St. Andreasberger Kleinbahn
Die St. Andreasberger Kleinbahn GmbH betrieb eine – 1959 stillgelegte – Zahnradbahn in Normalspur im Oberharz. Gesellschafter waren anfangs das Land Preußen, die Provinz Hannover und die Stadt Sankt Andreasberg. Den Betrieb führte seit 1924 das Landeskleinbahnamt (LKA).
St. Andreasberg West–St. Andreasberg Stadt | |||||||||||||||||||||||||
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Streckenlänge: | 1,636 km | ||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1435 mm (Normalspur) | ||||||||||||||||||||||||
Maximale Neigung: | 122 ‰ | ||||||||||||||||||||||||
Zahnstangensystem: | Abt, 2 Lamellen | ||||||||||||||||||||||||
Höchstgeschwindigkeit: | 8 km/h | ||||||||||||||||||||||||
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Vorgeschichte und Streckenbau
Dem Bau der Zahnradbahn voraus ging die Eröffnung der Odertalbahn im Jahre 1884, die Sankt Andreasberg über Bad Lauterberg mit der Hauptbahn der Südharzstrecke (Northeim–Nordhausen) in Scharzfeld verband. Endpunkt der Odertalbahn war der Staatsbahnhof St. Andreasberg West am Fuße des Glockenberges.
Die ungünstige Lage des Bahnhofs im heutigen Ortsteil Silberhütte machte weitere Planungen notwendig, die der Magistrat der Stadt Sankt Andreasberg am 23. Juni 1903 der Eisenbahndirektion Cassel mitteilte. Pläne zur Fortführung der normalspurigen Odertalbahn wurden aus Kostengründen verworfen, da der zu überwindende Höhenunterschied zu groß war und ein Umweg von 6 km sowie der Bau von Kunstbauten nötig gewesen wäre.[1]
Stattdessen wurde eine 1,6 km lange Zahnradbahn nach System Abt gebaut. Für die Erweiterung der Strecke wurden drei Linienführungen betrachtet:
- entlang der Landstraße durch das Sperrluttertal; Steigung max. 1:12
- entlang des Wäschegrunds; ähnliche Steigung
- aus dem Sperrluttertal durch den Grünen Hirsch; Steigung max. 1:6
Nach weiteren Verhandlungen wurde 1906 die dritte Variante mit leicht veränderter Streckenführung (max. Steigung 1:8,2) beschlossen, deren Bau am 1. April 1911 begonnen wurde. Der Winter 1912/13 unterbrach die Arbeiten für mehrere Monate, so dass erst im April 1913 mit dem Verlegen der Gleise und Zahnstangen begonnen werden konnte. Auf der 1.636,15 m langen Strecke wurden 1.543,61 m zweilamellige Zahnstangen verbaut. Der Stadtbahnhof sollte 5.000 Mark kosten, kostete dann aber 54.000 Mark. Insgesamt kostete der Bau mehr als 763.000 Mark. Veranschlagt waren 670.000 Mark. Die Betriebskonzession wurde am 5. Juni 1911 durch den Hannoverschen Regierungspräsidenten für einen hundertjährigen Dampfbetrieb erteilt.
- Blatt 1
- Blatt 2
Eröffnung und Betrieb
Am Abend des 19. Juli 1913 begann mit der Einweihung des Stadtbahnhofes auf dem Glockenberg der Bahnbetrieb. Bereits drei Tage vorher wurde der Güterbetrieb aufgenommen, um das Personal mit dem Ablauf bekanntzumachen. Zunächst wurden täglich fünf Zugpaare eingesetzt, die für die Strecke ca. 15 min benötigten (Höchstgeschwindigkeit 8 km/h). Während des Ersten Weltkrieges war das Verkehrsaufkommen stark rückläufig und es kam zu einem Versorgungsengpass mit Kohle, sodass nur noch drei Zugpaare fuhren. Die Leistungen wurden in den 1920er Jahren auf nur noch zwei Zugpaare täglich ausgedünnt, und ab 1932 wurden sogar Busse und Lastkraftwagen eingesetzt. Zudem übernahm das Landeskleinbahnamt die Betriebsführung und die St. Andreasberger Kleinbahn war nicht mehr selbstständig.[1]
Weitere Probleme brachten der Zweite Weltkrieg und die Überlegung der DB, den Abschnitt Bad Lauterberg–St. Andreasberg West stillzulegen. Bedingt durch einen großen Proteststurm wurde die Odertalbahn weiterhin betrieben, und es wurden nun auch Überlegungen für eine Modernisierung der Zahnradbahn angestoßen. Eine moderne Zahnraddiesellok, welche durchgängig von Scharzfeld nach St. Andreasberg fahren konnte, wie auch die Elektrifizierung der Strecke konnten aus Kostengründen nicht realisiert werden.
Letzte Rettung sollten DB-Schienenbusse der Baureihe VT 98 bringen: Eigenmächtig und ohne Genehmigung befuhr Paul Schöning, Leiter des Maschinenamts Braunschweig, die Steilstrecke am 18. September 1957 und erkannte, dass der Schienenbus lediglich für die Talfahrt mit zusätzlichen Bremsen hätte ausgestattet werden müssen. Zu einem Einsatz kam es allerdings nie.
Stilllegung
Im Jahr 1955 mahnte das niedersächsische Ministerium für Wirtschaft und Verkehr den Betrieb der St. Andreasberger Kleinbahn als sehr unrentabel an und sprach sich für eine Stilllegung aus. Der weiterhin stark wachsende Verkehr auf der Straße und die fehlenden Modernisierungen der Bahnstrecke machten das Ende der Zahnradbahn immer wahrscheinlicher.
Ein schwerer Unfall am 14. September 1958 mit 18 Toten und 100 Verletzten auf der Drachenfelsbahn wurde zum Anlass genommen (Gesellschafterversammlung am 28. November 1958), das Ende der Bahn in Sankt Andreasberg bekanntzugeben. Daraufhin wurde der Schienenverkehr zum 21. Dezember 1958[1] nach 46 Jahren aus vorgeblichen Sicherheitsgründen eingestellt, obwohl die Ursache des Unglücks der Drachenfelsbahn nicht direkt übertragbar war. Der letzte Zug soll am 23. April 1959 die Strecke befahren haben.
Am 17. August 1959 wurde die Zahnradbahn offiziell stillgelegt und sogleich mit dem Abbau der Bahn begonnen. Die St. Andreasberger Eisenbahn GmbH betrieb bis zum 30. Mai 1965 weiter den Kraftomnibusverkehr, bis dieser von der DB übernommen wurde.
Fahrzeuge
Lokomotiven
Als Triebfahrzeuge besaß die Kleinbahn zeit ihres Bestehens ausschließlich zwei Jung-L-Zahnraddampflokomotiven. Sie wurden nach Betriebsende verschrottet.
Nr. | NLEA-Nr. | Hersteller | Fab.-Nr. | Baujahr | Bauart | Leistung | Spur | Gewicht |
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1 | 391 | Jung | 1.780 | 1912 | C-n4vzt | 320 PS | 1.435 mm | 37 t |
2 | 392 | Jung | 1.781 | 1912 | C-n4vzt | 320 PS | 1.435 mm | 37 t |
Wagen
Die beiden zweiachsigen Personenwagen (1913 von der Hannoverschen Waggonfabrik hergestellt, 70 Sitzplätze bzw. Post- und Gepäckabteil mit wenigen Sitzen) wurden ebenfalls nach dem Betriebsende verschrottet.
Gegenwart und Relikte der Bahnanlagen
Das noch erhaltene Bahnhofsgebäude des Stadtbahnhofs diente als Kurverwaltung und anschließend, bis 2005, als Atelier. Seitdem steht es leer und wird zum Verkauf angeboten. Das große Vordach dient heute als Dach des Busbahnhofs. Auch der ehemalige Lokschuppen am alten Stadtbahnhof ist noch erhalten und wird von einem örtlichen Busunternehmer als Busdepot genutzt. Die ehemalige Trasse ist teilweise asphaltiert worden und führt bis kurz vor Silberhütte. Im Winter kann sie als Rodelbahn genutzt werden.
Im Obergeschoss des Museums der Grube Samson (Besucherbergwerk) in St. Andreasberg befindet sich heute eine kleine Ausstellung zur St. Andreasberger Kleinbahn mit historischen Fotos, Fahrkarten, Bahnhofsschildern und einem Modell des Bahnhofs St. Andreasberg Stadt. Eine größere Ausstellung steht zeitweilig im Kurhaus.
Literatur
- Josef Högemann: Mit Zahnrad in den Harz. Die St. Andreasberger Kleinbahn. In: Eisenbahn-Kurier. Dezember 2013, ISSN 0170-5288, S. 54–57.
- Josef Högemann: Eisenbahnen im Harz. Die Privat- und Werksbahnen. Band 2. Kenning, Nordhorn 1996, ISBN 3-927587-44-3, S. 123–128.
- Gerd Wolff: Deutsche Klein- und Privatbahnen. Band 11. EK-Verlag, Freiburg im Breisgau 2009, ISBN 978-3-88255-670-4 (Niedersachsen – Teil 3. Südlich des Mittellandkanals).
- Klaus Lier, Klaus Schubert: Kleinbahnen im Westharz. Verlag Kenning, Nordhorn 2001, ISBN 3-933613-20-5 (Geschichte der Kleinbahn Gittelde-Bad Grund und der St. Andreasberger Zahnradbahn).
- Klaus Schubert: Die St. Andreasberger Zahnradbahn. In: Nebenbahndokumentation. Band 8. Kenning, Nordhorn 1994, ISBN 3-927587-20-6.
- Rudolf Heym: Die Steile im Harz. in: Lok-Magazin, Ausgabe 2/2018, ISSN 0458-1822, S. 56–61.
Weblinks
Einzelnachweise
- Josef Högemann: Mit Zahnrad in den Harz. Die St. Andreasberger Kleinbahn. S. 54–57.