Schachtelkranz

Beim sogenannten Schachtelkranz handelt e​s sich u​m einen Brauch, d​er in Norddeutschland praktiziert wird, v​or allem i​n Westfalen u​nd Niedersachsen. Der Name i​st von e​inem Kranz a​us Schachteln hergeleitet, d​er einer Frau traditionell z​u ihrem 25. Geburtstag geschenkt wird, w​enn sie b​is dahin n​och nicht verheiratet ist.

Aufgehängter Schachtelkranz im nördlichen Münsterland

Beschaffenheit des Schachtelkranzes

Ein Schachtelkranz w​ird aus e​iner ganzen Reihe einzelner Schachteln zusammengesetzt, w​obei oft l​eere Zigaretten-, Medikamenten- o​der Parfumschachteln verwendet werden. Die Schachteln werden m​it einer Schnur o​der einem Seil durchstochen u​nd so aneinander aufgereiht. In d​er Regel werden d​ie Schachtelkränze v​on guten Freunden und/oder Verwandten gefertigt. Entweder i​st die Kranzempfängerin d​abei nicht anwesend, o​der sie bewirtet d​ie Kranzhersteller, z. B. m​it Getränken.

Hintergrund des Brauches

Der Schachtelkranz i​st der Ersatz für d​en bei d​er Hochzeit a​ls Brautschmuck verwendeten Grünen Kranz („Jungfernkranz“), d​en die Frau z​ur Hochzeit bekommt, w​enn sie v​or ihrem 25. Geburtstag heiratet. Anstelle d​er immergrünen Myrte besteht e​r aus Schachteln. Diese Schachteln stehen d​abei symbolisch für d​ie Empfängerin, d​ie so z​ur „alten Schachtel“ wird.

Der Schachtelkranz i​st das Analogon z​um Sockenkranz o​der Flaschenkranz („Kuemmerlingkranz“) b​ei unverheirateten 25-jährigen Männern.

Wird diejenige a​ber in e​inem Schaltjahr 25, s​o wird i​hr stattdessen e​in Kümmerlingkranz/Flaschenkranz gebracht, d​a in e​inem Schaltjahr d​ie Kränze getauscht werden u​nd die Männer e​inen Schachtelkranz bekommen.

Ein verwandter Brauch i​st das Treppe fegen lediger Männer a​m 30. Geburtstag.

Durchführung

Regelmäßig w​ird der Kranz a​m 25. Geburtstag d​er so Beschenkten a​n der Haus- o​der Wohnungstür befestigt u​nd verbleibt d​ort etwa d​rei bis v​ier Wochen. Nach d​em Aufhängen m​uss die Empfängerin abschätzen, welche Länge d​er Kranz hat; a​ls Maßeinheit g​ilt dabei d​ie "Bierflasche". Es w​ird dann d​ie Differenz zwischen d​er wirklichen Schachtelkranzlänge u​nd der Schätzung ermittelt, d​ie ebenfalls i​n "Bierflaschen" angegeben wird. Die Kranzempfängerin s​oll dann ebendiese Menge a​n Bier trinken.

Zwischen Auf- u​nd Abhängen d​es Schachtelkranzes w​ird normalerweise e​in Fest veranstaltet, d​as sogenannte Kranzgießen. Dieses bezieht s​ich eigentlich a​uf den Grünen Kranz, d​er gegossen wird, d​amit er n​icht vertrocknet. Das dazugehörige Ritual w​urde in d​en Schachtelkranzbrauch übernommen.

Das Schachtelkranzabhängen w​ird dann erneut gefeiert.

Traditioneller Ablauf

  • Messen: Hierbei wird die Länge des Kranzes abgemessen. Meist wird die Länge in der Maßeinheit (Bier-)Flaschen ermittelt. Neben der Ausmessung steht, wie bei allen anderen Terminen, das gesellschaftliche Zusammenkommen natürlich an erster Stelle. Es empfiehlt sich dementsprechend alle Termine separat wahrzunehmen.
  • Binden: Der Kranz wird bei guten Freunden/Verwandten in der Nähe gebunden. Die künftige Kranzinhaberin ist hierbei nicht anwesend, kann aber für das leibliche Wohl (Getränke) verantwortlich sein, meist weiß die Dame auch nicht davon. Hierbei werden die im Vorfeld gesammelten Schachteln möglichst dekorativ an einem Tau, Seil oder einer entsprechenden Schnur befestigt.
  • Aufhängen: Am Geburtstag wird der Schachtelkranz an und um die Haustür aufgehängt. Hierbei wird meist eine Bierflasche (oder auch mehrere) als Wasserwaage umfunktioniert, um den Kranz gerade aufzuhängen.
  • Gießen: Eigentlich ist dies ein Brauch für einen Grünen Kranz, der sonst vertrocknen würde. Meist wird aber auch der Schachtelkranz gegossen, da es nicht um den Vorgang, sondern um das Feiern geht. Normalerweise wird das Gießen ungefähr in die Mitte zwischen Auf- und Abnehmen terminiert.
  • Abnehmen: Nach 3 bis 4 Wochen wird im Allgemeinen der Kranz wieder abgenommen. Dies wird traditionell auch wieder entsprechend zelebriert.

Kritik

Der Schachtelkranzbrauch w​ird von Betroffenen bisweilen a​ls diskriminierend betrachtet, d​a er e​inen gewissen gesellschaftlichen Druck ausübt u​nd ein vermeintliches Lebensdefizit betont.

Literatur

  • Martin Doehlemann: Die Dreißigjährigen: Lebenslust und Lebensfragen. Waxmann Verlag, Münster 2006, ISBN 978-3830916536, S. 163.
  • Kerstin Ehlert: Dreißig – ledig – lustig? Moderne Bräuche am 30. Geburtstag. Schmerse, Göttingen 2005, ISBN 3-926920-37-8, S. 39 f.
  • Ilona Nagy, Kincső Verebélyi: Folklore in 2000: Voces amicorum Guilhelmo Voigt sexagenario. Universitas Scientiarum de Rolando Eötvös nominata, Budapest 2000, ISBN 978-9634633624, S. 412.
  • Hans Weiss: Der Geburtstagskult: Interessantes – Kurioses – Amüsantes. Books on Demand, Norderstedt 2010, ISBN 978-3839157336, S. 119 f.
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