Stromrichterstation
Eine Stromrichterstation ist die Anlage bei einer Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ), in der die Umwandlung von Drehstrom in Gleichstrom (und umgekehrt) erfolgt. Somit kann je nach Bedarf aus Gleichstrom Drehstrom und aus Drehstrom Gleichstrom gemacht werden. Eine Stromrichterstation beinhaltet neben dem Stromrichter stets auch
- eine Drehstrom-Schaltanlage,
- Stromrichtertransformatoren,
- Oberschwingungsfilter und
- eine Gleichstrom-Schaltanlage.
Arten
Es wird zwischen netzgeführten englisch Line Commutated Converter, (LCC) und selbstgeführten englisch Voltage Source Converter, (VSC) unterschieden. Netzgeführte Stromrichter sind in der Lage, bei einer Betriebsspannung von 800 kV Leistungen von über 7 GW zu übertragen, benötigen jedoch Blindleistung aus dem Drehstromnetz. Selbstgeführte Anlagen im Rahmen von Flexible-AC-Transmission-System (FACTS) sind in der Lage, induktive oder kapazitive Blindleistung zur Verfügung zu stellen bzw. aufzunehmen und können zusätzlich zur Steuerung des Leistungsflusses im Wechselspannungsnetz dienen.[1]
Bestandteile
Stromrichterhalle
Die Stromrichterhalle, auch Ventilhalle (engl. valve hall) genannt, ist das Gebäude, in dem die Stromrichter, typischerweise Thyristoren, früher auch Quecksilberdampfgleichrichter, untergebracht sind. Quecksilberdampfgleichrichter wurden in der Stromrichterhalle auf Isolatoren aufgestellt, während Thyristoren entweder auf Isolatoren aufgestellt oder an der Decke aufgehängt werden. Letzteres erfordert zwar eine stabilere Deckenkonstruktion, diese kann aber Erdbeben besser überstehen als bei einem stehenden Aufbau. Häufig werden hierbei mehrere Ventilfunktionen in einem Thyristorturm vereint. Neben der Stromrichterhalle befindet sich oft ein zusätzliches Gebäude, in dem die Ansteuerelektronik, Geräte für die Kühlung und Überwachung, Einrichtungen für die Stromversorgung der Hilfseinrichtungen sowie Sozialräume untergebracht sind.
Da die Stromrichter im Betrieb eine hohe elektrische Spannung gegen Erde führen, darf die Stromrichterhalle während des Betriebs der Anlage nicht betreten werden. Im Regelfall ist daher in dem Nebengebäude, von dem aus die Steuerung erfolgt, ein Fenster vorgesehen, um einen Blick auf die Anlage werfen zu können. Da zahlreiche Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsanlagen ferngesteuert werden, sind auch häufig Fernüberwachungsgeräte installiert.
Bei manchen Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsanlagen wie der HGÜ Cahora Bassa wurden Stromrichter verwendet, die in ölgefüllten Behältern im Freien aufgestellt werden. Bei solchen Anlagen, die die Ausnahme darstellen, gibt es keine Stromrichterhalle.
Gleichstrom-Schaltanlage
Die Gleichstrom-Schaltanlage verfügt fast immer über eine Glättungsdrossel zur Glättung des Gleichstroms. Ihre Induktivität beträgt zwischen 0,1 H und 1 H. Die Glättungsdrossel kann als Luftspule oder als Spule mit Eisenkern ausgeführt sein. In letzteren Fall sieht sie ähnlich aus wie ein Hochspannungstransformator und wird wie ein solcher meist mit Öl gekühlt. Als Luftspulen ausgeführte Glättungsdrosseln ähneln in ihrer Bauart meist Trägerfrequenzsperrspulen in Hochspannungsleitungen, besitzen aber wesentlich größere Abmessungen. Sie sind wie diese meist auf Isolatoren montiert. Luftdrosseln haben den Vorteil, weniger Geräusche zu erzeugen als Eisendrosseln.
Zur Gleichstrom-Schaltanlage gehören auch stets Gleichstrom- und Gleichspannungs-Messwandler. Hierfür kommen zum Gleichstrom-Ausgang in Reihe und parallel zu diesen liegende Transduktoren zum Einsatz.
Gelegentlich werden auch noch Gleichstromfilter zur Beseitigung hochfrequenter Störsignale eingesetzt. Solche Filter sind insbesondere dann nötig, wenn auf der Gleichstromleitung eine Nachrichtenübermittlung nach dem Trägerfrequenzverfahren im Bereich zwischen 30 kHz und 500 kHz erfolgen soll oder wenn die Gleichstromleitung als Freileitung ausgeführt ist, die in unmittelbarer Nähe von Wohnhäusern vorbeiführt. Diese können aus LC-Gliedern bestehen und somit passiv sein, oder aus einem per Übertrager und Schutzkondensatoren angekoppelten Verstärker bestehen und somit aktiv sein. Ein solcher Verstärker gibt ein um 180 Grad zum Störsignal phasenverschobenes Signal auf die Leitung und regelt so die Störung weg. Ein solches System wird bei der HGÜ Baltic Cable verwendet.
Stromrichter
Stromrichter werden seit Mitte der 1970er Jahre in Thyristortechnik ausgeführt, wobei man fast immer 12-pulsige Dreiphasengleichrichter verwendet, um den Aufwand für die Oberschwingungsfilter zu verringern. Bei älteren Anlagen sind gelegentlich noch Quecksilberdampf-Gleichrichter im Einsatz. Während bei diesen jeder Gleichrichter einzeln aufgestellt ist, werden bei Thyristorstromrichtern 4 Stromrichterventile zu einem Modul, dem Thyristorturm zusammengefasst. Für einen kompletten Stromrichter sind also 3 Thyristortürme nötig.
Bei Anlagen, die nicht mit Stromzwischenkreis, sondern mit Spannungszwischenkreis betrieben werden, kommen statt Thyristoren zumeist IGBTs zum Einsatz. Bei diesen Anlagen unterscheidet sich der Aufbau des Stromrichters grundlegend von denen mit Thyristoren.
Stromrichter-Transformatoren
Die Stromrichter-Transformatoren dienen nicht nur zur Anpassung der Spannung des Drehstromnetzes an die der HGÜ, sondern auch durch die besondere Schaltung (Stern-Stern-Dreieck-Schaltung) zur Ausschaltung zahlreicher Oberschwingungen, falls der Stromrichter in 12-Puls-Schaltung ausgeführt ist und nur in dieser Schaltung betrieben wird. Da die Windungen der Stromrichter-Transformatoren ein Gleichspannungspotential gegen Erde führen, muss die Isolation der Windungen dieser Transformatoren besonders bemessen werden. Stromrichter-Transformatoren können für Leistungen bis ca. 300 MVA als komplette Einheit realisiert werden. Für größere Leistungen sind aus transporttechnischen Gründen mehrere Einheiten möglich. Hierbei können entweder zwei dreiphasige Einheiten (mit 2 Wicklungen) oder drei einphasige Einheiten (mit 3 Wicklungen) verwendet werden. Letztere Variante hat den Vorteil, dass nur ein Transformatortyp benötigt wird, was die Bereitstellung eines Ersatztransformators wirtschaftlicher macht.
Da Stromrichter-Transformatoren von einem stark oberschwingungshaltigen Strom durchflossen werden, erzeugen sie mehr Geräusche als vergleichbare Transformatoren in normalen Umspannwerken, was bei ihrer Aufstellung zu beachten ist. Ein in Betrieb befindlicher Stromrichter-Transformator erzeugt ein wesentlich lauteres Geräusch als ein normaler Drehstromtransformator. Stromrichter-Transformatoren werden in unmittelbarer Nähe des Stromrichters aufgestellt. Bei manchen modernen Anlagen sind diese in Anbauten der Stromrichterhalle untergebracht, was auch einen besseren Lärmschutz ergibt.
Oberschwingungsfilter
Bei Anlagen mit sechspulsigem Betrieb entstehen ungeradzahlige Oberschwingungen ab der 5. Ordnung. Zu deren Eliminierung werden Oberschwingungsfilter eingesetzt. Für die reine Blindleistungserzeugung werden parallel zum Oberschwingungsfilter Kondensatorbatterien oder Drosseln geschaltet.
Sonstige Filter
Bei 12-pulsigen Stromrichteranlagen genügen häufig ein oder zwei auf die 12. und 24. Harmonische abgestimmte Bandpassfilter, da nur Oberschwingungen der Ordnung 12×n + 1 und 12×n − 1 (n = natürliche Zahl) anfallen. Daneben können auch abgestimmte Serien-Resonanzkreise verwendet werden.
Neben den Oberschwingungsfiltern sind auch häufig noch Filter zur Beseitigung von Störsignalen im Frequenzbereich von PLC-Anlagen (30 kHz bis 500 kHz) vorhanden. Diese Filter befinden sich meist in unmittelbarer Nähe des Drehstrom-Ausgangs des Stromrichter-Transformators. Sie bestehen aus einer vom Laststrom durchflossenen Spule, zu der parallel ein Kondensator geschaltet ist. Daneben werden auch Synchronphasenschieber verwendet.
Drehstrom-Schaltanlage
Die eigentliche Drehstrom-Schaltanlage einer Stromrichterstation unterscheidet sich prinzipiell nicht von der eines normalen Umspannwerks. Sie kann über Transformatorenfelder für weitere Spannungsebenen verfügen.
Stromrichterstationen für HGÜ-Kurzkupplungen
Stromrichterstationen für HGÜ-Kurzkupplungen unterscheiden sich prinzipiell nicht von denen für Fernübertragungen. Allerdings beinhaltet bei solchen Anlagen die Stromrichterhalle meist beide Stromrichter. Da die Länge der Gleichstromleitung sehr kurz ist, sind keine aufwendigen Gleichstromfilter nötig.
Sonstiges
Flächenbedarf
Der Flächenbedarf für eine Stromrichterstation mit 600 Megawatt Übertragungsleistung und einer Übertragungsspannung von 400 kV beträgt etwa 300 × 300 Meter.
Standortfaktoren
Da von Stromrichterstationen Lärm und hochfrequente Störsignale ausgehen können, sollte eine derartige Anlage nicht unbedingt in der Nähe von Wohngebieten liegen. Sie ist ggf. von einem Lärmschutzwall zu umgeben. Wie bei normalen Umspannwerken ist darauf zu achten, dass im Havariefall kein Öl aus Transformatoren oder anderen Komponenten ins Grundwasser gelangen kann.
Stromrichterstationen in Deutschland
- GKK Etzenricht (HGÜ-Kurzkopplung, 160 kV, 600 MW, 1993 in Betrieb gegangen, seit 1995 stillgelegt)
- Stromrichterstation Lübeck-Herrenwyk der HGÜ Baltic Cable (450 kV, 600 MW, Betriebsaufnahme 1994)
- Stromrichterstation Bentwisch der HGÜ-Kontek (400 kV, 600 MW, Betriebsaufnahme 1996)
- Offshore-HGÜ-Systeme sind Systeme zur Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung von Offshore-Windstrom an Land. Sie werden bisher nur in Deutschland eingesetzt, da Offshore-Windparks im Gegensatz zu Großbritannien und Dänemark in größerer Entfernung zur Küste errichtet werden (bereits in Betrieb ist die HGÜ BorWin1 nach Diele, weitere befinden sich in Bau).
Ehemalige Stromrichterstationen in Österreich
- GK Dürnrohr (HGÜ-Kurzkopplung, 145 kV, 550 MW, 1983 in Betrieb gegangen, seit 1996 stillgelegt)
- GK Wien-Südost (HGÜ-Kurzkopplung, 160 kV, 600 MW, 1993 in Betrieb gegangen, seit 1996 stillgelegt)
Literatur
- H. Wayne Beaty, Donald G. Fink: Standard Handbook for Electrical Engineers. 15. Auflage. McGraw-Hill, 2006, ISBN 978-0-07-144146-9 (Kapitel 15).
Weblinks
Einzelnachweise
- Sandra Ullrich, Übertragungsnetze, in: Martin Wietschel, Sandra Ullrich, Peter Markewitz, Friedrich Schulte, Fabio Genoese (Hrsg.), Energietechnologien der Zukunft. Erzeugung, Speicherung, Effizienz und Netze, Wiesbaden 2015, S. 267–322, S. 299f.