank: Wohlbefinden fördern: Positive Therapie in der Praxis. 1. Auflage. Klett-Cotta, 2010, ISBN 978-3-608-89091-4, S. 61/62.
- Psychological Well-Being. – Artikel auf den Seiten von grossnationalhappiness (Bruttonationalglück)
- Shane J. Lopez, C. R. Snyder: The Oxford Handbook of Positive Psychology. Oxford Univ. Press, New York 2009, ISBN 978-0-19-986216-0, S. 187.
- J. C. Flugel: A quantitative study of feeling and emotion in everyday life. In: British Journal of Psychology. 15 (April 1925), S. 318–355.
- E. Diener: Subjective well-being. In: Psychological Bulletin. 95 (1984), S. 542–575.
- Gerhard Henrich, Peter Herschbach: Questions on Life Satisfaction (FLZM) - A Short Questionnaire for Assessing Subjective Quality of Life. In: European Journal of Psychological Assessment. Band 16, Nr. 3, September 2000, ISSN 1015-5759, S. 150–159, doi:10.1027//1015-5759.16.3.150 (hogrefe.com [abgerufen am 9. Mai 2020]).
- John R. Crawford, Julie D. Henry: The Positive and Negative Affect Schedule (PANAS): Construct validity, measurement properties and normative data in a large non-clinical sample. In: British Journal of Clinical Psychology. Band 43, Nr. 3, September 2004, S. 245–265, doi:10.1348/0144665031752934 (crossref.org [abgerufen am 15. Mai 2020]).
- Richard Easterlin: Does Economic Growth Improve the Human Lot? In: Paul A. David, Melvin W. Reder (Hrsg.): Nations and Households in Economic Growth: Essays in Honor of Moses Abramovitz. Academic Press, New York 1974.
- P. Dolan, T. Peasgood, M. White: Do we really know what makes us happy? A review of the economic literature on the factors associated with subjective well-being. In: Journal of economic psychology. 29 (2008), S. 94–122.
- Harvard Health Publishing: Giving thanks can make you happier. Abgerufen am 3. Dezember 2020.