Page One

Page One i​st ein Jazz-Album v​on Joe Henderson. Es w​urde am 3. Juni 1963 i​n Englewood Cliffs aufgenommen u​nd 1963 a​uf Blue Note Records veröffentlicht.

Das Album

Page One war das Debütalbum[1] des Tenorsaxophonisten Joe Henderson, der erst im Spätsommer 1962 nach seiner Entlassung aus der US-Army nach New York gekommen war. Der Trompeter Kenny Dorham führte ihn in die dortige Jazzszene ein und machte ihn zum Mitglied seines Quintetts. Im April 1963 entstand unter Dorhams Leitung das Blue Note-Album Una Mas mit Henderson, Butch Warren, Herbie Hancock und Tony Williams. Am 3. Juni 1963 gingen die Musiker in ähnlicher Besetzung mit dem Schlagzeuger Pete LaRoca und dem Pianisten McCoy Tyner ins Studio, der aus Kontraktgründen auf dem damaligen LP-Cover nicht aufgeführt wurde.[2]

Da d​ie Juni-Session u​nter Hendersons Leitung s​ehr erfolgreich verlief, z​ogen Alfred Lion u​nd Francis Wolff d​ie Veröffentlichung d​es Materials v​or und brachten zuerst Page One a​uf den Markt; e​s wurde – n​icht zuletzt d​urch den Titel „Blue Bossa“ – z​u einem d​er erfolgreichsten Alben d​es Labels u​nd gehört inzwischen z​u den klassischen Alben dieser Ära. Insgesamt n​ahm das Dorham/Henderson-Quintett fünf Alben auf.

Bekannteste Titel d​es Albums wurden d​ie beiden Bossa-Nova-Kompositionen Dorhams u​nd Hendersons, d​as Titelstück „Blue Bossa“ u​nd „Recorda Me“ (portugiesisch „denk a​n mich“), d​en der Saxophonist bereits 1955 n​ach Ende seiner Highschool-Zeit schrieb. „Recorda Me“ verbinde d​as Fließende d​es Bossa Nova-Feeling m​it Jazztechniken, schrieb Kenny Dorham i​n den Liner Notes. Auf seinem Jobim-Album Double Rainbow v​on 1995 n​ahm Henderson d​iese Verbindung wieder auf. „Jinrikisha“, ebenfalls e​ine Henderson-Komposition, i​st nach e​iner dämonischen chinesischen Karte benannt u​nd wird v​on der Band i​m mittleren Tempo gespielt. Tyner s​etzt sparsame akkordische Akzente.

Joe Henderson

In „La Mesha“ erforschte Henderson „auf dramatische Weise die Melodie; innerhalb der Phrasen der Melodie offenbart er kraftvolle Soli, eine Art Melange aus Thema und Variationen hierzu“, schrieb Zan Stewart. Hendersons Blues „Out of the Night“, bereits 1957 geschrieben, „gebraucht Phrasen mit ausgedehnten Noten und einem Gespür für Raum, indem er Spannung aufbaut, die erst mit den schnelleren, dichteren Passagen abgebaut wird.“[3] Stewart betont auch die Leichtigkeit des Pianospiels Tyners, verglichen mit der Intensität seines späteren Werkes. Das Stück endet mit einem kurzen Solo Tyners und einem Unisono-Vortrag des Themas durch die beiden Bläser. Dorhams Titel „Blue Bossa“ wurde zu einem der bekanntesten Titel Joe Hendersons und zu einem Jazzstandard, der Interpretationen durch Musiker wie Jay Jay Johnson, Kenny Burrell, Tommy Flanagan, Chick Corea und Bobby McFerrin sowie Ray Brown und Ernestine Anderson erfuhr.

Bewertung des Albums

McCoy Tyner (1973)

Richard Cook und Brian Morton schrieben 2001 in ihrer Würdigung des Albums im Penguin Guide to Jazz, das sie mit der Höchstnote von vier Sternen auszeichneten: Joe Henderson ist immer in der Mitte eines großartigen Solos. Er ist ein thematischer Spieler, der sich mit methodischer Intensität durch die Strukturen der Kompositionen arbeite; aber er ist auch ein meisterhafter licks-Spieler, der über einen anscheinend endlosen Vorrat an Phrasen verfüge, mit denen er der Herausforderung jeder Post-Bop-Session begegne. Dies gibt seinen besten Improvisationen die Balance zwischen Überraschung, Unmittelbarkeit und Stimmigkeit, über die nur wenige Saxophonisten verfügen. Bei dem Album Page One sei einfach alles, sogar das hingeworfene Blues Homestretch ausdrucksstark ausgeführt. Tyner, Warren und LaRoca waren eine Rhythmusgruppe, die zwar nur selten miteinander spielte, hier aber sehr gut harmoniere, wie es auch der (sonst) unkalkulierbare Dorham tue.

Die Titel

  • Joe Henderson/Kenny Dorham Quintett - Page One (Blue Note BLP 4140 und BST 84140)
  1. „Blue Bossa“ (Kenny Dorham) – 8:03
  2. „La Mesha“ (Dorham) – 9:10
  3. „Homestretch“ – 4:15
  4. „Recorda Me“ – 6:03
  5. „Jinrikisha“ – 7:24
  6. „Out of the Night“ – 7:23

Alle weiteren Kompositionen stammen v​on Joe Henderson. Die Liner Notes z​u dem Original-Album schrieb Kenny Dorham.

Diskographische Hinweise

Das Album w​urde im Jahr 2003 i​n der Reihe The Rudy Van Gelder Edition n​eu herausgegeben, versehen m​it neuen Liner Notes v​on Bob Blumenthal.

Quellen

  • Richard Cook, Brian Morton: The Penguin Guide to Jazz on CD. 6. Auflage. Penguin, London 2002, ISBN 0-14-051521-6.
  • Bob Blumenthal: liner notes Neuausgabe 2006
  • Kenny Dorham, Original liner notes 1963.
  • Zan Stewart, liner notes des Blue Note-Albums Joe Henderson - Ballads & Blues (1997).

Einzelnachweise

  1. 1962 erschien laut All Music Guide auf Capitol Records das Album You'd Be So Nice to Come Home To von Joe Henderson; die Diskographien über Henderson (http://www.Jazzdisco.org und http://www.jazzdiscography.com) erwähnen dieses Album jedoch nicht. Vgl. All Music Guide
  2. Tyner war zu dieser Zeit bei Impulse! Records unter Vertrag; auf dem Front-Cover hieß es daher "Joe Henderson - Page One - Kenny Dorham, Butch Warren, Pete LaRoca/etc".
  3. zit. nach Zan Stewart, liner notes.
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