SOS Méditerranée
SOS Méditerranée (Eigenschreibweise SOS MEDITERRANEE) ist eine im Mai 2015 gegründete, ausschließlich durch Spenden finanzierte Seenotrettungsorganisation[1] mit Sitz in Marseille.
SOS Méditerranée (SOS MEDITERRANEE) | |
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Rechtsform | Freiwilligen-Verein |
Gründung | Mai 2015 |
Gründer | Klaus Vogel, Sophie Beau u. a. |
Sitz | Marseille |
Zweck | Seenotrettung im Mittelmeer |
Umsatz | 5.669.186 Euro (2020) |
Website | sosmediterranee.org |
Geschichte
Die Organisation wurde als Reaktion auf die Einstellung der staatlich organisierten, italienischen Seenotrettungsoperation Mare Nostrum gegründet. Gründer sind Klaus Vogel, ein in der internationalen Handelsschifffahrt tätiger, deutscher Kapitän, und Sophie Beau, eine französische Menschenrechtsaktivistin.
Von 2015 bis 2021 gab es mit dem SOS MEDITERRANEE e. V. einen deutschen Verbundspartner. Dieser hat sich zum 1. Januar 2022 aus dem Verbund gelöst und in SOS Humanity umbenannt.[2]
Seenotrettungsoperationen
Die Seenotrettungsoperationen wurden zunächst in Kooperation mit der Organisation Ärzte der Welt gestartet. Sie wurden von April 2016 bis Mitte 2020 gemeinsam mit der Organisation Ärzte ohne Grenzen fortgeführt.[3] Seit Beginn der Operation wurden nach eigenen Angaben mehr als 28.000 Flüchtende von der Aquarius aufgenommen. Die Flüchtlinge wurden großenteils von der Aquarius unter Einsatz ihrer Beiboote aus in Libyen von Schleppern eingesetzten, seeuntauglichen Schlauchbooten gerettet.[4]
Die Aquarius übernahm Flüchtlinge auch von anderen privaten Seenotrettungsschiffen, von Handelsschiffen und von Marineschiffen. Die Rettungseinsätze werden von der staatlichen italienischen Seenotrettungsleitstelle MRCC Rom koordiniert, das stets auch die Häfen festlegt, in denen die Geretteten von Bord gehen dürfen.
Die Geretteten würden entsprechend den Anweisungen des MRCC an Land gebracht. SOS Méditerranée erklärt dazu unter Verweis auf systematische Menschenrechtsverletzungen in Libyen, wo die Flüchtlinge Sklaverei, Vergewaltigungen, Folter und Inhaftierungen ausgesetzt seien: „Das internationale Seerecht besagt, dass Menschen in Seenot nicht nur gerettet, sondern auch in einen ‚sicheren Ort‘ gebracht werden müssen“ (International Convention for the Safety of Life at Sea (SOLAS), Kapitel 5, Regel 33). Es müsse demnach gewährleistet sein, dass die Menschen Nahrung, Unterkunft und medizinische Versorgung erhalten und dass keine Gefahr weiterer Verfolgung besteht. Diese Kriterien träfen nach Einschätzung der Aktivisten nicht auf die nordafrikanischen Küstenstaaten – insbesondere Libyen zu.[5][6]
Zu ihrem Einsatz 2019 mit der Ocean Viking erklärte Sam Turner, Leiter der Mittelmeeroperation von Ärzte ohne Grenzen, man fahre ins Mittelmeer, um Leben zu retten. Ärzte ohne Grenzen richte seine Hilfe an humanitären Prinzipien aus und werde deshalb weiter Menschen vor dem Ertrinken retten. Turner behauptete weiter, das Völkerrecht sehe vor die Menschen anschließend an einen sicheren Ort zu bringen, wo die Personen Zugang zu einem Asylverfahren hätten.[7]
Rettungsschiff Aquarius
SOS Méditerranée charterte im Februar 2016 das unter der Flagge Gibraltars fahrende Vermessungsschiff Aquarius.[8] SOS Méditerranée setzt das frühere Fischereischutzschiff der deutschen Küstenwache im Mittelmeer zwischen Libyen und Italien zur Rettung von Flüchtlingen aus Seenot ein.[9] Im Dezember 2018 gab die Organisation bekannt, den Einsatz der Aquarius zu beenden, da der politische Druck zu groß sei. Man beklagte einen „Höhepunkt der Kriminalisierung von humanitärer Hilfe auf See“. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Aquarius etwa 30.000 Migranten auf See gerettet.[10]
Rettungsschiff Ocean Viking
2019 charterten die Aktivisten von SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen (MSF) gemeinsam die Ocean Viking, ein 1986 gebauter, norwegischer Offshore-Versorger. Das Schiff wird von neun Besatzungsmitgliedern betrieben. 200 Personen können aufgenommen werden, 13 SOS-Méditerranée-Aktivisten sind für den seemännischen Teil der Rettung zuständig, während neun MSF-Aktivisten die medizinische Versorgung sicherstellen sollen.[7]
Auszeichnungen
- 2016 Schwarzkopf-Europa-Preis[11]
- 2016 Europäischer Bürgerpreis[12]
- 2016 Carl-von-Ossietzky-Medaille
- 2017 Deutsch-Französischer Medienpreis[13]
Sonstiges
Aufgrund eines rechtsextremen Überfalls auf das Hauptbüro in Marseille vermeidet der Verein in Publikationen die Angabe vollständiger Namen von Mitarbeitern.[14]
Weblinks
Einzelnachweise
- FAQ SOS Méditerranée, SOS Méditerranée.
- Neuer Name: SOS Humanity. In: sueddeutsche.de. Abgerufen am 21. Januar 2022.
- https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/politik/seenotrettung-im-mittelmeer-2020-die-bilanz-e670960/
- 3 Jahre SOS MEDITERRANEE e. V. – Beitrag von Kapitän und Gründer Dr. Klaus Vogel, SOS Méditerranée, 9. Mai 2018.
- A Perfect Storm. The Failure of European Policies in the Central Mediterranean, Amnesty International, 2017 (PDF, 728 kB).
- Libya – Events of 2016, Human Rights Watch.
- Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediterranee nehmen Seenotrettung wieder auf – Krise in Libyen und auf dem Mittelmeer hat sich verschärft, Ärzte ohne Grenzen, 21. Juli 2019.
- Maik Trettin: „Aquarius“ startet zur Rettungsmission, Ostsee-Zeitung, 11. Dezember 2015.
- „Aquarius“ rettete über 10 000 Menschen aus dem Mittelmeer, Ostsee-Zeitung, 4. Januar 2017.
- Flüchtlingsrettungsschiff: „Aquarius“ beendet Einsatz im Mittelmeer. In: Spiegel Online. 7. Dezember 2018, abgerufen am 28. Januar 2021.
- SOS MEDITERRANEE erhält Schwarzkopf-Europa-Preis für Rettungseinsatz im Mittelmeer, 14. November 2016.
- Europäischer Bürgerpreis 2016, abgerufen am 13. Mai 2019.
- SOS MEDITERRANEE bekommt Deutsch-Französischen Medienpreis 2017. Euronews, 17. März 2017, abgerufen 13. Juni 2018.
- Sebastian Sele: Bereit zur Rettung. In ver.di Publik 8/2021, S. 13 ff.