Schlosspark Neustrelitz
Der Neustrelitzer Schlosspark, auch Neustrelitzer Schlossgarten genannt, wurde 1731/1732 von Julius Löwe nach Fertigstellung des Residenzschlosses der 1733 gegründeten Stadt Neustrelitz als Barockgarten angelegt, dann aber im 19./20 Jhd. mehrfach tiefgreifend umgestaltet und zu einer mehrteiligen Parkanlage erweitert.[1][2] Die erhaltene barocke Sichtachse, der im Stil englischer Landschaftsgärten gestaltete „Englische Garten“, der dort zum Gedenken an die preußische Königin Luise von Mecklenburg-Strelitz auf einem Hügel errichtete Luisentempel, der von Friedrich Wilhelm Buttel entworfene Hebetempel, eine Reihe von Kopien antiker und klassizistischer Bildwerke sowie die am östlichen Rand des Parks gelegene Neustrelitzer Orangerie, zeugen noch heute vom Kunstgeschmack des Adels in der Zeit des Klassizismus.
Geschichte und Gestaltung
Der Schlosspark wurde, wie in der Stilepoche des Barock üblich, auf das Schloss ausgerichtet. Dieses stand an einem zum nahen Zierker See hin abfallenden Hang. Drei dem Schloss vorgelagerte Terrassen betonten den Geländeabfall und hoben das Schloss hervor. Die Terrassentreppen wurden 1802/1803 abgetragen.[3] Für die Rodungs- und Planierungsarbeiten wurden täglich vier bis acht Gefangene aus Strelitz zum Baugelände gebracht.[4] Auch neun Zierker Einwohner arbeiteten von 1731 bis 1735 für einen Lohn von je 12 Talern und 34 Schilling pro Jahr.[4]
Vom ursprünglich als Barockgarten angelegten Schlosspark, der zur Stadt hin im Nordwesten seit 1755 durch die Orangerie und in südwestlicher Richtung durch die Seufzerallee (Charmille) begrenzt wurde, blieb nur die barocke Sichtachse erhalten.[3] Ein großes von Lindenalleen flankiertes Rasenparterre führt auf der Sichtachse vom Schlossberg zu einem Point de vue – dem auf der Schnittfläche mit der Tempelallee gelegenen Hebetempel. Durch die Verjüngung des Parterres und die seitlich davon aufeinander zulaufenden Lindenalleen wird der Park vom Schlossberg aus gesehen optisch verlängert und dem Betrachter die Illusion von Größe vermittelt.[5] Ein im rechten Winkel zur Mittelachse verlaufender Erdwall begrenzt den Park zum Zierker See hin, während die auf dem Wall verlaufende, von Linden flankierte Tempelallee die Sicht auf den See ermöglicht und den Park optisch zur umgebenden Landschaft öffnet.
Im Laufe der Jahre wurde der Schlosspark immer wieder umgestaltet und zu einer mehrteiligen Parkanlage erweitert. Schon ein Parkplan von 1791 zeigt die beginnende Auflockerung der streng geometrischen Anpflanzungen des ursprünglichen Barockgartens.[6] Von Beginn bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Park entscheidend erweitert.[6] Um 1808 gestaltete Hofmarschall Friedrich Eugen von Hobe eine als Schlosskoppel bezeichnete ehemalige Viehweide zu einem Landschaftspark um, der den Schlosspark mit der umgebenden freien Landschaft verband.[6] 1819 legte der Hofgärtner Nehrenz zwischen Schlosskoppel und barocken Garten einen landschaftlichen Parkteil an.[6] In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts folgte eine Umgestaltung dieses Parkteils nach Ratschlägen von Peter Joseph Lenné durch einen Schüler der Potsdamer Gärtnerlehranstalt, den Neustrelitzer Hofgärtner Hugo Stark, im Stil englischer Landschaftsgärten.[6] In diesem Parkteil wurde 1891 zum Gedenken an die preußische Königin Luise von Mecklenburg-Strelitz auf einem künstlich angelegten Hügel der Luisentempel errichtet.[7][8] In der Mitte des Innenraumes steht die Kopie der zweiten Fassung eines 1827 von Christian Daniel Rauch geschaffenen Sarkophags mit der darauf ruhenden, in Carrara-Marmor gefassten Gestalt der Königin.[7]
Bildwerke, Bauwerke und Skulpturen im Park
- Die in unmittelbarer Nähe der Orangerie aufgestellte Kopie des Orestsarkophags besteht aus Abgüssen des heute in den Vatikanischen Museen in der Galleria dei Candelabri befindlichen Originals.[9][10] Das Original in Rom steht auf vier Füßen und hat einen flachen Deckel, die Kopie stattdessen eine Bodenplatte und ein spitz zulaufendes Dach.[11] Die Abgüsse wurden 1854 im Auftrag von Großherzog Georg von Christian Daniel Rauch bei seinem letzten Aufenthalt in Rom erworben.[9] Auf dem Orestsarkophag ist entsprechend einer Erzählung aus der Griechische Mythologie der von Furien verfolgte Orest abgebildet.[9]
- Kopie des Orestsarkophags – aufgestellt in Nähe der Orangerie
- Victoria von Leuthen – Kopie nach dem Original auf dem Schlachtfeld von Leuthen
- Kopie einer Vase von Friedrich Drake
- Kopie der Ildefonso-Gruppe
- Luisentempel – Gedächtnishalle für die preußische Königin Luise
- Hebetempel – Point de vue am Ende der barocken Sichtachse
- Niobe – Zinkgussfigur an der Schlossauffahrt
- Winter – Sandsteinstatue an der Götterallee
Sanierung des Schlossparks 2011–2019
Mit Hilfe von Fördermitteln der EU wurde die historische Gartenanlage zwischen 2011 und 2019 umfänglich saniert und zahlreiche Bauten und künstlerische Bildwerke restauriert. Der Schlosspark, der im norddeutschen Raum zu den wenigen weitgehend unverfälscht erhaltenen Anlagen barocken Ursprungs zählt, wurde zunächst im Bereich der ehemaligen Boskettflächen beidseitig der barocken Hauptachse saniert. Unter anderem wurden neue Wege angelegt und Neupflanzungen vorgenommen.[12] Restauriert wurden der Hebetempel, die Drake-Vase, die zwei anderen Prunkvasen, die Victoria von Leuthen, die Niobe an der Schlossauffahrt und der Betende Knabe im Garten der Orangerie ebenso die Götterallee, die beiden Brunnen und das Hirschtor – der ehemalige Eingang zum Tiergarten. Drei der ehemals an der Schlossauffahrt fehlenden Zinkgussfiguren wurden ersetzt. Abschließend erfolgte die Sanierung des Rasenparterres der barocken Mittelachse. Zuvor waren bereits der Orangeriegarten, der 1852 angelegte Englische Garten (irrtümlich auch als „Prinzengarten“ bezeichnet)[13], der Weinberg und die Schlossterrassen fertiggestellt worden. Die Lindenalleen beiderseits der Mittelachse wurden komplett erneuert und die Bäume wie ursprünglich vorgesehen so gepflanzt, dass die Alleen zum Hebetempel hin stark aufeinander zulaufen. Durch diese gartenarchitektonische Maßnahme wird das entsprechend angeglichene Rasenparterre optisch in Richtung Horizont verlängert. Die Kopie der Ildefonso-Gruppe steht wieder auf ihrem ursprünglichen Standort vor den Schlossterrassen und wird wie früher von zwei Marmorsäulen flankiert. Der Neustrelitzer Schlosspark wurde am 14. August 2019 feierlich an die Öffentlichkeit übergeben.[14][15][16]
Weblinks
- Willkommen im Schlossgarten Neustrelitz,www.mv-schloesser.de – Homepage der Schlösserverwaltung der Staatlichen Schlössern und Gärten Mecklenburg-Vorpommern, Abgerufen am 29. August 2019.
- Sanierungen im Schlossgarten. In: Amtsblatt der Stadt Neustrelitz: Strelitzer Echo – Jahrgang 25, Ausgabe 15 vom 6. August 2016, S. 2.
- Zinkguss-Sklupturen, Schlossgarten Neustrelitz. Ostmann und Hempel Restaurierung und Handwerk GmbH, abgerufen am 16. September 2019.
- Herrichtung des Rasenparterre im Schlossgarten Neustrelitz. Betrieb für Bau und Liegenschaften Mecklenburg-Vorpommern, 21. Juni 2018, abgerufen am 29. August 2019.
- Neustrelitz: Der Schlossgarten ist fertig. NDR.de, 14. August 2019, abgerufen am 21. August 2019.
- Schlossgarten Neustrelitz erstrahlt im historischen Glanz In: Strelitzer Echo – Jahrgang 28, Ausgabe 17 vom 31. August 2019, S. 5.
Einzelnachweise
- Gerlinde Kienitz: Neustrelitz. Die neue Residenzstadt. In: Neustrelitz 1733–1983. Hrsg.: Museum der Stadt Neustrelitz, Neustrelitz 1983, S. 6.
- Otto Wagner (Hrsg.): Fremdenführer von Neustrelitz und Umgebung. Neustrelitz 1926, S. 21.
- Gerlinde Kienitz: Schlosspark Neustrelitz. Hrsg. Museum der Stadt Neustrelitz, S. 7.
- Annalise Wagner: Aus dem alten Neustrelitz. Kapitel: Noch etwas über den Schloßgarten und die Schloßkoppel. 2. Auflage, Neustrelitz 1968, S. 39
- Gerlinde Kienitz: Neustrelitz. Die neue Residenzstadt. In: Neustrelitz 1733–1983. Hrsg.: Museum der Stadt Neustrelitz, Neustrelitz 1983, S. 6.
- Gerlinde Kienitz: Schlosspark Neustrelitz. Hrsg. Museum der Stadt Neustrelitz, S. 8 (illustriert mit Fotografien von Horst–Günter Jung).
- Gerlinde Kienitz: Schlosspark Neustrelitz. Hrsg. Museum der Stadt Neustrelitz, S. 20 (illustriert mit Fotografien von Horst-Günter Jung)
- Otto Wagner (Hrsg.): Fremdenführer von Neustrelitz und Umgebung. Neustrelitz 1926, S. 28.
- Otto Wagner (Hrsg.): Fremdenführer von Neustrelitz und Umgebung. Neustrelitz 1926, S. 30.
- Ruth Bielfeldt: „Orest auf römischen Sarkophagen.“ Berlin 2005, S. 33 - Fußnote 65, abgerufen am 25. Juni 2019.
- Martina Schwenk: Darum verbindet dieser Sarkophag Neustrelitz mit Rom. Nordkurier, 19. Februar 2019, abgerufen am 5. Juli 2019.
- Schlotmann: Land investiert in Gärten und Parks Mecklenburg-Vorpommerns → Pressemeldung Nr. 102/11-21.04.2011-EM-Ministerium für Energiewicklung, Abgerufen am 21. September 2015
- Annalise Wagner: Beiträge zur Chronik der Stadt Neustrelitz (1733–1983). (PDF; 23 MB) Neustrelitz 1981/83. In: Carolinum (Zeitschrift) 46. Jg.- Heft Nr. 88. Göttingen 1982/83, Hrsg.: Altschülerschaft des Gymnasiums Carolinum, S. 83 f..
- Informationen zur Schlossgartensanierung In: Onlinepräsenz von Neustrelitz
- Tobias Lemke: Nach Sankerungsmarathon - Neustrelitzer Schlossgarten wieder für Öffentlichkeit zugänglich. In: Nordkurier. 14. August 2019, abgerufen am 16. August 2019.
- Schlossgarten Neustrelitz erstrahlt im historischen Glanz In: Strelitzer Echo – Ausgabe 17 vom 31. August 2019, S. 5.