Sackstraße (Graz)
Sackstraße ist die Bezeichnung des ältesten immer noch bestehenden Straßenzugs von Graz, der bereits Anfang des 12. Jahrhunderts angelegt worden ist. Diese Straße liegt im 1. Bezirk (Innere Stadt). Sie führt vom Hauptplatz im Süden zwischen Schloßberg und Mur bis zur Keplerbrücke nach Norden.
Heute ist die Straße eine der bedeutendsten Einkaufsstraßen von Graz. Gerade die Kunst hat hier ihren Platz gefunden. Es gibt eine Interessengemeinschaft unter dem Namen „Kunst Meile Graz“. Dieser Name ist mittlerweile ein geläufiges Synonym für diese Straße geworden.
Geschichtliche Entwicklung
Ursprünglich wurde die Sackstraße nur als „Sack“ bezeichnet, da sie an dem nördlichen Teil der Stadtmauer von Graz beim Reinerhof (Sackstraße Nr. 20) endete. Dieser „erste Sack“ war ursprünglich eine ‚tote‘ Gasse, die erst mit Errichtung des (ersten) „Sacktors“ (zwischen den heutigen Häusern Sackstraße Nr. 17 und Nr. 20) einen Ausgang nach Norden erhielt. Die Gasse wurde bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts angelegt und gilt als ältester bestehender Straßenzug der Stadt.[1]
Dieser „erste Sack“ wurde im Zuge der Stadterweiterung unter Kaiser Friedrich III. durch den „zweiten Sack“ verlängert. Die Stadtmauer wurde durchbrochen. Es kam zur Errichtung des ersten Sacktores. Im „zweiten Sack“ siedelten sich Kleinbürger, Lederer und Gerber, Kürschner, Schuster und Müller an. Der Bereich zählte nicht zu den wohlhabenden Stadtvierteln und reichte bis zur Einmündung der Sackstraße in den Kai.[1]
Im 17. Jahrhundert erfolgte eine Ergänzung durch den „dritten Sack“. Dieser reichte bis zu den Befestigungswerken bei der heutigen Keplerbrücke und war durch das 1625 errichtete dritte Sacktor zugänglich gemacht worden. Das Tor war ein zwölf Meter hoher Turm mit einer sieben Meter langen Durchfahrt. Die Gewerbetreibenden und Kleinbürger zogen in den „dritten Sack“, während sich viele Adelige im ersten niederließen und dort ihre Palais errichteten. Da die Häuser des „dritten Sacks“ vornehmlich aus Holz gebaut waren, kam es in den Jahren 1607 und 1670 zu großen Bränden, welche die meisten Häuser zerstörten.[1] Das Gebiet lag, obwohl schon seit dem Mittelalter besiedelt, vor der Errichtung des „dritten Sackes“ ungeschützt außerhalb der Stadtmauer.
Das Stadtviertel der drei Säcke war um 1840 das am dichtesten besiedelte Gebiet der Stadt Graz. Im Jahr 1850 wurde das dritte Sacktor abgetragen und an seiner Stelle ein Entlastungsgefängnis für die damals überfüllten Zellen des Rathauses errichtet. Das sogenannte „Kriminal“ wurde bereits in den 1880er Jahren wieder abgerissen. Der Bau war bei der Bevölkerung wegen seines Aussehens sehr unbeliebt gewesen. Er stellte auch ein Verkehrshindernis dar. Die Gefangenen wurden in die neue Justizanstalt des Straflandesgerichtes (heute: Justizanstalt Graz-Jakomini) in die Conrad-von-Hötzendorf-Straße verlegt.[1]
Als unhygienisch, eng und chaotisch galt im 19. Jahrhundert die dichte Anhäufung vieler Häuser. Da der Wasserspiegel der Mur bis auf drei Meter an die äußere Häuserzeile heranreichte, war oft mit Überschwemmungen zu rechnen. Das Ufer war nur mit Piloten, Bretterverschalungen und Steinlagen gesichert, zwischen den Häusern führten schmale Wege, sogenannte „Reichen“, zum Fluss hinab. Bereits im 16. Jahrhundert gab es an einer Stelle eine Seilbahn auf den Schloßberg.[2]
Schon um 1835 war das zweite Sacktor abgetragen worden und. Alle drei Säcke zusammen werden seit 1875 als Sackstraße bezeichnet. Im selben Jahr wurde die Dreifaltigkeitssäule vom Eingang des Straßenzugs auf den Karmeliterplatz verlegt. Mit jeder Verlängerung änderte sich auch die Struktur der Sackstraße, da die hier beheimateten Gewerbetreibenden immer weiter an den jeweiligen Stadtrand gedrängt wurden, während sich nahe dem Stadtzentrum zunehmend Adelige ansiedelten. Mit der um 1900 durchgeführten Murregulierung erfolgte der schwerste Eingriff in die Bausubstanz der ehemaligen drei Säcke. Sämtliche westseitige Häuser des „dritten Sacks“ wurden abgerissen, um Platz für eine neue Straße zu schaffen, den Franz-Joseph-Kai.[1]
Liste bedeutender Bauten
(Nummerierung nach Hausnummern, gerade rechts, ungerade links vom Hauptplatz ausgehend nach Norden)
- 1 – um 1280 Eckhaus zur Murgasse des Friedrich an dem Ekke; 1381 erster genannte Barbier von Graz; später landschaftliche, protestantische Stiftschule (1598 aufgehoben). Unter Hinzumietung der Räume des ehemaligen Juweliergeschäfts Pfundner wurde das Gründerzeithaus bis auf Fassade, Dach und Stiegenhaus für oder vom Modehaus Hämmerle bis November 2008 generalumgebaut.[3] Unter Beibehaltung der Nutzung auf seinen 5 Etagen als Modehaus wurde das Hämmerlehaus März 2015 an RA Held/Pluto VV verkauft.
- 2 – Staigeregg-Haus (erster Stock: bis 1998 Café Nordstern)[4]
- 3 – 5 seit 1852 Hotel Erzherzog Johann (Erdgeschoss: bis 2010 Café Erzherzog Johann)[4]
- 4 – seit 1640 eine Apotheke
- 7 – 11 ab 1885 beginnend Kaufhaus Kastner & Öhler
- 8 – mittelalterliches Haus mit spätgotischer Fassadenmalerei
- 9 – eines der ersten Grazer Kaffeehäuser Ende 18. Jhd.
- 10 – ehem. Buchhandlung Kienreich
- 12 – ehem. Kleindiensthaus mit Gasthaus Krebsenkeller (Zum Roten Krebsen)[5]
- 13 – im 16. Jhd. im Hof das städtische Zeughaus
- 14 – Palais Kellersberg, Reform-Speisehaus der Guttempler (um 1910)
- 15 – kleines Palais Attems (auch Witwenpalais)
- 16 – Palais Herberstein, ab 1835 eine der ältesten Tanzschulen im deutschsprachigen Raum, von 1941 bis 2011 Neue Galerie Graz, von 2011 bis 2017 Museum im Palais, seit April 2017 Museum für Geschichte des Universalmuseum Joanneum.[6]
- 17 – Palais Attems
- 18 – Palais Khuenburg, heute Grazer Stadtmuseum
- 19 – Dreifaltigkeitskirche (Graz), 1694–1704 errichtet
- 20 – Reinerhof auch Reiner Hof, das älteste urkundlich erwähnte Gebäude in Graz (1164)
- 27 – 36 zweites Sacktor bis 1835
Siehe auch
Literatur
- Walter Brunner, Kulturamt (Hrsg.): Geschichte der Stadt Graz. 4 Bände. Eigenverlag der Stadt Graz, Graz 2003, ISBN 3-902234-02-4.
- Bernd-F. Holasek: Ein ganz besonderes Stück Graz – die Kunst-Meile Sackstraße. Kunst-Meile, Graz 2003, OBV.
- Ulrike Schuster: Verlorenes Graz. Eine Spurensuche im 19. und 20. Jahrhundert nach demolierten Bauwerken und Denkmalen der steirischen Landeshauptstadt. Österreichischer Kunst- und Kulturverlag, Wien 1997, ISBN 3-85437-119-5.
Weblinks
- Offizielle Website der Kunst Meile Graz
Einzelnachweise
- (Robert Engele:) Wie sich der Sack geöffnet hat. Kleine Zeitung, 4. September 2010, archiviert vom Original am 8. November 2010 .. (Aus der Reihe Damals in Graz).
- Ulrike Schuster: Verlorenes Graz, S. 63.
- Website Hämmerle / Das Modehaus > Shops > Graz, abgerufen 22. März 2015
- Ein Erzherzog weicht dem Supermarkt. In: derstandard.at, 22. Juni 2010, abgerufen am 14. September 2013.
- Anton Kapper: Das Haus zum roten Krebsen in der Sackstraße zu Graz. Ein Beitrag zur Grazer Stadtgeschichte, anläßlich der Jahreswende 1935/1936 als Jubiläumsschrift den lieben Gästen gewidmet vom Inhaber der Gaststätte, Alois Wunder. S.n., Graz 1936, OBV.
- Palais Herberstein. Abgerufen am 27. April 2017.