Riedingerhaus
Das Riedingerhaus war ein stadtpalastartiges Neurenaissancegebäude in der Augsburger Innenstadt. Es diente ursprünglich dem Unternehmer Ludwig August Riedinger und seiner Familie als repräsentativer Wohnsitz und wurde später als Verwaltungszentrale der Stadtwerke Augsburg genutzt. Ende Februar 1944 erlitt das Gebäude bei den Luftangriffen auf Augsburg durch den Einschlag mehrerer Bomben schwere Schäden.[1] In der Nachkriegszeit wurde die Ruine schließlich vollständig abgebrochen.
Geschichte
Im Jahre 1862 erwarb Ludwig August Riedinger das seit dem Mittelalter bestehende Imhofhaus (Litera D 83) an der Kreuzung Karolinenstraße / Obstmarkt und beauftragte kurz darauf dessen Abbruch. Die Entwürfe für den repräsentativen Neubau, dessen Errichtung von 1863 bis 1865 andauerte, stammten von dem Münchner Architekten Gottfried von Neureuther.
Bestandteil des prachtvoll gestalteten Wohn- und Geschäftsgebäudes war auch ein großer Festsaal, der zunächst für private Theater- und Konzertaufführungen genutzt wurde.[2] Zwischen 1912 und 1913 erfolgte dann der Umbau zum Filmtheater mit dem Namen Kammerlichtspiele,[3] das bis 1941 in Betrieb war und etwa 380 Besuchern Platz bot. 1921 (andere Quellen nennen das Jahr 1928) kaufte die Stadt Augsburg das Riedingerhaus und richtete 1938 dort die Verwaltungszentrale der im gleichen Jahr gegründeten Augsburger Stadtwerke ein. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde der Springbrunnen im Innenhof entfernt und dort der sogenannte Riedingerbunker gebaut. Er sollte der Stadtführung als bombensichere Kommandozentrale dienen. Die Brunnenfiguren wurden in die weiter außerhalb der Innenstadt liegenden Werkstätten der Stadtwerke verbracht.[4]
Das Riedingerhaus wurde bei den Luftangriffen in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1944 durch den Einschlag von Brand- und Sprengbomben fast vollständig zerstört. Lediglich der Bunker war noch voll funktionsfähig und konnte weiterhin von Oberbürgermeister Josef Mayr, Stadtkommandant Generalmajor Franz Fehn und deren Stab als Führungszentrale genutzt werden.
Am 27. April 1945 trat die Augsburger Freiheitsbewegung mit der vorrückenden US-Armee in Kontakt und machte sie auf die Kommandozentrale im Riedingerbunker aufmerksam. Oberbürgermeister Mayr vermeldete den vorrückenden Truppen zudem telefonisch, dass die Stadt kampflos übergeben wird. In der Nacht auf den 28. April 1945 führten Freiheitskämpfer einen Stoßtrupp der 3rd Infantry Division zum Riedingerbunker. Generalmajor Fehn wurde schließlich festgenommen und damit die NS-Herrschaft in Augsburg ohne Kampfhandlung beendet. Eine Gedenktafel am Verwaltungsgebäude der Stadtwerke erinnert an die friedliche Befreiung der Stadt.
Die Überreste des Riedingerhauses wurden in der Nachkriegszeit vollständig niedergelegt und die Trümmer anschließend abgefahren. Zuletzt erfolgte 1948 der Rückbau des Bunkers im ehemaligen Lichthof.[5] Nach den Entwürfen des Stadtbaurates Walther Schmidt entstand von 1953 bis 1955 schließlich die neue Verwaltungszentrale der Stadtwerke. Der umstrittene Neubau wurde dabei so gestaltet, dass (im Gegensatz zum zuvor bestehenden Riedingerhaus) eine durchgehende Sichtachse vom Rathausplatz zum Dom ermöglicht werden konnte.
Architektur
Das im italienischen Neurenaissancestil gehaltene Eckgebäude aus Granit und Sandstein besaß vier Obergeschosse mit einem darüberliegenden Eckaufbau. Ähnlich wie das zuvor bestehende Imhofhaus bildete auch die Gestalt des Riedingerhauses einen visuellen Abschlusspunkt der reichsstädtischen Nord-Süd-Achse und trennte (ähnlich dem ehemaligen Schwalbenecktor) gleichzeitig die Bischofsstadt im Norden von der Bürgerstadt im Süden.
Im Inneren befand sich ein glasgedeckter Innenhof mit umlaufenden Arkadengängen und einem mittig angeordneten Springbrunnen aus rotem Marmor. Gekrönt wurde der Springbrunnen 1876 von einer Germania-Figur aus der Königlichen Erzgießerei in München.[6] Unterhalb der Germania-Figur waren vier kleinere Tierfiguren angeordnet.
Literatur
- Günther Grünsteudel u. a. (Hrsg.): Augsburger Stadtlexikon. 2. Auflage. Perlach-Verlag, 1998, ISBN 3-922769-28-4, S. 754.
- Astrid Kritter: Augsburg in frühen Photographien 1860–1914. Schirmer/Mosel Verlag, 1979, ISBN 3-921375-38-X, S. 122–123.
- Winfried Nerdinger (Hrsg.): Bauten erinnern. Dietrich Reimer Verlag, 2012, ISBN 978-3-496-01473-7, S. 34–35.
- Winfried Nerdinger (Hrsg.): Augsburgs Weg zur modernen Großstadt 1907–1972. Dietrich Reimer Verlag, 2001, ISBN 3-496-01251-X, S. 59–60.
Weblinks
Einzelnachweise und Anmerkungen
- Norbert Lieb und Ludwig Ohlenrot: Kriegsschadenplan 1944.
- Franz Häußler: Gedenktafeln erzählen Augsburger Geschichte. context verlag, Augsburg 2014, ISBN 978-3-939645-73-3, S. 141.
- Franz Schreiber: Zur Augsburger Filmtheatergeschichte 1896–1950. In: Augen Blick mal. (= Schriftenreihe der Museen des Bezirks Schwaben). 1995, S. 33–37.
- Anmerkung: Seit 2010 befinden sich die Brunnenfiguren im Staatlichen Textil- und Industriemuseum.
- Stadtwerke Augsburg Energie GmbH: Fernwärme für Augsburg. Context Verlag Augsburg, 2014, ISBN 978-3-939645-79-5, S. 24.
- Eine Krone für „Germania“. In: Augsburger Allgemeine. 8. Januar 2010, abgerufen am 22. Dezember 2017.