Muff (Kleidung)
Ein Muff (abgeleitet von lat. muffula für Pelzhandschuh), im Oberdeutschen (1793) Stützel, Stutzer, ein Schlupfer oder Schliefer, auch ein Stauch oder Staucher genannt,[1] ist ein röhrenförmiges Bekleidungsaccessoire, in das die Hände von beiden Seiten hineingesteckt werden, um sie warm zu halten. In der Regel besteht er aus Pelz, seltener aus Stoff oder Strick. Meist ist er zusätzlich warm ausgefüttert, in den besseren Qualitäten mit einem Daunenfederbeutel. Er hat entweder eine Schlaufe, um ihn in der Hand halten zu können, oder eine lange Kordel, mit der er um den Hals getragen werden kann. Meist ist ein kleines Geldtäschchen eingearbeitet.
Es werden auch Mufftaschen hergestellt, Taschen, denen man die zusätzliche Funktion als Muff nicht ohne Weiteres ansieht. Noch in den 1980er Jahren war meist ein kleiner Taschenspiegel beigelegt, rückseitig eventuell mit einem Firmeneindruck versehen.[2]
Geschichte
Muffe wurden früher vor allem vom Bürgertum und den gehobenen Ständen statt Handschuhen getragen. Heute sind sie weitgehend aus der Mode gekommen.
Die wohl erste bekannte Abbildung eines Muffs findet sich in England im Jahr 1567 mit dem Abdruck einer modisch gekleideten Dame. Die zugehörenden vier Verszeilen beziehen sich auf ihren Hut, nicht auf den an einer langen Kordel bis zu den Knien hängenden Muff.[3] Erwähnt wurde ein Muff im Jahr 1590 in einem Buch über venezianische Trachten. Im 17. Jahrhundert wurde er auch in Deutschland und Frankreich bei den höheren Ständen populär, und zwar bei Männern wie Frauen gleichermaßen. Ende des 18. Jahrhunderts waren Muffe in der Mode von größter Bedeutung. Bis in dieses Jahrhundert war für den Handwärmer auch die Bezeichnung „Schlupfer“ gebräuchlich.[4] Besondere Kenntnis über die Muffkreationen in der Mitte des 17. Jahrhunderts sind uns durch die vielen detaillierten Stiche des Wenzeslaus Hollar überliefert.[5] Im 19. Jahrhundert wurde der Muff zu einem reinen Damen-Accessoire.
Seit etwa nach 1860 behielt der Muff die kleine Form, gelegentlich war er flach, meist aber glich er einer Rolle. Ab etwa 1910 wurde er wieder größer, für wenige Jahre bis zu Ausmaßen in Kissengröße, wie er sie schon einmal im 18. Jahrhundert erreicht hatte. Dabei blieb er jedoch flach. Man nannte ihn Taschenmuff, „weil man darin wie in einer tiefen Tasche allerhand unterbringen kann“. Die eigentliche Kombination von Muff und Tasche, die Mufftasche, kam erst um 1935 auf. „Der große Taschenmuff wurde nur wenige Jahre von der Mode propagiert. Langsam geriet er weniger in Gebrauch, wurde vorübergehend als Melonenform beliebt und spielte in den 1930er Jahren wieder eine kleine Rolle. In diesem Format verharrte er, bald flach, bald rund, bald trapezförmig, erlangt aber, ohne aus der Mode zu kommen, nicht mehr die Bedeutung, die er noch in der Frühzeit des 20. Jahrhunderts hat, da bequem geschnittene Taschen in Mantel oder Jacke oder breite Pelzstulpen an den Ärmeln einen Ersatz bilden.“ - Dies eine Einschätzung aus dem Jahr 1957.[6]
Der 1884 geborene Kürschner Wilhelm Schnell berichtete aus seinen ersten Gesellenjahren im heute rumänischen Kronstadt: „Die wenige Galanteriearbeit, die gemacht wurde, sah unschön aus, die Muffen wurden nur mit Watte gefüttert. Als der Geschäftsführer einmal einen Persianermuff aus Wien zeigte, der auf Daunen gefüttert war, blieb uns beinahe der Verstand stehen. Als er ihn nun in eine Ecke warf und er die gleiche Form behielt, waren wir sprachlos. Trotz alledem wurden keine Daunenbeutel angeschafft, man ging vom Gewohnten nicht ab“.[7]
Die Idee, perfekt geformte Muffe auf Holzblöcken herzustellen, nehmen die Wiener Kürschner für sich in Anspruch: „Die Erfindung, Muffe auf Stöcken zu machen (Wiener Stockmuff, 1883) ist ein Verdienst des heimischen Gewerbes und heute können wir mit Stolz sagen, daß die Wiener Kürschnerkunst vor aller Welt in Ehren bestehen kann und was Geschmack anbelangt, an erster Stelle steht“.[8]
Seit etwa in den 1890er Jahren waren Muffe häufig auch mit Köpfen und Schwänzen der verwendeten Fellart versehen.[9] Um 1910 war der Muff Teil der Pelzgarnitur und gehörte zwingend zur eleganten weiblichen Wintergarderobe, um 1939 endete mit der veränderten Lebensweise durch besser beheizte Wohnungen und geschlossene Kraftfahrzeuge die ganz große Epoche des Muffs, einen zwar wärmenden aber wenig dekorativen Ersatz bildeten die Pelzhandschuhe.[10]
Nicht nur die Mufftasche, auch ein einfacher Muff weist meist ein kleines Täschchen auf, ausreichend für ein Taschentuch. Praktischerweise sollte der Muff einen sogenannten Muffhalter aufweisen, einen Henkel, mit dem der gerade nicht gebrauchte Muff bequem in einer Hand getragen werden kann.[11]
Die Firma Keskari, die einen Gebrauchsmusterschutz für Mufftaschen besaß, ließ 1959 eine Umfrage unter Berücksichtigung der verschiedenen Einkommensschichten und Altersgruppen durchführen, welche Chancen der Muff am deutschen Markt hat. Auf die Frage, was gegen die Anschaffung eines Muffs spräche, antworteten rund 47 Prozent „nicht mehr üblich“, 21 Prozent gaben an der Muff sei unpraktisch und 19 Prozent fanden ihn zu teuer. 17 Prozent der befragten Damen besaßen einen Muff.[12] Jedoch wurden in den Modenschauen der großen Couturiers in den darauffolgenden Jahrzehnten immer wieder einmal Muffe gezeigt.
- Keramik der chinesischen Han-Dynastie, 202 vor bis 220 n. Chr.
- Überdimensionale Muffe unterstrichen die Eleganz der Empiremode.
- Herrenmuff, Kanton Zürich
(frühes 18. Jahrhundert) - Dame mit ausgefallen gearbeitetem Polarfuchsmuff. Über dem Muff scheint ein junger Fuchs hervorzuschauen (Berlin, 1912).
- Margarethe Ludendorff mit Opossumfellmuff (1915)
- Österreichischer Soldat mit Muff, Fell innen (um 1916)
- Saison 1900–1901.
Illustrirter Modewaren-Bericht der Firma Kastner & Öhler, Graz - Mufftaschenkollektion zum Beziehen mit Pelz (Firma Keskari, vor 1940?)
- Zuschnitt für einen Muff aus dem Balg eines Haubentauchers (Vogelart), 1895
- Alter Tonnenmuff-Block, um 1900
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. 1793. Zuletzt abgerufen 5. Januar 2019.
- Mufftaschenspiegel der ehemaligen Kürschnerei Biel, Bad Hersfeld.
- Elizabeth Ewing: Fur in Dress. B. T. Batsford Ltd, London 1981, S. 53 (englisch). Primärquelle: L'angloyse. In: Receuil de la diversité des habits qui sont à present en usage, 1567 (Victoria and Albert Museum) → Abb.
- Ohne Autorenangabe: Historisches vom Muff. In: Tageszeitung Der Rauchwarenmarkt Nr. 81, 4. April 1922, S. 29.
- Muffe in Stichen des Wenzeslaus Hollar.
- Eva Nienholdt: Pelzmoden des 20. Jahrhunderts. Kapitel VIII der Beitragsfolge: Pelz in der europäischen Kleidung. Vorgeschichtliche Zeit bis Gegenwart. In: Das Pelzgewerbe Nr. 5, 1957, S. 215.
- Wilhelm Schnell: Wilhelm Schnell, Berlin. In: Die deutsche Pelzindustrie und ihre Verbände 1900–1940, Versuch einer Geschichte. Berlin 1941 Band 4. Durchschrift des Originalmanuskripts, S. 290 (→ Inhaltsverzeichnis).
- Johann Illy: Das älteste Gewerbe (Die Entwicklung der Kürschnerkunst). In: Jahrbuch der Kürschner, Rauchwarenfärber, Kappenmacher und Zurichter Österreichs, 1927. Verlag der Genossenschaft der Kürschner, Rauchwarenfärber, Kappenmacher und Zurichter in Wien, S. 20.
- Elizabeth Ewing: Fur in Dress. B. T. Batsford Ltd, London 1981, S. 113 (englisch). Primärquelle Anne Buch: Victorian Fashions and Fashion Accessoires.
- Francis Weiss: From Adam to Madam. Aus dem Originalmanuskript Teil 2 (von 2), im Manuskript S. 177 (engl.)
- Ohne Autorenangabe: Zutaten für die Pelzverarbeitung. In: Die Kürschnerfibel Nr. 3, Beilage zur Kürschner-Zeitung Nr. 9, Verlag Alexander Duncker, Leipzig, 21. März 1938, S. 31–32.
- Ingeborg Heider: Kann der Muff wieder modern werden? In: Die Pelzwirtschaft, Nr. 10, Oktober 1959, S. 376–377. Eine Umfrage des Instituts für Werbepsychologie und Markterkundung, Frankfurt am Main unter 1000 Frauen.