Pierre Savorgnan de Brazza
Graf Pierre Savorgnan de Brazza (* 26. Januar 1852 in Rom; † 14. September 1905 in Dakar, Senegal) war ein französischer Marineoffizier und Afrikareisender italienischer Herkunft.
Leben
Brazza entstammte einem alten Adelsgeschlecht Italiens; der Afrikaforscher Giacomo di Brazzà war sein Bruder. Brazza wurde am Jesuitenkolleg in Paris erzogen und bekam dort mit 16 Jahren die französische Staatsbürgerschaft verliehen. Nach erfolgreichem Abschluss seiner Schulzeit besuchte Brazza die Militärakademie in Brest. 1870 trat er in die französische Marine ein, und bereits zwei Jahre später berief man ihn als Ordonnanzoffizier in den Stab von Admiral Du Quilio. Diesen Posten hatte Brazza bis 1874 inne, und während dieser Zeit diente er an der Küste von Amerika sowie in den französischen Kolonien am Senegal und Gabun.
Berühmt wurde Brazza durch seine erste Expedition nach Guinea. Zwischen 1876 und 1878 erforschte Brazza – teilweise zusammen mit dem Arzt Noel Ballay – das Gebiet um den Oberlauf des Ogooué. Nach vielen Schwierigkeiten gelang es Brazza Ende 1877, so weit vorzudringen, wie der Ogooué schiffbar ist. Bis zum Beginn der Regenzeit wandten sich Brazza und Ballay ost- und nordwärts, durch das Quellgebiet der Ströme Alima und Likona, welche bereits dem Kongo zufließen, bis Okanga (12° 45' östl. Länge).
Auf Betreiben der französischen Regierung unter Patrice de Mac-Mahon erhielt Brazza, bald nach seiner Rückkehr nach Frankreich, großzügige finanzielle Unterstützung (100.000 Francs) für eine weitere Forschungsreise. Er sollte Handelsstationen errichten, um die politischen Ansprüche Frankreichs zu manifestieren und den Fluss Kongo als Handelsroute zu erschließen.
Ende Dezember 1879 schiffte sich Brazza von neuem ein, drang erneut zum Oberlauf des Ogooué vor, errichtete bei Maschogo, am Einfluss des Mpassa in den Ogowe (2° südl. Breite), die erste Station (Franceville) und erreichte von da am 7. September 1880 den Stanley Pool (Kongo). Er schloss mit dem König (Makoko) der Batéké einen Vertrag ab und erhielt dafür ein Gebiet am nördlichen Ufer des Stanley Pool zur Anlage einer zweiten, nach ihm benannten Station Brazzaville, die er zum Ausgangspunkt der französischen Dampfer auf dem Kongo bestimmte. Er ging danach den Kongo hinunter und im Dezember 1880 wieder zum Gabun, von wo er nach wenigen Wochen von neuem zur Alima aufbrach, um dort eine dritte Station (Poste de l'Alima) zu gründen.
Auf dem kürzesten Weg begab er sich dann im Oktober 1881, ein noch unbekanntes Gebiet zwischen Ogowe und dem unteren Kongo durchschneidend, zur Küste und kehrte im Frühjahr 1882 nach Frankreich zurück, wo ihn die Regierung unter Jules Grévy mit einem Staatsempfang ehrte. Im März 1883 brach Brazza, dem die Regierung jetzt eine Unterstützung von 1.275.000 Francs bewilligte, erneut nach Westafrika auf und begab sich nach Pontanegra, südlich von der Kuilumündung, um diese durch Errichtung neuer Stationen mit den schon vorhandenen zu verbinden.
Kurz vor seinem Tod wurde Brazza wieder nach Französisch-Kongo geschickt, um zu klären, ob Anschuldigungen von Gräueltaten an Afrikanern, begangen durch französische Soldaten und Firmen zur forcierten (‚effektiven‘) Gewinnung von Kautschuk, der Wahrheit entsprechen (ähnlich Roger Casements Untersuchung in Belgisch-Kongo zwei Jahre zuvor). Er erhielt deutliche Hinweise auf brutalste Praktiken und schrieb dies nieder. Dieser Bericht wurde aber auf Wunsch der französischen Regierung geheim gehalten. 2014 wurde er mit einem Vorwort von Catherine Coquery-Vidrovitch als Taschenbuch veröffentlicht.[1]
Auf seinem Rückweg erkrankte Brazza an heftigem Fieber und verstarb im Alter von 53 Jahren am 14. September 1905 in Dakar (Senegal). Sein Leichnam wurde nach Paris überführt und mit einem Staatsbegräbnis auf dem Père Lachaise geehrt.
Brazza wird als seltene oder einzigartige Gestalt unter den frühen Kolonialisten in Afrika beschrieben, der seine Erwerbungen ohne Gewaltanwendung zusammentrug.
Im Jahre 2006 wurde durch die kongolesische Regierung für Brazza ein Mausoleum in der nach ihm benannten Stadt Brazzaville erbaut. Seine Asche, die 1908 nach Algier überführt worden war, wurde im Oktober 2006 dorthin überführt.[2]
Literatur
- Pierre Savorgnan de Brazza: Le Rapport Brazza. Mission d’enquête du Congo. Rapport et documents (1905–1907), Vorwort von Catherine Coquery-Vidrovitch, Neuvy-en-Champagne 2014. ISBN 978-2-36935-006-4.
- Maria Petringa: Brazzà, A Life for Africa. AuthorHouse, Bloomington IN 2006, ISBN 1-4259-1198-6.
- Thomas Pakenham: Der kauernde Löwe. Die Kolonialisierung Afrikas. 1876–1912. Econ-Verlag, Düsseldorf u. a. 1993, ISBN 3-430-17416-3.
- Didier Neuville, Charles Bréard: Les voyages de Savorgnan de Brazza. Ogôoué et Congo (1875–1882). Berger-Levrault, Paris 1884.
- Patrick Deville: Äquatoria. Auf den Spuren von Pierre Savorgnan de Brazza. Roman. Übersetzung Holger Fock und Sabine Müller. Bilger, Zürich 2013, ISBN 978-3-03762-028-1.
Weblinks
- Literatur von und über Pierre Savorgnan de Brazza im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeitungsartikel über Pierre Savorgnan de Brazza in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
- David Wiley: Final return to Congo, BBC-Bericht über die Überführung von Brazzas Asche nach Kongo, 23. September 2006
Einzelnachweise
- Le Rapport Brazza. Mission d’enquête du Congo. Rapport et documents (1905–1907) Le passager clandestin, abgerufen am 25. November 2015.
- Mark Doyle, Africa explorer's remains exhumed, BBC News, 30. September 2006