Students for Fair Admissions v. Harvard
Students for Fair Admissions, INC. v. President and Fellows of Harvard College (Harvard Corporation) ist ein in den Vereinigten Staaten von großem Medieninteresse[1] begleiteter, am Bezirksgericht für den Justizbezirk von Massachusetts in den Jahren 2018 und 2019 verhandelter Fall zur Frage, ob die Harvard University durch ihre Zulassungspraktiken aufgrund der Berücksichtigung der ethnischen Zugehörigkeit in unrechtmäßiger Art und Weise asiatischstämmige Bewerber diskriminiert.
Hintergrund
Die Bewerbungen zur Studienzulassung an der Harvard University übersteigen die Zahl der angebotenen Studienplätze um ein Vielfaches. Nach Angaben des Bezirksgerichts erhielt die Universität für das akademische Jahr 2019 über alle Studiengänge hinweg 35.000 Bewerbungen, erteilte jedoch nur rund 2000 Zulassungen. Das Missverhältnis von vielfach hochqualifizierten Bewerbern und verfügbaren Studienplätzen begründet die Notwendigkeit eines rigorosen Auswahlprozesses mit hohen Anforderungen an die akademischen und außerakademischen Leistungen der Kandidaten. Gleichzeitig strebt die Universität an, dass die zugelassenen Studenten nach Kriterien wie ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität und Religion vielfältig und heterogen sind. Eine Unterrepräsentierung bestimmter ethnischer Gruppen, wie etwa schwarzen Amerikanern oder Hispanics, soll vermieden werden.
Trotzdem sind Hispanics und schwarze Amerikaner an der Harvard mit einem Anteil von zusammen etwa 20 % weiterhin verglichen mit einem Anteil von etwa 30 % an der Gesamtbevölkerung der USA unterrepräsentiert. Bewerber mit einem asiatischen Hintergrund sind demgegenüber überrepräsentiert (22 % der Studenten in Harvard, aber nur 6 % in der Gesamtbevölkerung).
Standardisierte Tests, wie der SAT oder GPA, bilden eine wesentliche Grundlage der Zulassungsbedingungen zur Harvard University. Jedoch bewerben sich Jahr für Jahr tausende Kandidaten mit den für diese Tests vorgesehenen Höchstpunktzahlen. Außer diesen Tests zieht die Harvard University daher verschiedene andere akademische und außerakademische Kriterien für die Zulassungsentscheidung heran. Hinzu kommen persönliche Interviews mit Harvard Alumni und Empfehlungsschreiben von Lehrern und anderen Bezugspersonen. Zudem fördert die Harvard University gezielt Bewerbungen von Minderheiten, insbesondere von schwarzen Amerikanern und Hispanics, beispielsweise durch persönliche Interviews und „Suchlisten“, anhand derer potenziell geeignete Kandidaten aus Minderheitenpopulationen gezielt angesprochen werden. Die finale Entscheidung über die Zulassung trifft das Studienbüro anhand von vier Bewertungskategorien: (1) Akademische Leistungen, z. B. Testergebnisse, Schulnoten usw., (2) Freiwillige Zusatzdienste ("extracurricular activities"), z. B. Tätigkeit als Klassen- oder Schülersprecher, (3) Sportliche Leistungen, und (4) „persönliche Qualitäten“ des Kandidaten, z. B. Einfühlungsvermögen, Hilfsbereitschaft, charakterliche Integrität, Leistungswille etc. Zudem ist die Vergabe von Aufwertungen (tip) für einkommensschwache Bewerber oder aufgrund der Zugehörigkeit zu bestimmten ethnischen Gruppen vorgesehen.[2]
Analysen der Harvard-Universität sowie seitens von Drittparteien ergaben, dass sich insbesondere in Bezug auf die quantifizierbaren Bewertungskriterien wesentliche Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen ergeben. Zugelassene asiatische Studenten haben im Vergleich zu angenommenen Studenten von anderen ethnischen Gruppen im Durchschnitt deutlich höhere SAT- oder GPA-Ergebnisse. Insbesondere schwarze Amerikaner und Hispanics, aber zu einem geringeren Grad auch weiße Kandidaten, wurden deutlich öfter durch „persönliche Qualitäten“ hochgestuft, oder erhielten Aufwertungen für andere eher subjektive Kriterien. Hierbei spielt statistischen Untersuchungen zufolge bei 45 % der zugelassenen schwarzen Amerikaner und Hispanics die ethnische Zugehörigkeit eine wesentliche Rolle bei der Zulassungsentscheidung. Demzufolge wären ein Drittel der zugelassenen Hispanics und die Hälfte der zugelassenen schwarzen Amerikaner ohne Berücksichtigung der ethnischen Zugehörigkeit nicht zum Studium an der Harvard University zugelassen worden. Der Anteil von schwarzen Amerikanern und Hispanics an der Studierendenschaft würde von jeweils etwa 14 % auf 6 % bzw. 9 % sinken.[3] Unterschiede in der Bewertung von Bewerbungen von Studenten unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit beschränken sich nicht nur auf die Harvard-Universität. Einer Studie der Universität Princeton zufolge benötigen asiatische Bewerber bei ansonsten gleicher Eignung bei acht untersuchten Elite-Universitäten eine um 140 Punkte höhere SAT-Punktzahl als weiße Bewerber, um zum Studium zugelassen zu werden. Gegenüber Hispanics und schwarzen Amerikanern beträgt die Punktdifferenz 270 und 450 Punkte (bei einer Maximalpunktzahl von 1600 möglichen Punkten).[4]
Im Jahr 2018 reichte die von konservativen Politaktivisten gegründete Gruppe Students for Fair Admissions Klage gegen die Harvard-Universität vor dem US Bezirksgericht von Massachusetts ein. Die Zulassungspolitik, so die Kläger, verstießen gegen Nichtdiskriminierungsgesetze und das Gleichbehandlungsgebot.
Urteil
Am 30. September 2019 urteilte die zuständige Richterin Allison D. Burroughs, dass die Zulassungspraktiken der Harvard University nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Eine vielfältige und nach ethnischer Herkunft heterogene Studierendenschaft sei für die akademische und persönliche Entwicklung aller Studierenden förderlich. Dadurch kann die präferierte Zulassung von Studenten aus ansonsten unterrepräsentierten Gruppen trotz schlechterer formeller Zulassungsvoraussetzungen, wie z. B. Testergebnissen in standardisierten Tests, gerechtfertigt sein, auch wenn dadurch andere Bewerber aus ansonsten überrepräsentierten Gruppen mit formell besseren Zulassungsvoraussetzungen benachteiligt werden. Insbesondere sei es zulässig, nicht-quantifizierbare Kriterien, wie die Persönlichkeit der Kandidaten zur Entscheidung über die Zulassung heranzuziehen, wobei die Zugehörigkeit zu einer unterrepräsentierten Gruppe als positives Persönlichkeitsmerkmal gelten kann. Zwar könne hierbei der Anschein einer gewissen Willkür nicht vollständig vermieden werden, jedoch fordere die derzeitige Rechtslage keine vollständig fairen und nachvollziehbaren Zulassungsentscheidungen. Die hieraus resultierende augenscheinliche Benachteiligung asiatischer Bewerber mit besseren formalakademischen Zulassungsvoraussetzungen sei zudem nicht Folge einer Diskriminierungsabsicht, sondern eine Folge der Absicht zur Förderung unterrepräsentierter Bewerbergruppen. In der Gesamtschau aller rechtlichen und gesellschaftlichen Erwägungen seien die Zulassungsvorschriften der Harvard University somit gesetzeskonform.
Einzelnachweise
- NBC News, 1. Oktober 2019: Judge rules in favor of Harvard in affirmative action case, abgerufen am 18. Oktober 2019.
- Urteilsbegründung des Bezirksgerichts, S. 22.
- Urteilsbegründung des Bezirksgerichts, S. 84.
- Washington Examiner, 8. Juni 2018: The Balancing Game, abgerufen am 18. Oktober 2019.