Rindenblindheit
Rindenblindheit ist eine ältere neurologische Bezeichnung für eine Blindheit aufgrund eines teilweisen oder vollständigen Ausfalls der primären Sehrinde, also der kortikalen Area V1. Gebräuchlicher sind heute die spezifischeren Bezeichnungen für teilweise Ausfälle, Hemianopsie, Quadrantenanopsie und Skotome (siehe Anopsie). Da die primäre Sehrinde retinotop organisiert ist, äußern sich die Ausfälle im Fehlen bewusster Wahrnehmung in umschriebenen Bereichen des Gesichtsfeldes. Da die Gesichtsfelder des linken und rechten Auges auf die gleiche Hirnseite projizieren, sind die Ausfälle dabei homonym, d. h. sind für das linke und rechte Auge gleich.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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H47.6 | Affektionen der Sehrinde |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Rindenblindheit ist von der Seelenblindheit (den visuellen Agnosien) zu unterscheiden, die zwar ebenfalls auf Läsionen der Großhirnrinde beruht, allerdings auf Schädigungen höherer visueller Areale, bei Intaktheit der primären Sehrinde. Bei einer verbleibenden Restfunktion visueller Informationsverarbeitung in Teilen des Gesichtsfeldes, spricht man vom Blindsehen. Die betroffenen Personen haben in diesen Gesichtsfeldbereichen keine bewussten Seheindrücke, da die Intaktheit der primären Sehrinde offenbar eine Voraussetzung dafür ist. Dennoch können sie auf dargebotene visuelle Reize sinnvoll reagieren und etwa deren Ort angeben, oder deren Farbe benennen. Differentialdiagnostisch abzugrenzen ist auch eine dissoziative Identitätsstörung, die Symptome einer Rindenblindheit, einschließlich der zugehörigen visuellen evozierten Potentiale, hervorrufen kann.[1]
Einzelnachweise
- B. Waldvogel, A. Ullrich, H. Strasburger: Blind und sehend in einer Person: Schlussfolgerungen zur Psychoneurobiologie des Sehens. In: Der Nervenarzt. Band 78, Nr. 11, November 2007, ISSN 0028-2804, S. 1303–1309, doi:10.1007/s00115-007-2309-x (springer.com [abgerufen am 9. Januar 2020]).