Pfyner Kultur
Die Pfyner Kultur, benannt nach dem Fundort Pfyn im Kanton Thurgau, war eine jungneolithische Kultur des Alpenvorlands, ca. 3900 bis 3500 v. Chr. Kupfer wurde bereits sowohl für Schmuck als auch für Werkzeuge (Beilklingen) verwendet ( Chalkolithikum). Ötzis Beil unterscheidet sich nur geringfügig von Beilen aus der Pfyner Kultur.
Die Pfyner Kultur entstand am Südrand der späten Michelsberger Kultur und folgte in der Bodenseeregion der Hornstaader Gruppe. Sie breitete sich auch ins östliche Schweizer Mittelland aus, wo sie z. B. am Zürichsee die Cortaillod-Kultur ablöste. In Oberschwaben bildete die Pfyn-Altheimer Gruppe den Übergang zur Altheimer Gruppe im südlichen Bayern.
Nach 3500 v. Chr. werden Einflüsse der Boleráz-Phase der Badener Kultur erkennbar. Die Forschungsergebnisse des Fundorts Arbon-Bleiche 3 (3384–3370 v. Chr.) in Arbon – die Nummer 3 bezieht sich auf die 3. Fundstelle am Ufer der heute stark verlandeten Bucht – legen sogar eine Einwanderung aus dem Bereich Niederösterreich/Slowakei/Westungarn nahe. Zum Beispiel zeigen die beiden Dorfhälften in Arbon deutliche Unterschiede in der Wirtschaftsweise, die sich am besten dadurch erklären lassen, dass in der einen Dorfhälfte Einwanderer lebten. Einige Merkmale der nachfolgenden Horgener Kultur lassen sich durch diesen östlichen Einfluss erklären.
Pfyn ist eine der Kulturen mit Feuchtbodensiedlungen, die auch als Pfahlbauten bekannt wurden. Typisch für die Pfyner Kultur sind flachbodige, kaum verzierte Gefäße. Einer der am besten untersuchten Plätze ist die Siedlung Niederwil in der Gemeinde Gachnang. In Baden-Württemberg ist für diese Kultur die Moorsiedlung Reute-Schorrenried von Belang. Es handelt sich dabei um eine Feuchtbodensiedlung des 38. Jahrhunderts v. Chr. im Bad Waldseer Ortsteil Reute. Berühmt geworden ist Reute-Schorrenried durch den Fund eines Kupferdolches.
2007 nahm das Schweizer Fernsehen die Pfyner Kultur zum Anlass, um in Form eines Living-Science-Projekts zehn Personen während eines Monats in die Steinzeit zurückzuversetzen. (siehe Pfahlbauer von Pfyn)
Literatur
- Annick de Capitani, Sabine Deschler-Erb, Urs Leuzinger, Elisabeth Marti-Grädel, Jörg Schibler: Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon, Bleiche 3. Funde (= Archäologie im Thurgau. 11). Amt für Archäologie, Frauenfeld 2002, ISBN 3-905405-10-5.
- Stefanie Jacomet, Urs Leuzinger, Jörg Schibler (Hrsg.): Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon, Bleiche 3. Umwelt und Wirtschaft (= Archäologie im Thurgau. 12). Amt für Archäologie, Frauenfeld 2004, ISBN 3-905405-12-1.
- Urs Leuzinger: Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon, Bleiche 3. Befunde (= Archäologie im Thurgau. 9). Amt für Archäologie, Frauenfeld 2000, ISBN 3-905405-08-3 (Zugleich: Bern, Universität, Dissertation, 1999).
- Urs Leuzinger: Pfyn-Breitenloo. Die jungsteinzeitliche Pfahlbausiedlung (= Archäologie im Thurgau. 14). Amt für Archäologie, Frauenfeld 2007, ISBN 978-3-905405-16-3.
- Helmut Schlichtherle, Rolf Rottländer: Gußtiegel der Pfyner Kultur in Südwestdeutschland. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg. 7, 1982, ISSN 0071-9897, S. 59–71. (online).
- Robin Peters: Demographisch-kulturelle Zyklen im Neolithikum. Die Bandkeramik im Rheinland und die Pfyner Kultur am Bodensee. Archäologische Informationen 35, (2012) 327–335 ( auf researchgate.net)
- Guntram Schönfeld: Im Tal des Verlorenen Baches: Siedlungen der Jungsteinzeit in feuchten Talauen Bayerns. In: Helmut Schlichtherle (Hrsg.): Pfahlbauten rund um die Alpen (= Archäologie in Deutschland. Sonderheft. 1997). Theiss, Stuttgart 1997, ISBN 3-8062-1146-9, S. 81–87.
- Harm T. Waterbolk u. a.: Niederwil, eine Siedlung der Pfyner Kultur. Paul Haupt, Bern u. a. 1978 ff.
- René Wyss: Die Pfyner Kultur (= Aus dem Schweizerischen Landesmuseum. 26, ZDB-ID 1190122-6). Paul Haupt, Bern 1970.
- Josef Winiger: Feldmeilen-Vorderfeld. Der Übergang von der Pfyner zur Horgener Kultur (= Antiqua. 8, ZDB-ID 194744-8). Huber, Frauenfeld 1981.
- Josef Winiger: Das Fundmaterial von Thayngen-Weier im Rahmen der Pfyner Kultur (= Monographien zur Ur- und Frühgeschichte der Schweiz. 18). Birkhäuser, Basel 1971, ISBN 3-7643-0579-7 (Zugleich: Zürich, Universität, Dissertation, 1971).