Schlacht von Visby
Die Schlacht von Visby fand am 27. Juli 1361 zwischen dem Heer des Dänenkönigs Waldemar IV. und einem Bauernheer auf der Insel Gotland in der Ostsee statt.
Vorgeschichte
Der dänische König Waldemar Atterdag (1321–1375) hatte die Dänen geeint, und es gelang ihm, dem untätigen schwedischen König Magnus II. die Provinz Schonen zu entreißen. Danach richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die wohlhabende Insel Gotland.
Die Schlacht
Am 22. Juli 1361 landete der etwa 40-jährige Dänenkönig Waldemar Atterdag auf der Insel Gotland. Höchstwahrscheinlich betrat er die Insel bei Västergarn an der Westküste. Er hatte die Invasion sorgfältig vorbereitet und führte 70 Schiffe mit ca. 3000 meist deutschen Söldnern mit sich, denen das eilig aufgestellte gotländische Bauernheer gegenüberstand. Seit dem gotländischen Bürgerkrieg von 1288, der mit dem Sieg von Visby endete, hatte es keine kriegerischen Auseinandersetzungen mehr auf Gotland gegeben. Entsprechend fehlte den Gotländer Bauern Kampferfahrung und entsprechend veraltet war ihre Ausrüstung, die meist der Ausstattung eines Hofes entstammte: Speere, Äxte, vielleicht Pfeile und Bögen, schwere Waffen wie Schwerter gab es hingegen kaum. Die Spuren an den gefundenen Skeletten deuten darauf hin, dass das dänische Heer Kriegshämmer, Armbrüste, Langbögen und Zweihandschwerter einsetzte. In der ersten Schlacht bei Mästerby am 24. Juli 1361 wurde das eilig aufgestellte gotländische Bauernheer geschlagen. Am 27. Juli 1361 sammelten sich die letzten Kämpfer vor den Toren der Stadt Visby. Bis heute ist unklar, warum die letzten Reste des Bauernheeres dorthin zogen. Vielleicht erhofften sie sich trotz Differenzen in der Vergangenheit militärischen Beistand oder Schutz innerhalb der stark befestigten Stadt. Falls dies so gewesen sein sollte, dann erfüllten sich die Hoffnungen des Bauernheeres nicht, denn die Stadt Visby gewährte keinen Einlass. Somit musste sich das letzte Aufgebot des Bauernheeres dem Feind stellen und wurde vernichtend geschlagen. Nach der Niederlage kapitulierte auch die befestigte Stadt Visby und Waldemar Atterdag konnte einziehen.
Die Folgen der Schlacht
Die Stadt Visby musste zwar Tributzahlungen an den dänischen König leisten, durfte aber ihre Handelsprivilegien behalten. Das Land mit seinen Bauern musste für seinen Widerstand teuer bezahlen: Männer wurden erschlagen, Häuser geplündert und niedergebrannt. Durch die Kampfhandlungen starben nach neuerem Forschungsstand (2017) zwischen 2000 und 5000 Gotländer, die von ca. 1500 Bauernhöfen stammten. Dies würde bedeuten, dass die Hälfte der männlichen Bevölkerung umgekommen wäre. Die Auswirkungen sind bis heute nachzuweisen: Es wurde keine neue Kirche mehr gebaut, begonnene Projekte wurden überhastet zu Ende geführt. Kultur und Kunsthandwerk sanken auf ein provinzielles Niveau. Gotländische Bauernhändler verloren ihre Besitzungen im Ostseeraum. Die Koggen der Hanse hatten eine größere Reichweite und brauchten Gotland als Zwischenstation nicht mehr. Gotland verlor seinen Status als eigenständiger Machtfaktor im Ostseeraum und wurde endgültig zum Spielball fremder Mächte. Die Schiffe, die die Beute (Gold, Silber, Kunstschätze) nach Dänemark transportieren sollten, sanken wahrscheinlich in einem Sturm in der Nähe der Karlsinseln.
Die wendischen Städte empfanden die Eroberung Gotlands durch Dänemark als Bedrohung ihrer Handelsverbindungen, und so war die Schlacht ein Auslöser für den Ersten Waldemarkrieg der Hanse gegen Dänemark.
Bedeutung der Schlacht aus Forschungssicht
Die historischen Berichte über die großen Verluste des Bauernheeres galten lange als stark übertrieben, bis Massengräber entdeckt wurden. Zwei Massengräber wurden 1811 und 1903 entdeckt, aber zerstört. Drei weitere Gräber wurden 1905, 1912 und 1928–1930 entdeckt und sorgfältig untersucht, vermessen und beschrieben. Ein weiteres Grab ist noch nicht untersucht. Insgesamt 1200 Skelette wurden ausgegraben, sowohl von Gotländern, als auch von Angehörigen der dänischen Truppen. Die meisten Verwundungen waren auf den Einsatz von Äxten, Armbrüsten, Pfeilen, Schwertern, Keulen, Speeren und Lanzen zurückzuführen. Wie im Mittelalter üblich, wurden den Toten die Waffen, Helme und Schilde abgenommen. Ein Teil der Gefallenen wurde jedoch in ihren Leibrüstungen – meist Kettenhemden – bestattet. Eine Erklärung für diese ungewöhnliche Vorgehensweise könnte die große Sommerhitze mit rasch einhergehender Verwesung sein.
Für die Archäologie stellt die Schlacht von Visby einen Sonderfall dar, da nur selten Gräber mittelalterlicher Schlachten gefunden wurden, in denen sich Kämpfer mit ihren Rüstungen befanden. Neben den 200 Kettenpanzern fand man 25 Rüstungen vom Typ Plattenrock. Sie stellen einen Übergangstyp von der Kettenrüstung zum Plattenpanzer dar. Die Vielfalt der gefundenen Plattenröcke ist beachtlich: Die einfachsten bestanden aus senkrechten Metallplatten, die auf ein Lederkoller genietet wurden. Um den Torso befanden sich 15 Platten, im oberen Brustbereich drei. Neben dem guten Schutz gegen Pfeile war eine derartige Rüstung in wenigen Tagen herzustellen, während ein Kettenpanzer drei Wochen in Anspruch nahm und entsprechend teurer war. Der aufwändigste Plattenrock bestand aus 550 kleinen Platten, die auf die Innenseite eines Lederkollers genäht wurden. Es wurde aber auch ein Plattenpanzer gefunden, der die Abzeichen einer dänischen Adelsfamilie trug (fleur-de-lis, Lilienbume bzw. französische Lilie). Es gibt keinen nachgewiesenen Fall, in dem ein Ritter ein Wappen trug, das nicht sein eigenes war, daher besteht kein Zweifel an der Zugehörigkeit zum dänischen Adel. Es konnte nicht geklärt werden, warum der Ritter mit seiner Rüstung verscharrt wurde.
Quellen
- Buch der Waffen. Econ Verlag, 1976, S. 55–57.
- Daniel Ossenkop: Bauern gegen Söldner – Die Schlacht von Visby 1361. Grin Verlag, 2010.
- Ulrich Quack: Gotland. DuMont, Köln 1997.
- Fornsalen – Gotlands Museum, Ausstellung 2017.