Schiefer Turm von Dausenau
Der Schiefe Turm von Dausenau ist ein Turm der mittelalterlichen Stadtmauer von Dausenau, einer an der Lahn gelegenen Ortsgemeinde im rheinland-pfälzischen Rhein-Lahn-Kreis. Er weist mit 5,22 Grad die höchste bekannte Neigung aller ursprünglich vertikal gebauten Türme auf.
Errichtung
Nachdem der Ort 1348 die Stadtrechte erhalten hatte, wurde der Bau einer Befestigungsanlage vermutlich im Jahr 1359 abgeschlossen. Darin war der Turm Teil des Ortsausgangs in Richtung Nassau.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde unterhalb des Turms ein Teil der Stadtmauer mit der Beulspforte abgebrochen und die damalige Durchgangsstraße und spätere B 260 tiefer gelegt. Da auch die oberhalb anschließende Stadtmauer auf einige Meter abgebaut wurde, steht der Turm seitdem frei.
Der Turm ist heute nicht begehbar. Eine Eingangstreppe an der Nordseite ist seit dem Teilabriss der Stadtmauer nicht mehr zu erreichen.
Neigung
Ursprünglich war der Turm etwa 25 Meter hoch. Nachdem seine Schräglage im 19. und 20. Jahrhundert immer stärker wurde und er sich sogar drehte, wurde sein Mauerwerk ab 1950 um etwa 7,5 Meter abgetragen. Heute wird seine Höhe mit 16,39 Metern angegeben.[1]
Die Bewegung des Turmes wird seit dem frühen 20. Jahrhundert mit Hilfe von Gipsmarken beobachtet. Dabei werden die Siegel genau über einem Spalt angebracht. Bricht ein Siegel, ist dies ein Zeichen dafür, dass die Neigung des Turmes noch immer zunimmt. Das letzte Siegel von 1979 ist bislang nicht gerissen, jedoch führt ein Riss links daran vorbei.
Der Schiefe Turm neigt sich derzeit (Mitte 2017) um 2,46 Meter in Richtung der Hauptstraße. Der Turm ist somit über 5 Grad geneigt und vergleichbar mit dem Schiefen Turm von Suurhusen, der 2008 als schiefster Turm der Welt ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen wurde, und deutlich schiefer als der Schiefe Turm vom Pisa (3,97 Grad). Eine Messung im Jahr 2003 ergab eine Abweichung des Turms von der Senkrechten um 5,8 Gon, entsprechend 5,22 Grad. Damit übertrifft der Dausenauer Turm den Rekord von Suurhusen (5,19 Grad) geringfügig und sollte daher als schiefster Turm der Welt gelten. Abgelehnt wurde diese Anerkennung von der Guinness-Buch-Redaktion mit der Begründung, es handle sich bei dem Turm um eine Ruine.[2]
Ursachen der Neigung
Der Schiefe Turm von Dausenau steht bergseitig auf massivem Fels, talseitig jedoch auf lehmdurchsetztem Untergrund. Bei den Baumaßnahmen an der Durchgangsstraße verlor der Turm sein talseitiges Widerlager und mit der Stadtmauer auch eine wesentliche Stütze. Der Ausbau der Lahn zu einer schiffbaren Wasserstraße in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Bau von Stauwehren (bei Dausenau 1926) erhöhte den Grundwasserstand und damit die Durchfeuchtung des Untergrundes. Auch der zunehmende Straßenverkehr, insbesondere der im 20. Jahrhundert aufgekommene Lastwagenverkehr mit seinen Erschütterungen, trug zu seiner Neigung bei. Seitdem die B 260 den Ort am linken Lahnufer umgeht, ist die unmittelbare Umgebung des Turmes frei von Durchgangsverkehr.
- Betonsiegel zur Beobachtung der Rissbildung.
- Schiefer Turm aus westlicher Richtung.
- Turmstumpf des gegenüberliegenden Turmes (Rekonstruktion). Hier hatte die Beulspforte gestanden.
Siehe auch
Literatur
- Dausenau und seine Geschichte. Dausenau 1997 (ab Seite 449) von Stefan Fischbach
- Die mittelalterliche Stadtbefestigung Dausenaus, Dausenau 1995 von Stefan Fischbach
- Carlo Rosenkranz: Noch schiefer – Rekord in Dausenau?, Rhein-Zeitung, BK, vom 20. Oktober 2007
Weblinks
Einzelnachweise
- Foto der Tafel am Turm, auf commons.wikimedia.org
- Historisches Dausenau, abgerufen am 29. April 2017