Phonofilm
Phonofilm hieß ein Tonfilmverfahren, das der US-amerikanische Techniker Lee de Forest bereits 1919 entwickelte. Es handelte sich dabei um ein Sound-on-film-System nach einem Prinzip, das fast zur gleichen Zeit, um 1919, auch von dem deutschen Erfindertrio Hans Vogt, Jo Engl und Joseph Masolle in ihrem „Tri-Ergon“-Verfahren angewandt wurde.[1]
Verfahren
Der vom Mikrophon aufgenommene Schall wird in elektrische Differenzen verwandelt und in Vakuumröhren verstärkt, so dass er eine Lampe steuern kann, die aus den elektrischen Differenzen Helligkeitsschwankungen macht. Diese werden über die Spaltoptik,[2] eine Art umgekehrtes Mikroskop, auf dem photographischen Film (daher im Englischen sound-on-film) abgebildet und dort neben der Bildinformation in Form einer schmalen Tonspur aufgezeichnet. Da die Toninformation in Gestalt von Schwankungen der Intensität des Lichtes enthalten ist, spricht man auch von Intensitätsverfahren, im Englischen von variable density.
Zur Wiedergabe wird die Tonspur auf dem ablaufende Bildfilm von einer mit konstanter Helligkeit brennenden Tonlampe durchleuchtet. Die darauf festgehaltenen Lichtintensitätsschwankungen setzt eine Photozelle wieder in elektrische Differenzen um, die verstärkt und durch Lautsprecher wieder in Schall verwandelt werden können.
Bedeutung
De Forests Beitrag zum Tonfilm besteht einmal in seiner Erfindung einer gasgefüllten Dreielektrodenröhre (Triode), dem auch für den Funkempfang verwendeten „Audion“, mit dem man schwache Signale verstärken konnte, zum anderen aber in der Verwirklichung des „photographierten Tons“ auf dem Bildfilm, der im Gegensatz zu allen Nadeltonsystemen,[3] die mit zwei verschiedenen Informationsträgern, dem Film für das Bild und der Grammophonplatte für den Ton, arbeiteten, keine Synchronisationsprobleme kennt. Hier sind Bild- und zugehörige Toninformation auf einem gemeinsamen Träger fest miteinander verbunden. Nichts kann auseinanderlaufen. Auch die Vervielfältigung wird vereinfacht, denn Bild- und Toninformationen können, da auf demselben Filmstreifen untergebracht, auch gemeinsam kopiert werden.
Zur Auswertung seiner Patente gründete De Forest eine Filmgesellschaft, die DeForest Phonofilm Co., mit der er zwischen 1923 und 1925 in den USA zahlreiche Kurztonfilme realisierte und über 30 Kinos weltweit mit Tonfilmapparaturen ausrüstete. Die kurzen Streifen, die zunächst nur hergestellt worden waren, um das Interesse der großen Studios zu erwecken, gelten heute als rare Dokumente der Geschichte des Jazz[4] und der Unterhaltungskultur.[5]
Ebenso ließ er Aktualitäten aufnehmen, z. B. die Politiker Al Smith und Franklin D. Roosevelt[6] mit ihren Wahlreden, oder den schwedischstämmigen Ozeanflieger Charles Lindbergh, den er sowohl bei seiner Abreise aus England[7] als auch bei seiner Ankunft in New York filmen ließ, wo er vom Oberbürgermeister Jimmy Walker am 13. Juni 1927 eine Medaille verliehen bekam;[8] auch die Ankunft des Duke of York in Farm Cove 1927 war Gegenstand eines Tonfilmberichtes, der am 12. Mai 1927 in Sydney im Lichtspielhaus „Lyceum“ gezeigt wurde.[9] Schließlich wurden 1928 auch die Feierlichkeiten zum Tag des Waffenstillstands auf Phonofilm festgehalten und von der British Sound Film Corporation verliehen.[10]
Auch für die Filmkunst setzte DeForest sein Tonsystem ein. „Plastigrams“, ein experimenteller 3-D-Film der Erfinder Frederick Ives und Jacob Leventhal von 1922,[11] wurde 1924 ebenso mit einer Tonspur ausgestattet wie „Siegfried“, Fritz Langs erster Teil der „Nibelungen“, der bei seiner amerikanischen Premiere in New York am 23. August 1925 mit einer Orchestermusik auf Lichtton begleitet wurde.[12]
Aber obwohl seine Apparate zufriedenstellend arbeiteten und obwohl Produzent Adolph Zukor schon 1923 anlässlich der Aufführung der beiden abendfüllenden, nach dem Phonofilm-System vertonten[13] “Paramount”-Filme The Covered Wagon und Bella Donna eine für das Lichttonverfahren werbende Einführungsansprache gehalten hatte,[14] blieb die notwendige Kapitaldeckung seitens der Investoren aus. Hollywood zeigte an DeForest kaum Interesse ; 1928 musste er seine Patente verkaufen. Ähnlich war es auch den deutschen Erfindern von “Tri-Ergon” ergangen, die ihr Patent schon 1926 an Fox verkaufen mussten, weil die deutsche Filmindustrie damals nicht daran interessiert war.[15]
Die frühe deutsch-britische Tonfilm-Koproduktion “Der rote Kreis” von Friedrich Zelnik[16] nach dem Kriminalroman von Edgar Wallace wurde 1929 nach dem DeForest Phonofilm-Verfahren hergestellt.[17]
Literatur
- Randy Alfred: March 12, 1923: Talkies Talk … on Their Own. In: Science. 3. Dezember 2008.
- James zu Hüningen : Phonofilm. In: Lexikon der Filmbegriffe. (zuletzt geändert am 13. Oktober 2012)
- Tony Martin-Jones: Phonofilming the Duke of York opening Australia’s Federal Parliament. In: Film history index. Edition 3.1 (vom 16. Juli 2014). (online auf: apex.net.au)
- John Reid: Films Famous, Fanciful, Frolicsome & Fantastic (= Hollywood classics. Band 15). Verlag Lulu.com, 2006, ISBN 1-4116-8915-1.
- Jan Reetze: Medienwelten: Schein und Wirklichkeit in Bild und Ton. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-84932-9, S. 34 f.
- Friedrich von Zglinicki: Der Weg des Films. Geschichte der Kinematographie und ihrer Vorläufer. Rembrandt Verlag, Berlin 1956.
Weblinks
- Liste von De Forest Phonofilms (243 Titles)
- youtube.com A Few Moments With Eddie Cantor. De Forest Phonofilm made at the midtown Manhattan studio in 1923.
- youtube.com Bard and Pearl (Vaudeville stars Jack Pearl and Ben Bard perform one of their routines) – early 1923 experimental Sound-on-film (phono film) by Lee DeForest. Played in NYC at the Rivoli theatre.
- youtube.com The Victoria Girls perform the Doll Dance: De Forest Phonofilm made at DeForest’s Clapham studio in 1928. Directed by Hugh Croise.
Abbildungen:
- Photo von Lee deForest vor der Lichttonkamera, eine Röhre in der Hand haltend, mit seinem Assistenten Owen Freeman.
- Photo von Lee deForest mit seiner Tonfilm-Aufnahmeapparatur (Mikrophon, Tonkamera), ca. 1925 (Science Photo Library No.19709)
- Photo von Lee deForest vor seinem Tonfilmprojektor
- Phonofilm von Lee deForest mit Lichttonspur in Intensitätsschrift (Variable Density Format)
- Plakat der DeForest Phonofilms
- Kinoplakat des australischen Lichtspieltheaters “Strand” in Newcastle, New South Wales, für eine Vorführung von “DeForest Phonofilms (Talking Pictures)” mit einer gefilmten Ansprache des Herzogs von York 1927: See and hear the Duke on the screen !
Einzelnachweise
- siehe medienkunstnetz.de
- vgl. fernsehmuseum.info
- vgl. Hans Jürgen Wulff und Georg Maas, Artikel „Nadelton“ im Lexikon der Filmbegriffe
- Z.B. Filme wie Songs of Yesterday (1922), Noble Sissle and Eubie Blake Sing Snappy Songs (1923), und Ben Bernie and All the Lads (1925)
- darauf sind Repräsentanten des Musicals und des Varietés in den USA festgehalten, z. B. A Few Moments with Eddie Cantor (1923), die Vaudeville stars Jack Pearl und Ben Bard mit einem ihrer Bühnensketche, der yiddish sprechende Rezitator Monroe Silver mit seiner Szene „Cohn am Telephon“, oder die „Victoria Girls“, die 1928 ihr famous dancing medley, Nacio Herb Browns “The Doll Dance”, darboten.
- Al Smith and Franklin D. Roosevelt were filmed during the 1924 Democratic National Convention, held June 24 to July 9 at Madison Square Garden in New York City. Coolidge became the first U. S. President to appear in a sound motion picture when DeForest filmed him at the White House on 11 August 1924. Vgl. deforestradio.com
- Charles Lindbergh (1927) filmed at Clapham Studios in London on Lindbergh’s departure from the UK. Vgl. deforestradio.com
- Charles Lindbergh Reception (1927) Lindbergh receives Medal of Valor from NYC mayor Jimmy Walker on June 13, 1927 Vgl. deforestradio.com
- The Duke and Duchess of York Arrive at Farm Cove (1927) film first shown 12 May 1927 at the Lyceum in Sydney, Australia. Vgl. deforestradio.com
- Armistice Day of 1928 (1928) produced by Phonofilms (Singapore) and released by British Sound Film Corporation. Vgl. deforestradio.com
- Vgl. deforestradio.com : “Plastigrams” (1924) 1922 experimental 3-D film by Frederick Ives and Jacob Leventhal, re-released with Phonofilm soundtrack on 22 September 1924 – vgl. auch H.J.Wulff, Artikel “Plastigram” im Lexikon der Filmbegriffe, Reid S. 15.
- “Die Niebelungen”[sic] (1924), part I, „Siegfried“ (only at the U.S. premiere in NYC on August 23, 1925). Vgl. deforestradio.com
- Unklar ist, ob ganz oder nur teilweise, vgl.: A musical soundtrack was recorded in the short-lived DeForest Phonofilm sound-on-film process, but sources vary on whether this record soundtrack was of the entire score or about two reels worth of the film. The Phonofilm version of the film was only shown this way at the premiere at the Rivoli Theater in New York City. Vgl. en.wiki
- Adolph Zukor Introduces Phonofilm (1923) for release of The Covered Wagon and Bella Donna, two Paramount Pictures feature films with soundtracks filmed in Phonofilm. Vgl. deforestradio.com
- vgl. Zglinicki S. 629 f.
- Originaltitel The crimson circle, in Deutschland auch “Rund um Europa”. Beteiligt waren: British International Pictures (BIP), British Sound Film Productions und Efzet Film, vgl. IMDb und filmportal.de
- vgl. „Der rote Kreis“. In: „Illustrierter Film-Kurier“ (Berlin), Herausgeber: „Film-Kurier“ G.m.b.H., Verlag Alfred Weiner, Nr. 1095, März 1929, S. 8 ; es kamen aber auch noch stumme Kopien in den Verleih.