Spielzeugeisenbahn
Im Gegensatz zur Modelleisenbahn wird bei der Spielzeugeisenbahn der Schwerpunkt eher auf eine Nachahmung des Vorbildes unter Beachtung eines möglichst großen Spielwertes gelegt,[1] als auf Maßstab- und Detailtreue. Allerdings ist der Übergang von der Spielzeugeisenbahn zur Modelleisenbahn eher fließend und auch im geschichtlichen Zusammenhang zu betrachten.
Spielzeugeisenbahnen unterscheiden sich von den Modelleisenbahnen grundsätzlich wie folgt:
- Sie sind vielfach eine nicht maßstabsgetreue Nachahmung eines Vorbildes.
- Sie sind primär Spielzeug für Kinder.
- Modelleisenbahnen aus der Anfangszeit (Blecheisenbahnen, Tinplate) können heute und wurden damals zu den Spielzeugeisenbahnen oder technischen Spielzeugen gezählt. Die frühe Modelleisenbahn diente Spiel- oder Lernzwecken. Das Vorbild wurde unter den damals gegebenen technischen Möglichkeiten möglichst gut nachgeahmt. Eine exakte Maßstäblichkeit stand nicht im Vordergrund.
In der heutigen Zeit könnten auch Modelleisenbahnen als Spielzeugeisenbahn bezeichnet werden, wenn sie nicht strikt maßstäblich oder detaillierungsgradsgetreu sind, wobei die Abweichungen auf Vereinfachungen zugunsten einer kindgerechten Robustheit oder einer kostengünstigen Fertigung zurückzuführen sind. Traditionell zeigt sich dies in verkürzten und vereinfachten Fahrzeugen, wie sie in den Programmen vieler Modelleisenbahnhersteller zu finden sind und beispielsweise unter dem Begriff Hobby kostengünstig angeboten werden.
Holzeisenbahnen
Unter dem Begriff Holzeisenbahn werden die Spielzeugeisenbahnen verstanden, bei denen außer den Fahrzeugen auch die Schienen und das Zubehör aus Holz bestehen. Daneben gibt es noch Holzeisenbahnen ohne Schienen.
Die Holzschienen (meist aus Buchenholz) lassen sich mit Steckverbindungen schnell und einfach zu einer Spielanlage verlegen. Da die Schienen üblicherweise auf der Ober- und auf der Unterseite Spuren haben (außer Geraden), kann man durch Drehen um die Längsachse aus einem Links- einen Rechtsbogen machen. Die Lokomotiven und Wagen sind meistens ebenfalls aus Holz gefertigt, wobei die Modelle abstrakte, aber kindgerechte Formen haben. Ursprünglich als reines Schiebespielzeug gedacht, gibt es die Modelle auch mit Batterieantrieb und mit Fernsteuerung. Wegen ihrer Robustheit und der schnellen Auf- und Abbaumöglichkeit gehört die Holzeisenbahn seit Jahrzehnten mit zu den begehrtesten Spielzeugen.
Ein umfangreiches Sortiment bietet zum Beispiel der schwedische Hersteller Brio, zu dessen Popularität nicht zuletzt die „Modelle“ aus der Fernsehserie Bob der Baumeister beitragen. Die Dominanz der Brio-Produkte hat dazu geführt, dass die Mitbewerber diesen Quasi-Standard übernommen haben, sodass Schienen und Fahrzeuge in der Regel zueinander passen. Oft wird mit Hinweisen wie „passt auch zu Brio“ geworben.
Mit „Modellen“ aus der Fernsehserie Thomas die kleine Lokomotive von Learning Curve Toys[2] eroberte sich ein weiterer Hersteller längerfristig Marktanteile in Deutschland, die seit Längerem zwischen den beiden großen Anbietern Brio und Eichhorn sowie dem kleineren HEROS aufgeteilt waren. Weitere Anbieter neben Brio, Eichhorn (1998 Konkurs und von der Simba-Dickie-Group übernommen[3]) und Heros (2010 insolvent und von der Simba-Dickie-Group übernommen) sind Bino, Spielmaus (Hausmarke von Vedes), Remus (2002 insolvent), elile oder Bob der Bär (Hausmarken von Kaufhof), Babalu (Hausmarke von Karstadt), The Toy Company, TopyTop, HSB - Hartung Spiele Berlin (XTOYS), tåg - Lillabo (Hausmarke von IKEA), Universe of Imagination (Hausmarke von Toys'R'Us) und Mentari Massen Toys. Spätestens 2009 (Spiel & Idee) verstärkten Beebo und Funtoys ihr Angebot von preiswerteren Produkten und nutzten so die Schwächephasen von Brio und Heros um sich zu positionieren. Brio gelang es erst in der zweiten Jahreshälfte 2010 sein komplett neues Sortiment in Deutschland flächendeckend zu präsentieren.
Die Euro-Play Toys GmbH lieferte für kurze Zeit eine wohl in China hergestellte, nach den Illustrationen von Franz Josef Tripp für die Kinderbücher von Michael Ende gestaltete „Jim Knopf’s Holzeisenbahn“ für den deutschen Markt. Im Jahr 2000 begann Brio jedoch „Jim Knopf Modelle“ herauszubringen, die sich an der neuen Zeichentrickserie orientierten.
In den USA gibt es auch noch T.C.Timber (von Haba aus Deutschland 1980 aufgekauft), die möglicherweise 1937 als erste das heutige System auf den Markt brachten, Maxim, Whittle Shortline Railroad, Maple Landmark und viele weitere zum Teil sehr kleine Unternehmen. In Großbritannien bietet Bigjigs ein größeres Sortiment an.
Blecheisenbahnen (Tinplate Trains, Tinplate Eisenbahnen)
Die Blecheisenbahnen bestanden weitestgehend aus Weissblech (engl. tinplate). In der Anfangszeit der Herstellung wurden die Einzelteile der Lokomotiven, Wagen und Zubehöre aus Blech ausgeschnitten, von Hand bearbeitet, verlötet und handlackiert. Später wurde die Fertigung vor allem bei den Nürnberger Firmen auf lithografiertes Blech umgestellt, das ausgestanzt und durch gefalzte „Blechnasen“ verbunden wurde, wodurch größere Stückzahlen preisgünstig produziert werden konnten.
Bing
Die Gebrüder Bing in Nürnberg produzierten Blechspielzeug und Eisenbahnen von 1879 bis 1932. Sie hatten auf ihrem Höhepunkt 5000 Mitarbeiter und waren damit das größte Unternehmen dieser Art in Europa. 1866 gründeten Ignatz und Adolf Bing einen Einzelhandel. Sie begannen nach und nach, die von ihnen verkauften Waren selbst zu fertigen.
Bing war in den 1920er Jahren Marktführer bei den Blecheisenbahnen. Die Lokomotiven wurden immer besser und realistischer gestaltet und entwickelten sich in Richtung Modelleisenbahnen. Neben den Fahrzeugen und Schienenelementen gab es ein umfangreiches Sortiment an Zubehör und Gebäuden.
Mindestens zwei weitere ehemalige Mitarbeiter von Bing machten sich erfolgreich selbstständig:
- 1912 gründete der Mustermacher Heinrich Müller zusammen mit Heinrich Schreyer das Unternehmen Schreyer & Co. Der Name Schuco wurde 1924 eingetragen; das Unternehmen bestand bis 1976. Heute werden Schuco-Replikate hergestellt und verkauft.
- Am 11. Juni 1935 meldete Johann „Hans“ Biller (1898–1980) zusammen mit seiner Frau, rückwirkend zum 2. Mai 1935, in Nürnberg seine eigene Firma an. Ihr bekanntestes Nachkriegsprodukt war die „Biller-Bahn“, eine robuste, qualitativ hochwertige Lorenbahn. Hans Biller fabrizierte sein Patentspielzeug als erster in der Größe 0e von 1935 bis 1978. Seine Züge hatten wegen der Variationsmöglichkeiten und der guten Spielbarkeit viel Erfolg. Dies lag unter anderem an dem als Antrieb der Lokomotiven eingebauten Uhrwerk. Das Unternehmen ging 1977 in Konkurs.[4]
Weitere deutsche Hersteller dieser Ära
- Jos. Kraus u. Co., Nürnberg
- Karl Bub, Nürnberg
- Heinrich Wimmer Blechspielwarenfabrik (HWN)
- Konrad Dressler, Nürnberg
- Carl Liebmann später: VEB Metallwarenfabrik Stadtilm, Stadtilm
- Gebr. Märklin & Cie. GmbH, Göppingen
- Jean Schoenner, Nürnberg
- Ernst Plank KG, Nürnberg
- Georges Carette & Cie., Nürnberg
- Johann Andreas Issmayer, Nürnberg
- Johann Distler KG, Nürnberg
- Doll & Co., Nürnberg
- Cabo, Carl Bochmann, Dresden
- Josef Falk, Nürnberg
- Kibri, Kindler & Briel, Böblingen
- Trix, Nürnberg
Sonstige Spielzeugeisenbahnen
LEGO-Eisenbahn
→ Hauptartikel: Lego Eisenbahn
Die Eisenbahn von Lego ist Bestandteil des Systems der Lego-Bausteine. Da die Züge mit Lego-Steinen zusammengesetzt werden, kann das Kind die Modelle abändern und eigene Ideen einfließen lassen. Gegenüber der Holzeisenbahn bieten die Modelle zusätzliche Spielemöglichkeiten, z. B. Öffnen verschiedener Türen und Luken.
Die Legoeisenbahn war von Anfang an als elektrische Eisenbahn konzipiert. Die blauen Kunststoffschienen der ersten Modellreihen erlaubten nur den Betrieb mit batteriebetriebenen Lokomotiven. Später wurde eine Möglichkeit angeboten, zweipolige Stromschienen und die Loks mit Schleifkontakten zur Stromaufnahme nachzurüsten, um den batterielosen Betrieb mit Transformator zu ermöglichen. Eine Zeit lang wurden leitfähige Schienen verkauft. Sie konnten ohne separate Stromschienen mit einem Transformator verwendet werden. Ganz aktuell werden wieder ausschließlich nicht leitfähige Plastikschienen für Batteriebetrieb und Fernsteuerung angeboten. Seit 2018 wird der Bluetooth-Standard für die Funkübertragung eingesetzt, so dass zur Fernsteuerung keine dedizierte Fernbedienung mehr notwendig ist.
Für Lego duplo gibt es auch eine batteriebetriebene elektrische Eisenbahn, die zu den entsprechenden Duplo-Bausteinen passt. Die Schienen und Fahrzeuge der Lego- und der Duplo-Eisenbahn sind nicht kompatibel, obwohl sie vom selben Hersteller stammen.[5]
Sogenannte Kaufhaus-Eisenbahnen (Sortimentsbahnen)
In den 1930er bis 1960er Jahren, aber auch noch heute, gab und gibt es eine Vielzahl von Herstellern, die vereinfachte Spielzeugeisenbahnen in Blech- und später auch Kunststoffbauweise herstellten. Diese Spielzeugeisenbahnen sollten sich durch sehr niedrige Preise von den damals bereits sehr verbreiteten Modelleisenbahnen absetzen und vor allem einer breiteren Bevölkerungsschicht zugänglich werden. Ein Beispiel dafür ist die Fa. Konrad Dressler.
Zumeist wurden komplette Zugpackungen (1 Lok evtl. mit Tender, 2 oder 3 Waggons, 1 Schienenkreis, 1 Trafo) verkauft. Zubehör musste extra gekauft werden.
Sonstige
Ähnliche Möglichkeiten bietet die Eisenbahn des Spielsystems Playmobil.
Für Kleinkinder gibt es Eisenbahnen aus Holz und Kunststoff als Schiebe- oder Nachziehspielzeug, die ohne Schienen auskommen. Ein bekanntes Beispiel ist die Explore-Eisenbahn von LEGO.
Weitere Beispiele von Plastiksystemen mit Erweiterungssortimenten sind z. B. die Bahn von Wader oder Plarail (Tomica World) von Tomy.
Museen
Zahlreiche deutsche Museen zeigen einen großen Fundus des vorwiegend historischen Spielzeuges. Darunter ist besonders das Nürnberger Spielzeugmuseum und das Deutsche Spielzeugmuseum in Sonneberg zu nennen.
Literatur
- H. Ast: Batteriebahnen – Anschlussgeräte für TRIX und DISTLER. In: Spielzeug Antik Revue. Heft 2–3, 2001.
- K.-P. Huschka: DISTLER, BUB und Co. In: MIBA. 12/98, Nürnberg 1998, S. 88–91.
- D. Käßer, & A. Freund: HWN-Eisenbahnen in Spur O/HO, vom Blech zum Kunststoff. In: Spielzeug Antik Revue. Heft 5, 2000.
- Volker Kutschera: Kleine Bahn auf großer Fahrt: Spielzeugeisenbahnen der Spur 0. Edition Ellert & Richter, Hamburg 1996, ISBN 3-89234-684-4.
Weblinks
- Geschichte der Schweizerischen Spielzeugeisenbahnen im Webarchiv von einer älteren Internetseite des Amiba-Lokschuppen
Einzelnachweise
- Duden, Deutsches Universalwörterbuch. 7. Auflage, Bibliografisches Institut, Mannheim 2011, ISBN 978-3-411-05507-4, S. 1644.
- „Wikia“ über Learning Curve. Abgerufen am 4. März 2017.
- Historie der Simba-Akquisitionen. Gemeinsam Erfolge feiern. Simba-Dickie-Group, abgerufen am 22. Januar 2015.
- Website billerbahn. Abgerufen am 4. März 2017.
- Informationen über LEGO-Eisenbahnen. Abgerufen am 4. März 2017.