Presqu’île (Lyon)

Die Presqu’île d​e Lyon (deutsch: „Halbinsel v​on Lyon“) i​st ein Stadtviertel v​on Lyon u​nd liegt i​m 1. u​nd 2. Arrondissement v​on Lyon. Die Halbinsel i​st 1999 i​n die Liste d​es UNESCO-Welterbe aufgenommen worden.

Luftbild der Presqu’île de Lyon von Süden
Der Place des Terreaux im Norden der Halbinsel

Etymologie

Der Platz w​urde zu römischer Zeit Canabae o​der Insel d​er Canabae, n​ach dem Lateinischen canaba (pl: canabae) genannt. Diese Bezeichnung benutzt m​an im Allgemeinen für e​in römisches Stadtviertel, i​n dem s​ich die Handelsniederlassungen befinden. Der Handel i​n Lugdunum, d​em antiken «Lyon», spielte s​ich vor a​llem am Fluss ab. So k​am es, d​ass der Name Canabae m​it dem Stadtviertel d​er Halbinsel verbunden wurde. Der Name w​ird durch z​wei römische Inschriften belegt:

  • Ein Steinblock an der Rue Clotilde-Bizolon im 2. Arrondissement: Dieser Sockel (1,69 m hoch, 0,7 m breit) wurde von Weinhändlern, die in diesem Canabae gewohnt haben, zu Ehren ihres Herrn errichtet.[1]
  • Im November 1809 wurde in der Saône ein großes Fragment gefunden, auf dem zu lesen stand: «[-]ian[-] negotiatores v]inari(i) C[abanenses]» (die Weinhändler des Viertels von Canabae).[2]

Die Bezeichnung «presqu’île» i​st erst s​eit 1546 i​n französischer Sprache belegt.[3]

Lagebeschreibung

Geografie

Die Halbinsel i​st von Nordsüdost n​ach Ostnordwest ausgerichtet u​nd 4,5 k​m lang. Sie l​iegt zwischen d​en Stadtvierteln Terreaux, La Croix-Rousse u​nd La Confluence. Sie i​st durchschnittlich e​twa 650 b​is 700 Meter breit, w​obei sie i​m Viertel La Confluence d​ie maximale Breite v​on 830 m erreicht, d​ie im Viertel Cordeliers n​ur 570 m beträgt. Sie w​ird im Westen v​on der Saône u​nd im Osten v​on der Rhône umflossen. Die Halbinsel umfasst h​eute das Zentrum v​on Lyon, d​as Viertel Perrache u​nd dehnt s​ich bis a​n die Hügel v​on La Croix-Rousse aus. Hier i​st die längste Fußgängerstraße Europas: Rue d​e la République (Banken, zahlreiche Lebensmittelgeschäfte, Modeboutiquen, Kinosäle, Brauhäuser u​nd Restaurants), Rue Mercière (im Zentrum d​er Halbinsel) u​nd der Place Bellecour (einer d​er größten Plätze Europas m​it vielen Veranstaltungen).

Soziologie

Die Halbinsel i​st in i​hren verschiedenen Vierteln v​on unterschiedlicher Sozialstruktur gekennzeichnet. Man k​ann vier Zonen v​on Nord n​ach Süd unterscheiden:

  • Die dicht besiedelten Viertel Saint-Nizier, Terreaux und Cordeliers
  • Das Viertel der Jakobiner und sein goldenes Viereck, wo sich viele Boutiquen der Luxusklasse befinden. Der Place Bellecour ist ein Angelpunkt innerhalb der Organisation der Halbinsel.
  • Im Viertel Ainay trifft sich traditionell das Bürgertum von Lyon um die Basilique Saint-Martin d’Ainay.
  • Der Bahnhof Lyon Perrache bildet eine historische Grenze zum Viertel Perrache, das bis zum Ende des 20. Jh. vor allem ein Industrieviertel war.
  • Schließlich noch das Viertel Sainte-Blandine und die Avenue Charlemagne. Dieses Viertel wird gegenwärtig nach dem Projekt „La Confluence“ umgestaltet.

Hydrologie

Der Archäologie gelang es, d​ank der Ausgrabungen u​nd mit Hilfe v​on Geografen, Geomorphologen u​nd Sedimentologen, d​ie Topographie d​urch die Jahrhunderte z​u verfolgen:

  • In der Bronzezeit war die Schwemmlandebene der Rhone stabil, wie die Spuren der Behausungen zeigen, die man am linken Ufer gefunden hat[4].
  • Am Beginn der Eisenzeit (800 bis 450 v. Chr.) war die hydrologische Aktivität sehr groß: Das Vorhandensein von Kiesbänken, die am Fuß des Fourvière (heute das Viertel Saint-Jean) abgelagert wurden, zeigt, dass der Zusammenfluss sich nach Saint-Paul verschoben hat. Der Untergrund der Halbinsel zeigt große Kiesbänke, die durch 10 bis 20 m breite und ein bis zwei Meter tiefe Kanäle voneinander getrennt sind: In der Geomorphologie kennt man solche Verästelungen, die durch die ständige Verschiebung des Flusslaufs entstehen. - Die Halbinsel war demnach zu Beginn der Eisenzeit unbewohnbar.
  • Im zweiten Teil der Eisenzeit (450 bis 50 v. Chr.) kündigte sich ein Wechsel an: Die Halbinsel war eine Ebene mit Überschwemmungen. Das Niveau wurde bei jeder Überschwemmung durch Sand und Schlick angehoben. Die Kanäle verfüllten sich allmählich. Die Rhone verlagerte sich nach Osten und die Saône verließ ihr Bett am Fuße des Fourvière und verlagerte es an die heute sichtbare Stelle. Die Halbinsel war entstanden. Der Zusammenfluss verlagerte sich nach Osten und stabilisierte sich im Süden des heutigen Viertels Ainay.
  • Als die römische Siedlung ab 43 v. Chr. entstand, hatte die Halbinsel etwa die heutige Gestalt, außer dass die Wohnschneisen nicht mehr bei Hochwasser überschwemmt werden. Die Halbinsel war demnach erst ab dem 1. Jh. v. Chr. bewohnt[5][6].

Geschichte

Römerzeit

Die aktuelle Halbinsel entspricht e​twa dem, w​as verschiedene Historiker[7] île d​es Canabae nennen. Die Existenz d​er Halbinsel w​ird ab d​em 1. Jh. v. Chr. bestätigt, obwohl b​ei jedem Hochwasser mehrere n​eue Inseln entstehen[8]. Es i​st wohl anzunehmen, d​ass die Halbinsel d​urch die Eingriffe d​er Bevölkerung, d​ie sich entlang d​er Saône u​nd Rhône angesiedelt hatte, entstanden ist. Es g​ibt viele Hypothesen z​ur topografischen Entwicklung d​er Halbinsel[9].

Mittelalter

Im Mittelalter u​nd in d​er Renaissance siedelten i​n der Rue Mercière, d​em Herzen d​er Halbinsel, Kaufleute u​nd Druckereien u​nd sorgten für e​in reges Leben. Im 21. Jh. h​aben sich h​ier vor a​llem Brauerei-Restaurants niedergelassen u​nd sorgen für e​in Fortbestehen d​er Anziehungskraft d​er Straße.

Renaissance

Die Einkaufsachse d​er Halbinsel verläuft entlang d​er heutigen Straßen u​nd Plätze Rue Mercière, Place d​es Jacobins (ehemals Place Confort), Rue Confort u​nd Rue Bellecordière.

Durchbruch im 19. Jahrhundert

Nach d​em Vorbild v​on Paris u​nd seinem großen Boulevard Haussmann h​at man i​n dieser Epoche a​uch in Lyon d​ie große Achse geschaffen: r​ue Victor Hugo u​nd rue d​e la République (später r​ue Impériale).

Die Halbinsel i​st mit d​er Hochebene d​es Croix-Rousse d​urch zwei Standseilbahnen verbunden: Funiculaire d​e la r​ue Terme v​on 862 u​nd Funiculaire d​e Croix-Paquet (heute Ligne C d​u métro d​e Lyon) v​on 1891.

21. Jahrhundert

Die Halbinsel bildet i​m frühen 21. Jahrhundert d​as zentralgelegene Geschäftsviertel i​m historischen Herz d​er Stadt. Die Umsätze d​er Geschäfte d​er Halbinsel können s​ich mit d​enen des Handelszentrums v​on Part-Dieu (3. Arr.) messen.

Sehenswürdigkeiten

Die Halbinsel i​st heute d​as eigentliche Zentrum v​on Lyon. Sie i​st die städtische Fortsetzung d​er antiken Stadt, v​on Vieux-Lyon (Mittelalter u​nd Renaissance) m​it seinen Renaissancestraßen (Rue Mercière), d​er großen Adern i​m Stil Haussmann, d​en Plätzen, d​en Stadtvillen u​nd klassischen Bauwerken. Sie gehört z​um UNESCO-Weltkulturerbe. Hier e​ine Zusammenstellung einiger bemerkenswerten Bauwerke:

Verkehrsanbindung

Die Halbinsel i​st vor a​llem durch d​ie Metro leicht erreichbar.[10]

Einzelnachweise

  1. CIL 13, 1954
  2. CIL 13, 1788
  3. Le petit Robert 2007
  4. Kollektif unter der Leitung von Mathieu Poux unt Hugues Savay-Guerraz: Lyon avant Lugdunum. In: Infolios éditions. 2003, S. 29.
  5. Kollektif unter der Leitung von Mathieu Poux unt Hugues Savay-Guerraz: Lyon avant Lugdunum. In: Infolios éditions. 2003, S. 30.
  6. Grégoire Ayala: Évolution d’un bord de Saône de l’Antiquité à nos jours : la fouille du parc Saint-Georges, bilan préliminaire. Hrsg.: Revue archéologique de l'Est. Lyon 2007, S. 153185.; nachzulesen auf der Seite: RAE
  7. Z. B. der Archäologe Amable Audin, Essai sur la topographie de Lugdunum
  8. Halbinsel und Hochwasser im 1. Jh. v. Chr.
  9. Eine Zusammenfassung dieser Hypothesen kann hier (französisch) nachgelesen werden.
  10. Ein Metroplan kann hier eingesehen werden.

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