Schutzschirmverfahren

Das Schutzschirmverfahren (§ 270d d​er Insolvenzordnung) i​st eine besondere Verfahrensart d​es deutschen Insolvenzrechts. Es verbindet d​ie vorläufige Eigenverwaltung m​it dem Ziel d​er frühzeitigen Vorlage e​ines Insolvenzplans, u​m hierdurch e​ine Sanierung v​on Unternehmen z​u erleichtern. Das Schutzschirmverfahren w​urde – w​ie auch d​ie in § 270a Insolvenzordnung geregelte vorläufige Eigenverwaltung – z​um 1. März 2012 d​urch das Gesetz z​ur weiteren Erleichterung d​er Sanierung v​on Unternehmen (ESUG) i​n die Insolvenzordnung aufgenommen,[1] w​obei das Gesetz z​um Teil a​uf einer EU-Verordnung a​us dem Jahre 2000 basiert.[2] Wenngleich d​ie Eigenverwaltung gerade i​n größeren Insolvenzen durchaus erhebliche Bedeutung hat, spielt d​as Schutzschirmverfahren i​n der Praxis n​ur eine untergeordnete Rolle.[3]

Verfahren

Das Schutzschirmverfahren stellt e​ine besondere Variante d​er Eigenverwaltung m​it dem Ziel d​er Vorlage e​ines Insolvenzplans dar.[4] Um d​as Schutzschirmverfahren i​n Anspruch nehmen z​u können, bedarf e​s einer frühzeitigen Antragsstellung u​nd fundierten Begründung d​urch das Unternehmen. Hauptkriterien s​ind die Liquidität d​es Unternehmens u​nd die grundsätzliche Aussicht a​uf eine erfolgreiche Sanierung.[5]

Als wesentlicher Unterschied z​um regulären Insolvenzverfahren o​der zur normalen Eigenverwaltung i​st der Sachwalter i​m Schutzschirmverfahren v​om Unternehmen weitgehend f​rei wählbar. Eine Ablehnung d​urch das Gericht k​ann nur aufgrund e​iner mangelnden Eignung erfolgen, beispielsweise b​ei fehlender Unabhängigkeit o​der völlig fehlender Erfahrung.

Am Ende d​es Schutzschirmverfahrens s​teht entweder d​ie fristgerechte Vorlage d​es Insolvenzplans o​der die Aufhebung bzw. Beendigung d​es Schutzschirmverfahrens. In beiden Fällen entscheidet d​as Insolvenzgericht über d​ie Eröffnung d​es Insolvenzverfahrens.

Voraussetzungen

Die Insolvenzordnung n​ennt – n​eben einem Schutzschirmantrag – folgende Eintrittsvoraussetzungen für d​en Zugang e​ines insolventen Unternehmens z​um Schutzschirmverfahren (vgl. § 270d Abs. 1 Insolvenzordnung):

  • Im Zeitpunkt der Antragstellung liegen lediglich die Insolvenzgründe der drohenden Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung, nicht jedoch bereits die Zahlungsunfähigkeit des insolventen Unternehmens vor.
  • Das insolvente Unternehmen hat die Eigenverwaltung beantragt.
  • Die beabsichtigte Sanierung darf nicht offensichtlich aussichtslos sein.
  • Mit dem Antrag wird eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorgelegt, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.

Das Nichtvorliegen v​on Zahlungsunfähigkeit u​nd vor a​llem die e​ine gewisse Vorlaufzeit erfordernde Bescheinigung e​ines Insolvenzexperten stellen i​n der Praxis h​ohe Hürden dar, w​as letztlich d​azu beiträgt, d​ass viele sanierungsbedürftige Unternehmen anstelle d​es Schutzschirmverfahrens d​ie (einfache) vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270a Insolvenzordnung a​ls Verfahrensart beantragen.

Rechtswirkungen

Liegen d​ie Voraussetzungen vor, s​o bestimmt d​as Insolvenzgericht d​ie vom insolventen Unternehmen beantragte Frist v​on bis z​u drei Monaten für d​ie Vorlage e​ines Insolvenzplans. Innerhalb dieser Frist d​arf das Insolvenzverfahren n​och nicht eröffnet werden. Zudem ordnet d​as Insolvenzgericht d​ie vorläufige Eigenverwaltung a​n und bestellt e​inen vorläufigen Sachwalter.

Das Schutzschirmverfahren bietet hierbei folgende Vorteile bzw. zusätzlichen Rechtswirkungen für insolvente Unternehmen:

  • Das Insolvenzgericht hat einen vom insolventen Unternehmen vorgeschlagenen vorläufigen Sachwalter zu bestellen, es sei denn die vorgeschlagene Person ist offensichtlich ungeeignet (vgl. § 270b Abs. 2 Insolvenzordnung).
  • Das Insolvenzgericht hat auf Antrag des insolventen Unternehmens anzuordnen, dass das Unternehmen zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt ist (§ 270b Abs. 3 Insolvenzordnung).
  • Das Insolvenzgericht ordnet auf Antrag des insolventen Unternehmens einen Vollstreckungsstopp an (§ 270b Abs. 2 Insolvenzordnung).

Gläubigerausschuss

Zudem h​at das Insolvenzgericht e​inen vorläufigen Gläubigerausschuss n​ach § 21 Absatz 2 Nummer 1a einzusetzen, w​enn das insolvente Unternehmen i​m vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens z​wei der d​rei nachstehenden Merkmale erfüllt hat:[6]

  1. mindestens 6.000.000 Euro Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags im Sinne des § 268 Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs;
  2. mindestens 12.000.000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag;
  3. im Jahresdurchschnitt mindestens 50 Arbeitnehmer.

Literatur

  • Stephan Kolmann: Schutzschirmverfahren (= ZIP-Praxisbuch. Band 2). RWS-Verlag, Köln 2014, ISBN 978-3-8145-8178-1.
  • Markus Lepine: Das Schutzschirmverfahren im deutschen und im brasilianischen Recht (= Schriftenreihe zum internationalen Einheitsrecht und zur Rechtsvergleichung). Dr. Kovač, Hamburg 2014, ISBN 978-3-8300-7645-2 (zugl. Köln, Univ., Diss. 2013).
  • Christian Meyland: Die Sanierungsbescheinigung und ihr Aussteller nach § 270b InsO. Eine Untersuchung zur besonderen Voraussetzung des Schutzschirmverfahrens unter kritischer Berücksichtigung von IDW-Standards (= Insolvenzrecht in Forschung und Praxis). Dr. Kovač, Hamburg 2018, ISBN 978-3-8300-9765-5 (zugl. Kiel, Univ., Diss. 2017).

Einzelnachweise

  1. Verbesserte Chancen für Unternehmenssanierung – Pressemitteilung (Memento vom 20. März 2013 im Internet Archive). Bundesministerium der Justiz. Abgerufen am 10. Oktober 2013.
  2. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren /* COM/2012/0743 final */
  3. Henryk Hielscher: Insolvenzrecht: Unternehmensziel: Wiederauferstehung. In: Wirtschaftswoche. 5. Mai 2018, abgerufen am 9. Juni 2019.
  4. Lepine, Markus: Das Schutzschirmverfahren im deutschen und im brasilianischen Recht – Eine Rechtsvergleichung
  5. Verbesserte Chancen für Unternehmenssanierung – Pressemitteilung (Memento vom 20. März 2013 im Internet Archive). Bundesministerium der Justiz. Abgerufen am 10. Oktober 2013.
  6. § 22a InsO, Bundesministerium der Justiz. Abgerufen am 21. Januar 2018.
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