Nervosität
Nervosität ist eine innere Gemütsverfassung von Menschen (und auch Tieren) (synonym Unruhe), die sich durch Entfernung vom Ruhezustand und Verringerung oder Verlust der Gelassenheit darstellt. Kennzeichnend für diese häufig umgangssprachlich benutzte Bezeichnung ist die verbreitete und eingebürgerte weitgehend wissenschaftsgeschichtliche Hypothese einer psychophysischen Korrelation, das heißt eines Zusammenhangs zwischen Nervenfunktionen und seelischem Befinden bzw. Gemütsverfassung.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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R45.0 | Nervosität |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Die innere „nervöse Verfassung“ kann sich nach außen sichtbar machen, durch erkennbare Unruhe wie z. B.:
- schnelle Augenbewegungen, Lidflattern,
- unruhige Hand- und Armhaltung,
- Hin- und Herlaufen,
- veränderte, angehobene Stimmlage und schnelles, weniger kontrolliertes Sprechen,
- Schweißausbrüche
- Herzrasen
- Zittern
- sonstige Kontroll-Verringerung,
- viele weitere Äußerungen der Körpersprache.
Diese Symptomatik ist als variabel und vielgestaltig anzusehen.
Ausgelöst werden kann Nervosität durch Spannungssituationen (z. B. Prüfungen, bevorstehende schwierige Lebenssituationen oder Gespräche).
Nervosität kann aber auch ein Wesenszug sein, der dem Charakter eines Menschen (oder Tieres: bei Pferden z. B.) zukommt.
Umgangssprachliche Bezeichnungen sind „Nervenleiden“ als Synonym für psychische Krankheit oder „Nervenkrise“ als Synonym für eine stärkere seelische Reaktion auf ein als belastend empfundenes Erlebnis oder als Ausdruck einer subjektiv als kritisch empfundenen Lebensphase.[1]
Auch für die medizinische Diagnose und Therapie ist Nervosität (etwa im Sinne von Unruhezustand[2]) ein gängiger Begriff.
Geschichte
Nervosität ist eine vor allem im deutschen und englischen Sprachraum auf wissenschaftsgeschichtlichem Hintergrund beruhende Bezeichnung. Die Annahme der Somatiker, dass Nervenfunktionen das seelische Befinden ausmachen, geht zwar schon auf die Antike zurück, es kam jedoch vor allem im 18. Jahrhundert zu einer allgemein verbreiteten Annahme dieser Thesen. Vertreter dieser Theorien waren u. a. George Cheyne und William Cullen. Cullen prägte den Begriff der Neurose.[3] Auch heute noch in Deutschland gebräuchliche umgangssprachliche Bezeichnungen wie „Spleen“ gehen auf diese Zeit zurück.[4] Später wurde auch die Bezeichnung Neurasthenie für nervöse Störungen verwendet, die mit verändertem seelischem Befinden einhergehen.
Literatur
- Paul Julius Möbius: Die Nervosität. Leipzig 1882.
Weblinks
Einzelnachweise
- Nervenkrise. und Nervenleiden. In: Uwe Henrik Peters: Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie. 3. Auflage. Urban & Schwarzenberg, München 1984, S. 368.
- Martin Lindig: Schmerz, Sedierung und Narkose. In: Jörg Braun, Roland Preuss (Hrsg.): Klinikleitfaden Intensivmedizin. 9. Auflage. Elsevier, München 2016, ISBN 978-3-437-23763-8, S. 581–618, hier: S. 588 (Therapie bei Unruhezuständen, Psychose und Delir).
- William Cullen: First Lines of the Practise of Physic, for the Use of Students. 1777.
- George Cheyne: The English Malady. or, A Treatise of Nervous Diseases of All Kinds, as Spleen, Vapours, Lowness of Spirits, Hypochondriacal and Hysterical Distempers with the Author’s own Case at large. Dublin 1733. (Facsimile: Eric T. Carlson (Hrsg.), Scholars’ Facsimiles & Reprints, 1976, ISBN 0-8201-1281-X)