StadtNet
StadtNet war Anfang der 1990er Jahre die größte Chat-Mailbox in Deutschland und später ein Netzwerk von öffentlichen Internetterminals, vornehmlich in Cafés.
StadtNet Chat Mailbox (1993–1998)
StadtNet wurde 1993 aus der CEUS Shareware Mailbox München[1] als eigenständige Chat-Mailbox abgespalten. Die Nutzer (User) konnten sich über PC und Modem in das StadtNet einwählen und sich in einem gemeinsamen Chat mit allen anderen gleichzeitig anwesenden Usern durch Tippen unterhalten[2]. Dazu gab es einige Diskussionsforen, Informationsseiten, die erste Online-Version von "jetzt"[3] und textbasierte Online-Spiele.
Die damalige Tarifstruktur der Telekom führte dazu, dass nahezu alle User aus dem Ortsgebiet von München kamen. Dies resultierte in zahlreichen Usertreffen[4] "in real life" mit oft über 100 Usern und den ersten Formen von Flashmobs. StadtNet gilt als Vorläufer der heutigen sozialen Netzwerke im Internet[5] .
Technisch beruhte StadtNet auf der amerikanischen Mailbox-Software Major BBS. Die Darstellung geschah in ANSI Grafik.
Nach einer Titelgeschichte in "jetzt" – dem Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung – 1994[6] und dem darauf folgenden Medienecho gewann StadtNet rasch an öffentlicher Sichtbarkeit und Nutzern.
1995 wurden, von der Zigarettenmarke Marlboro finanziert, kostenlose Chat-Terminals in bekannten Cafés und Clubs in München und in Berlin (z. B. im Tresor Club) installiert[7]. 1996 wurde das Netz aus lokalen StadtNet Mailboxen und Club-Terminals auf Köln und Hamburg erweitert. Ein Jahr später wurden alle Terminals mit Webcams ausgestattet, so dass die User ein Livebild aus allen angeschlossenen Clubs sehen konnten.
1998 wurde mit dem Aufkommen des Internets das System von der Mailbox-Software auf eine Internetplattform umgestellt. Zu diesem Zeitpunkt hatte StadtNet bundesweit 184 Modemzugänge und über 10.000 Nutzer.
StadtNet Internet Terminals (1999 – 2007)
Wegen der Konkurrenz neuer, großer Chat-Plattformen (z. B. Windows Live Messenger) wurde 1999 beschlossen, StadtNet als kostenloses Terminalnetzwerk in Cafés weiterzuführen und den neu aufkommenden Internetunternehmen die Möglichkeit zu bieten, Ihre Produkte in öffentlichen Räumen zu bewerben[8].
Dazu wurde eine Venture Capital Finanzierung[9] durchgeführt und ein Netz von etwa 150 Terminals in Deutschland und Testinstallationen in Barcelona und London aufgebaut[10]. Die Software für die Terminals wurde auf Basis von Windows selbst entwickelt.
2001 wurde die eigene Vermarktung der Werbeflächen eingestellt und das gesamte Terminal-Netz für AOL betrieben[11][12]. Mit dem Verkauf des Zugangsgeschäftes von AOL Deutschland an Hansenet in 2007 wurde auch das Terminalnetzwerk eingestellt[13]. 2008 wurde die StadtNet GmbH als Betreiber liquidiert.
Einzelnachweise
- CEUS-Mailbox (BBS). Abgerufen am 29. Dezember 2018.
- Aus den Zentren der Provinzen » Berliner Morgenpost. Abgerufen am 28. Dezember 2018 (deutsch).
- Kann denn Lesen cool sein? Abgerufen am 28. Dezember 2018.
- BIRGIT ACKERMANN/NIKOLAUS ALBRECHT: DER CYBER-CLAN - WER BEIM SURFEN VOR DEM COMPUTER ZUM EINSAMEN NERD MUTIERT, DER HAT EIN ERNSTES PROBLEM. Abgerufen am 28. Dezember 2018.
- Geschichte von der Analogtelefonie über IDSN und DSL zum VDSL-Breitbandinternet. Abgerufen am 28. Dezember 2018.
- Joern Moeller: Party-Tipp. In: Süddeutsche Zeitung (Hrsg.): jetzt - das Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung. Heft 21. München 24. Mai 1995.
- Der große Stau auf der Daten-Autobahn. In: Abendzeitung München (Hrsg.): Ausgabe 6. September 1995. München, S. 8.
- Stadtnet will bundesweit Terminals aufstellen. Abgerufen am 28. Dezember 2018.
- Tornado Insider - Radar company - IVC Venture Capital AG. Abgerufen am 28. Dezember 2018.
- Internet-Terminals: Essen, trinken, surfen. Abgerufen am 28. Dezember 2018.
- Special Münchner Internetcafés: "Bestes Öffentliches Internet-Terminal" Die Münchner AOL Internet Stations von Stadtnet. Abgerufen am 29. Dezember 2018.
- German kiosks: For the public good. 8. Juli 2002, abgerufen am 29. Dezember 2018 (englisch).
- Marke AOL verschwindet aus der Szene-Gastronomie. Abgerufen am 29. Dezember 2018.