Quadragesimo anno

Quadragesimo anno (lateinisch für „im vierzigsten Jahr“) i​st eine a​m 15. Mai 1931 v​on Papst Pius XI. veröffentlichte Enzyklika. Ihr Name leitet s​ich aus d​en Anfangsworten d​er Einleitung a​b und bezieht s​ich auf d​en vierzigsten Jahrestag d​er Veröffentlichung d​er Enzyklika Rerum novarum u​nter Papst Leo XIII. (Der Titel w​ird auch m​it „QA“ abgekürzt.) Die Enzyklika Quadragesimo anno v​on Papst Pius XI. (1931) w​urde maßgeblich v​on Jesuiten u​m Gustav Gundlach u​nd vom „Königswinterer Kreis“ vorbereitet (vor a​llem durch Hauptautor Oswald v​on Nell-Breuning).

In seiner Einleitung g​eht Papst Pius XI. a​uf das Rundschreiben Leos XIII. ein, h​ier heißt es: „Vierzig Jahre s​ind verflossen, s​eit Unser Vorgänger seligen Andenkens, Leo XIII., s​ein herrliches Rundschreiben Rerum novarum ergehen ließ. In dankbarer Freude ergreift d​er ganze katholische Erdkreis diesen Anlass, u​m das Gedenken verdientermaßen feierlich z​u begehen.“

Inhalt

Nach Rerum novarum w​ar Quadragesimo anno d​ie wichtigste Enzyklika, d​ie sich d​en Fragen d​er Industriegesellschaft widmete. Die Enzyklika spricht, über d​ie Arbeiterfrage hinaus, d​ie gesellschaftliche Ordnung insgesamt an. Sie drängt a​uf Gesellschaftsreformen u​nd entfaltet u​nter diesem Aspekt d​ie Gedanken d​es Subsidiaritätsprinzips u​nd der beruflichen Ordnung. Das Prinzip d​er Subsidiarität garantiere gesellschaftliche Freiräume. Sie s​uche nach Wegen d​er angemessenen Hilfe d​urch staatliche o​der kommunale Stellen. Gemäß d​em katholischen Soziologen Bossle i​st die zentrale Aussage dieser päpstlichen Sozialenzyklika, d​ass die Welt n​ur durch Beachtung d​er Subsidiarität a​ls Kern e​ines föderalistischen Staatssystems d​en Weg i​n eine freiheitliche u​nd menschenwürdige Ordnung finden könne.[1]

  • Der erste Teil nimmt Bezug auf die Wirkungsgeschichte von Rerum novarum (16–40).
  • Im zweiten Teil geht es um die kirchliche Lehre von Wirtschaft und Gesellschaft (41–98). Dabei wird das Eigentum (44–52) in seiner individuellen und sozialen Funktion anerkannt. Der Staat darf zwar das Recht auf Sondereigentum nicht aufheben, wohl aber kann er dessen Gebrauch ordnen und gegebenenfalls um des Gemeinwohls willen einschränken. Kapital und Arbeit (53–58) sind aufeinander angewiesen. Der Ertrag aus dem Zusammenwirken von Arbeit und Kapital muss dem allgemeinen Nutzen dienstbar gemacht werden. Die Entproletarisierung (59–63) hat das Ziel, die Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand zu fördern und so zu einem Ausgleich der Besitzverhältnisse beizutragen und die Verelendung zu vermindern. Der gerechte Lohn (64–75) bemisst sich zusätzlich zur jeweiligen Arbeitsleistung nach dem Lebensbedarf des Arbeiters und seiner Familie, nach der Lebensfähigkeit des Unternehmens und der allgemeinen Wohlfahrt. Eine Beteiligung der Arbeiter am Unternehmen wird befürwortet. Sozialreform (76–98) ist sowohl Zuständereform (Strukturreform) wie auch das Bemühen um Sittenbesserung (Gesinnungsreform). In der Enzyklika heißt es auch (79): „Jede Gesellschaftstätigkeit ist ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.“ Außerdem wurden Aussagen zur berufsständischen Ordnung (81–87) getroffen, welche Anlass zu vielen Missverständnissen gegeben haben. In den berufsständischen Körperschaften soll ein Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit erfolgen. Eine gerechte und soziale Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung soll den innerhalb gewisser Grenzen berechtigten und nützlichen Wettbewerb regulieren.
  • Im dritten Teil (99–126) werden beide Formen des Sozialismus (d. h. sowohl der radikale Marxismus-Kommunismus wie auch der gemäßigte demokratische Sozialismus) abgelehnt, obwohl anerkannt wird, dass der gemäßigte eine gewisse Annäherung an die Postulate einer christlichen Sozialreform erkennen lässt (117): „Der Sozialismus, gleichviel ob als Lehre, als geschichtliche Erscheinung oder als Bewegung, auch nachdem er in den genannten Stücken der Wahrheit und Gerechtigkeit Raum gibt, bleibt mit der Lehre der katholischen Kirche immer unvereinbar. Er müsste denn aufhören, Sozialismus zu sein: der Gegensatz zwischen sozialistischer und christlicher Gesellschaftsauffassung ist unüberbrückbar.“
  • Eine Zuständereform muss sich mit sittlicher Erneuerung aus christlichem Geist verbinden, wie der letzte Abschnitt der Enzyklika (127–148) betont.

Literatur

  • Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (Hrsg.): Texte zur katholischen Soziallehre – Die sozialen Rundschreiben der Päpste und andere kirchliche Dokumente. Mit Einführungen von Oswald von Nell-Breuning SJ und Johannes Schasching SJ. Ketteler-Verlag, Köln 1992 ISBN 3-927494-01-1 / Butzon & Bercker, Kevelaer 1992, ISBN 3-7666-9789-7.
  • Josef Pieper: Systematische Einführung in die Enzyklika Quadragesimo anno. In: ders.: Werke in acht Bänden. Hrsg. von Berthold Wald. Ergänzungsband 1, S. 61 ff., Felix Meiner Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3-7873-1637-X (Im selben Band Das Arbeitsrecht des Neuen Reiches und die Enzyklika Quadragesimo anno (1934), S. 338, mit stark positiver Interpretation der Gesellschaftslehre der NSDAP).

Einzelnachweise

  1. Lothar Bossle: Die Erhaltung des Katholizitätsprinzips als Sauerteig im 21. Jahrhundert. Helmut Serrand zum 65. Geburtstag. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018 (2021), S. 253–263 (postum), hier: S. 259.
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