Spieltiefe
Spieltiefe ist ein im Spielebereich, hier insbesondere bei Computerspielen, verwendeter Fachbegriff.
Mit Spieltiefe bezeichnet man bei allen regelbasierten Spielverfahren wie etwa in Computer-[1], Rollen- und Brettspielen[2][3] das Potenzial eines Spielsystems, ein bestimmtes Spielziel auf möglichst vielseitige/vielschichtige Weise zu erreichen. Eine geringe Spieltiefe zeichnet sich dadurch aus, dass sich ein Spielsystem schnell optimal, mit nur noch geringen Variations- und Steigerungsmöglichkeiten beherrschen lässt; es folgen sich schnell wiederholende, erwartbare Verhaltensmuster – markanterweise tritt dann in Brett- und Gesellschaftsspielen vermehrt der Glücks-Faktor hervor, damit das Spiel zu seinem Spielziel geführt werden kann. Dies bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass ein tiefes Spielsystem zu Anfang notwendig Misserfolge mit sich bringt, sondern vielmehr, dass das System weitere Feinheiten bereithält, das Spielziel auf neuerliche, aber regelkonforme Weise zu erreichen.
Regelkonformität bezieht sich bei Computerspielen auf alle vordefinierten Parameter in der Programmierung. Nicht einbezogen sind offensichtliche Programmfehler, die vom Spieler zu dessen Vorteil ausgenutzt werden können. Als beispielhaft für Spieltiefe erzeugende Mittel in Computerspielen kann etwa die Verwendung variabler Wetterverhältnisse gesehen werden, sofern diese direkte Auswirkungen auf die Spielweise haben und beispielsweise in einem Rennspiel eine angepasste Vorgehensweise des Spielers an die Witterungsverhältnisse erfordern. Ähnliches ist auch für andere Spielprinzipien denkbar.[4] In einem Computer-Rollenspiel kann hingegen das Angebot alternativer Lösungswege (Schleichen, Kämpfen, Dialog) zu einer Steigerung der Spieltiefe beitragen.[5] Der Germanist und Jugendbuchforscher Bernd Dolle-Weinkauff bezeichnet für Computerspiele in diesem Sinne auch „die Perfektion der illusionistischen Gestaltung und Ausdehnung einer Spielwelt“ als Merkmal von Spieltiefe.[6] Dagegen erzeugt das Angebot einer Vielzahl gleichförmiger Lösungsmöglichkeiten oder vom eigentlichen Spielziel ablenkender Angebote nicht zwingend eine größere Spieltiefe.[7]
Einzelnachweise
- Beispiel-Rezension „Europa Universalis“ auf computer-nachrichten.de
- Wolfgang Kramer: Spielentwicklung im Wandel der Zeiten (1969–2009). Darin: „Spiele haben sich in den letzten 40 Jahren sehr verändert […]: Komplexität und Spieltiefe“.
- Wolfgang Kramer: Wie macht man gute Spiele? (Memento vom 13. August 2011 im Internet Archive). Darin: „Die Spiele [dieser] Kategorie zeichnen sich dadurch aus, dass sie […] eine hohe Spieltiefe besitzen, [sie] sind meist komplexer Natur und besitzen mehrere, sehr raffinierte, innovative Spielmechanismen, die miteinander verzahnt sind.“
- „Nicht nur in Rennspielen lässt sich die Spieltiefe durch eine ausgeklügelte Simulation von verschiedenen Witterungsverhältnissen beträchtlich erhöhen. Praktisch in allen Spielen, in denen es auf Taktik und Strategie ankommt, erfordern plötzlich auftretende Wetteränderungen vom Spieler die Fähigkeit, sich den neuen Bedingungen schnellstmöglich anzupassen.“ (Alexander Rudolph: 3D-Effekte für Spieleprogrammierer. Pearson, München 2005, ISBN 978-3-8272-6778-8, S. 657 (Online).)
- „Wenn seine Aufmerksamkeit auf unseren Spieler gelenkt wird, würde nicht wie beschrieben automatisch eine Routine zum Einfangen der Spielfigur gestartet, sondern die Wache würde unsere Spielfgur ansprechen. Wir könnten dann versuchen, die Wache in einem Gespräch zu überzeugen, dass sie uns nicht einfangen muss, sondern wir nur zum Spaß um das Haus herumschleichen. Dieser Aspekt würde die Spieltiefe um ein Vielfaches steigern, da man innerhalb der Kommunikation der Wache ja auch noch verschiedene Möglichkeiten hätte.“ (Uwe Kettermann, Andreas Rohde: Spiele effektiv programmieren mit VB.net und DirectX. Springer, Berlin / Heidelberg 2004, ISBN 978-3-540-21080-1, S. 463 f. (Online).)
- Bernd Dolle-Weinkauff: Wenn der Computer erzählt … In: Hannelore Daubert (Hrsg.): Sehen – Hören – Klicken. Kinder- und Jugendliteratur multimedial. Arbeitskreis für Jugendliteratur, München 2001, S. 38.
- „Die als Stadtlandschaften ausgeführten Labyrinthe bilden dabei ein so redundantes Wegenetzwerk, dass derselbe Ort auf unendlich vielen Pfaden erreicht werden kann, und die Vielzahl verwendbarer virtueller Objekte ermöglicht, die Spielaufgaben auf sehr unterschiedliche Weise zu lösen. Gleichwohl entsteht in GTA San Andreas keine Spieltiefe: Denn die unterschiedlichen Pfade und Problemlösungen machen im Spielverlauf keinen Unterschied. Der Spieler wird nicht motiviert, nach einer kürzesten, elegantesten, ökonomischsten Lösung zu suchen. Er wird nicht motiviert, vorausschauend zu planen und auf implizite Erfolgsregeln zu achten, die in Regelspielen quasi die gültigen Theoreme des im Regelwerk festgelegten Axiomensystems darstellen. So wie ein mathematischer Kalkül als besonders mächtig erscheint, wenn er die Ableitung vieler Theoreme erlaubt, vor deren Hintergrund weitere Theoreme beweisbar werden, so wirken Spiele dann besonders tief, wenn sie dem Spieler mit jedem Spieldurchlauf und wachsender Spielerfahrung immer neue und oft verblüffende, am Anfang unabsehbare Erfolgsregeln offenbaren. GTA San Andreas ist in diesem Sinn kein tiefes Spiel: Allerlei Nebenmissionen, Minigames und die vielfältigen Variationsmöglichkeiten des gift-wrappings (Hintergrundmusik, Avatarfrisur, Tattoos, Klamotten, Autotuning) laden dazu ein, das allgemeine Spielziel aus dem Auge zu verlieren. […] Die Spielherausforderung sinkt aber in den während einer Mission fakultativ einzuschaltenden Kleinepisoden auf Null. GTA San Andreas ist breit, weit und bunt, aber keineswegs tief. Wirkliche Spielspannung entsteht allenfalls lokal, in Missionen, die z. T. unter Zeitdruck beendet werden müssen.“ (Jochen Venus: Homecoming. Zur Simulation mentaler Karten in GTA San Andreas. In: Benjamin Beil et al. (Hrsg.): „It’s all in the Game“ – Computerspiele zwischen Spiel und Erzählung (= Navigationen – Zeitschrift für Medien- und Kulturwissenschaften). Jahrgang 9, Heft 1. Schüren, Marburg 2009, ISBN 978-3-89472-551-8, S. 16 f. (Onlineansicht [PDF]).)