proleptisch
Proleptisch (von altgriechisch προληπτικός prolēptikós, deutsch ‚vorausnehmend, vorgreifend‘)[1] bedeutet in der Zeitrechnung (Chronologie), dass ein Zeitsystem über seinen definierten Nullpunkt hinaus in die Vergangenheit zurückgreift.
Standard-Zeitmesssystem der Astronomie wie auch der Chronologie ist das julianische Datum, welches trotz des Datums 0,0 am 1. Januar −4712 (4713 v. Chr.) 12:00 ein nicht proleptisches Dezimalzeitsystem ist, das die Probleme der proleptischen Datierung in Form einer gleichförmig fortlaufenden Zeitskala überbrückt.
Proleptische Kalender
Ein Kalendersystem hat ein bestimmtes Referenzdatum, die Epoche, an dem die Jahreszählung beginnt. Alle Daten vor diesem Tag, in diesem Kalendersystem angegeben, heißen dann proleptisch datiert. Sie haben negative Jahreszahlen beziehungsweise werden mit „vor der Zeitrechnung“ und ähnlichen Begriffen beschrieben.
- Siehe: v. Chr. (vor Christi Geburt), ante christum natum (AC, „vor der Geburt Christi“, auch BC, engl. before Christ), v. d. Z. (vor der Zeitrechnung)
Nicht proleptische Kalender
Der gregorianische Kalender wird nur selten proleptisch verwendet, mit der Folge, dass es bis heute einen „gestückelten“ Kalender gibt. Datumsangaben sind julianisch bis zur Nacht vom 4. Oktober (im julianischen Kalender) auf den 15. Oktober (im gregorianischen Kalender) 1582. Die Kalenderumstellung fand zumindest in Rom, Italien, Spanien und Portugal zeitgerecht statt. In anderen Ländern geschah dies verzögert. Von dem internationalen Standard für Datums- und Zeitangaben ISO 8601 ist die Verwendung des gregorianischen Kalenders für Datumsangaben ab 1583 vorgesehen und für eine proleptische Verwendung bedarf es der Einigung zwischen Sendern und Empfängern.
Ein weiteres klassisches Datierungsproblem ist etwa das sogenannte verworrene Jahr 708 a. u. c., in dem der römische auf den julianischen Kalender umgestellt wurde, und seine ungesicherte seinerzeitige proleptische Rückdatierung.
Weiterhin nicht proleptisch verwendet werden alle Kalendersysteme, die auf einem System von Zeitaltern (Ära) aufgebaut sind, insbesondere auch alle dynastischen Kalendersysteme. Die Jahreszählung beginnt hier bei jeder Epoche (Beginn einer Ära) neu, aber frühere Daten werden im Bezug der jeweils damals gültigen Epoche angegeben. Beispiele: ägyptischer Kalender, chinesischer Kalender, japanischer Kalender mit Nengō, Maya-Kalender.
Desgleichen ist der Islamische Kalender (sowohl der lunare wie der iranisch/solare), der mit dem Jahr der Hijra des Propheten Mohammed nach Medina im Jahr 622 AD beginnt, nicht proleptisch.
Der Französische Revolutionskalender war ebenfalls nicht proleptisch. Er trat am 4. Frimaire II (24. November 1793) in Kraft – rückwirkend zum 1. Vendémiaire I (22. September 1792, Datum der Tagundnachtgleiche nach der Ausrufung der Ersten Französischen Republik am Vortag). Für die Zeit vor diesem Ursprungsdatum wurde weiterhin die Datierung des gregorianischen Kalenders verwendet.
Zum Problem der Datierung
Die Umrechnung eines Datums historischer Zeit- oder Kalendersysteme in ein julianisches wird durch einen je nach System mehr oder minder komplizierten Formelsatz ermöglicht, der anhand historischer Eckdaten ermittelt wird: Historische Datierungen (Angaben über Datum und Tageszeit) sind, weil es bis in das späte 20. Jahrhundert keine weltweit verbindliche Referenz über Gleichzeitigkeit gegeben hat, nur überlieferte Zuordnungen, die anhand der Quellenlage mit anderen zeitgleichen Ereignissen abgeglichen werden. Typische Eckdaten sind etwa astronomische Ereignisse (wie Sonnenfinsternisse), die auf heutigen Rechenmodellen basierend hinreichend präzise datiert werden können (astronomische Chronologie) und so Basis der Umrechnung gregorianisch-proleptischer Daten in die heutige Zeitskala sind.
Siehe auch
Literatur
- Ludwig Rohner: Kalendergeschichte und Kalender. Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion, Wiesbaden 1978, ISBN 3-7997-0692-5.
- Heinz Zemanek: Kalender und Chronologie. Bekanntes & Unbekanntes aus der Kalenderwissenschaft. 6. vollständig überarbeitete Auflage. R. Oldenbourg, München 2008, ISBN 978-3-486-22795-6.
Einzelnachweise
- Wilhelm Pape, Max Sengebusch (Bearb.): Handwörterbuch der griechischen Sprache. 3. Auflage, 6. Abdruck. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1914 (zeno.org [abgerufen am 3. Dezember 2018]).