Sexualität und Partnerschaft bei Menschen mit Behinderungen
Sexualität und Partnerschaft bei Menschen mit Behinderungen sind sexuelle und/oder partnerschaftliche Beziehungen und Handlungen zwischen Menschen, wo mindestens ein Partner von einer geistigen, körperlichen oder psychischen Behinderung betroffen ist. Eine sexuelle Präferenz für Menschen mit fehlenden Gliedmaßen wird auch als Amelotatismus bzw. Amputationsfetischismus bezeichnet.
In der Gesellschaft nichtbehinderter Menschen leiden diese Verhältnisse oft unter einer Stigmatisierung oder werden ignoriert. Häufig in Kritik gerät hierbei zum Beispiel die Elternschaft und Schwangerschaft zwischen Partnern mit starken Behinderungen und einem nichtbehinderten Kind.
Schwierigkeiten bei der Sexualität und Partnerschaft
Geistige Behinderungen
Bei geistigen Behinderungen wie einer Lernbehinderung kann es zu Verständnis-, Kommunikations-, Sprach- und Handlungsproblemen bei oder bereits vor Sexualpraktiken kommen. Sexuelle Reize und Signale können so zum Beispiel falsch oder zu kindlich gedeutet werden. Ein weiteres Problem ist, dass Vormünder versuchen, über die Bedürfnisse und Triebe zu entscheiden, was zu Fehldeutungen führen kann. Menschen mit geistiger Behinderung müssen sich ihrem erwachsenen Rollenbild bewusst werden und lernen, mit ihren Körpern und Gefühlen umzugehen und was dazu gehört, wie zum Beispiel das Tragen von Verantwortung. Hierbei benötigen sie zumindesten am Anfang viel therapeutische Unterstützung. Nichtbehinderte Menschen können außerdem die Situation ausnutzen und falsche Erwartungen erzeugen.
Körperliche Behinderungen
Körperliche Behinderungen können die Sexualität einschränken, wenn Funktionsstörungen oder Einschränkungen oder starke Schmerzen vorliegen, die einige Sexualpraktiken nicht oder nur mit der Hinzunahme von Hilfsmitteln oder Assistenz möglich machen. Teilweise sind auch medizinische und pharmazeutische Eingriffe, die zum Beispiel für weniger Schmerzen und mehr Beweglichkeit sorgen, erforderlich. Nichtbehinderte Menschen können außerdem die körperliche Hilf- und Machtlosigkeit ausnutzen, um Personen ungewollt sexuell zu belästigen.
Psychische Behinderungen
Bei psychischen Behinderungen können sexuelle Reize und Signale falsch gedeutet und aufgenommen werden. Einzelne Schlüsselreize, die zum Beispiel vergangene Erinnerungen und Traumata hervorrufen, können zudem zu psychischen Folgen wie Angst oder Realitätsverlust führen. Sexuelle Erlebnisse können psychoanalytisch betrachtet oder verhaltenstherapeutisch angegangen werden. Menschen mit psychischen Erkrankungen können es schwerer haben den richtigen Partner zu finden oder glückliche Beziehungen zu pflegen, da sie unter Bindungsstörungen leiden oder durch Ängste, Zweifel, Wahnvorstellungen und Trauer etc. in Bezug auf Liebe und Partnerschaft gehemmter sein können. Nichtbehinderte Menschen können außerdem die psychische Lage ausnutzen und zum Beispiel bei einer starken Labilität Geborgenheit versprechen.
Rechtliche Grundlage
Menschen mit Behinderungen sollen nach der Behindertenrechtskonvention, dem Grundgesetz und der Menschenrechte auch in der Partnerschaft und Sexualität gleichberechtigt mit Nichtbehinderten sein und nicht diskriminiert werden. So sollen sie die Möglichkeit zur sexuellen Selbstbestimmung, eine freie Partnerwahl und die Gestaltung einer Partnerschaft und Elternschaft haben, sofern sie dadurch nicht sich selbst oder andere stark gefährden. Allerdings kann Unmündigkeit und Abhängigkeit von Vormündern zu Einschränkungen in der Entfaltung führen und Barrierefreiheit nicht immer gewährleistet werden.
Assistenzmöglichkeiten und therapeutische Unterstützungen
Menschen mit Behinderungen können mehrere Assistenz- und Beratungsmöglichkeiten sowie therapeutische Unterstützungen, z. B. von Sexualtherapeuten, Sexualpädagogen, Sonderpädagogen, Ergotherapeuten oder Paartherapeuten in Anspruch nehmen und sich in Selbsthilfegruppen organisieren. Eine Möglichkeit hierbei ist zum Beispiel das Wahrnehmen eines Körper-Kontakt-Service. Da Themen wie Sexualität allerdings oft tabuisiert sind, trauen sich Betroffen oft nicht, über ihre Probleme und Beschwerden zu reden und sich Hilfe zu suchen, und Therapeuten wollen oft nicht in die Intimität der Patienten eingreifen.
Konsequenzen
Folgen
Menschen, die aufgrund von Behinderungen keiner Partnerschaft oder ihrer Sexualität nachgehen, können an Einsamkeit, Selbstzweifeln, Depressionen und anderen psychologischen Beschwerden leiden und sich sozialer Isolation unterziehen und Möglichkeiten gar nicht erst wahrnehmen, was zu einem Teufelskreis führt. Fehlende sexuelle Erlebnisse werden daher durch sexuelle Fantasien kompensiert. Da es in einer Beziehung zu vielen Schwierigkeiten und Missverständnissen kommen kann, sollte ein nicht behinderter Partner sich daher zunächst an viele Dinge gewöhnen, unterstützend wirken und viel Verständnis zeigen. Trotz allem sollten beide Partner in einer Beziehung gleichgestellt sein und Abhängigkeit, wo es geht, vermieden werden. In der Kindeserziehung eines nicht behinderten Kindes kann es außerdem schwieriger werden, bestimmte Situationen und Rollen eines Nichtbehinderten vorzuleben und erzieherische Eingriffe können durch die Behinderung eingeschränkt werden.
Einschränkungen
Eine Partnerschaft oder ein sexuelles Verhältnis wird oft durch die Bedingungen in einem Behindertenheim und Abhängigkeit von Vormündern, Pflegern und Betreuern etc. erschwert, da diese wenig Spielraum zulassen. Weitere Einschränkungen entstehen zum Beispiel durch finanzielle Probleme oder Einschränkungen in der Mobilität und Belastbarkeit. Behinderte suchen sich daher oft ebenfalls Behinderte, da sie in Heimen o. ä. wenig Kontakte zu anderen Menschen aufbauen und teilweise besser verstanden werden und sexuelle Inklusion somit wenig stattfindet.
Psychologische und pädagogische Sicht
Ein weiteres Problem sind aus psychoanalytischer Sicht Erfahrungen und Entwicklungsaufgaben im Kinder- und Jugendalter (z. B. Körpererfahrungen und der Umgang mit Sexualität), die aufgrund der Behinderung nicht oder nicht altersgemäß und richtig gemacht werden können und dadurch die psychosexuelle und soziale Entwicklung negativ beeinflussen können. Daher ist es wichtig, Ersatzmöglichkeiten anzubieten, um diese Erfahrungen zu machen und die Sexualerziehung dementsprechend anzupassen.
Literatur
- Barbara Ortland: Behinderung und Sexualität: Grundlagen einer behinderungsspezifischen Sexualpädagogik, W. Kohlhammer Verlag, 2008
- Jürgen Mohr, Christoph Schubert: Partnerschaft und Sexualität bei geistiger Behinderung, Springer-Verlag, 2013
- Angela Moll, Ben Moll: Sexualität geistig Behinderter: behinderte Sexualität? ; über die Wichtigkeit von Sexualität fürs Menschsein, 2010
- Jens Clausen: Sexualität leben ohne Behinderung: Das Menschenrecht auf sexuelle Selbstbestimmung, Kohlhammer Verlag, 2012