Stresemann (Anzug)
Der Stresemann ist ein nach dem langjährigen deutschen Außenminister Gustav Stresemann benannter Anzug. Er soll nur am Tage (bis 17 Uhr) getragen werden und gilt als geeignet für förmliche Anlässe wie Trauerfeier, Staatsempfang oder Bankett. Der Stresemann ersetzt den Cutaway, hat aber weit weniger offiziellen Charakter.[1]
Entstehungsgeschichte
Der 1925 anlässlich der Verhandlungen der Verträge von Locarno eingeführte Anzug[2] besteht aus einer schwarz-grau gestreiften Hose, einem einreihigen schwarzen oder anthrazitfarbenen Jacket mit steigendem Revers, einer hellgrauen, bei Trauerfeiern jedoch dunklen Weste, einem weißen Hemd mit Umschlagmanschetten, die mit Manschettenknöpfen geschlossen werden, und einer silbergrauen, bei Trauerfeiern einer schwarzen Krawatte mit oder ohne Krawattennadel. Zum Stresemann werden schwarze Schuhe getragen.
Zur Entstehungsgeschichte heißt es, Reichsaußenminister Stresemann sei es leid gewesen, zwischen Büro und öffentlichen Auftritten (wie in Reichskanzlei und Reichstag) immer den Anzug wechseln zu müssen. Während man in der politischen Öffentlichkeit nach damaligem (und heute noch in Japan üblichem) Protokoll einen Cutaway tragen musste, dieser aber für den normalen Regierungsalltag im Büro zu unpraktisch und zu feierlich war, tauschte Gustav Stresemann den Cut, wenn er sein Ministerium betrat, gegen eine dem Gehrock ähnliche Jacke aus, die, weil sie mittlerer Länge war, gerade noch zu den eigentlich würdevollen gestreiften Hosen des Cut-Anzuges getragen werden konnte, aber immer noch ausreichend bequem und schlicht war, um auf der Straße und im Büro getragen zu werden. Stresemann sparte so das Aus- und Anziehen einer anderen Hose und Weste, war doch der Trick des Stresemann-Anzuges gerade der, dass man beim Cut nur das Cut-Jackett austauscht.[3][4]
In der frühen Bundesrepublik wurde der Stresemann zu Staatsempfängen getragen, was ihm den Namen Bonner Anzug eintrug.[5]
Im Gegensatz zum Cutaway, der sich seit einigen Jahren wieder steigender Beliebtheit erfreut, gilt der Stresemann in den 2000er Jahren als fast ausgestorben.[6]
Besonderheiten
In der Miesbacher Tracht wird die lange Hose, die in der sogenannten Halbtracht im Winter anstatt der kurzen Lederhose getragen wird, ebenfalls Stresemann genannt. Auch dabei handelt es sich um eine grau-längsgestreifte Hose.
Literatur
- Hermann M. von Eelking: Lexikon der Herrenmode. Verlag Musterschmidt, Göttingen 1960.
Weblinks
- Sven Raphael Schneider: Der Stresemann Anzug
Belege
- knigge.de: Kleidung - Der Stresemann, abgerufen am 21. Juni 2016
- Theodor Eschenburg gibt einen recht genauen Zeitpunkt für Stresemanns Entscheidung an: "Der Leiter der politischen Abteilung, Redlhammer, der als der bestangezogene Mann im Amt galt, hatte das Kleidungsstück in Amerika entdeckt und seinem Chef vorgeführt. Stresemann und der Reichsfinanzminister Luther entschlossen sich, wegen der Hitze in Locarno statt des Cutaway die Kombination zu tragen." (Theodor Eschenburg: Also hören Sie mal zu: Geschichte und Geschichten. Berliner Taschenbuch Verlags GmbH, Berlin 2001, S. 225).
- zeitklicks.de: Ein Anzug namens Stresemann, abgerufen am 21. Juni 2016
- miss-solution.com: Anzug für den Bräutigam: Smoking, Cut oder Frack - Der Stresemann, abgerufen am 21. Juni 2016
- gentlemansgazette.com: Der Stresemann Anzug (von Sven Raphael Schneider; vom 16. März 2010), abgerufen am 21. Juni 2016
- Uwe Fenner: Erfolgreich mit Stil. Der Knigge für alle Lebenslagen. Linde Verlag, Wien 2009, ISBN 978-3-7093-0251-4, S. 53 und S. 104.