Mord (Schweiz)
Mord bezeichnet in der Schweiz ein Tötungsdelikt, das als Qualifikation der vorsätzlichen Tötung betrachtet wird.
Systematik
Das schweizerische Strafgesetzbuch kennt für vorsätzliche Tötungsdelikte eine Dreiteilung: Das Grunddelikt ist die vorsätzliche Tötung nach Art. 111 Strafgesetzbuch (StGB), daneben gibt es den qualifizierten Tatbestand Mord nach Art. 112 StGB sowie den privilegierten Tatbestand Totschlag nach Art. 113 StGB. Die Auffassung, dass die drei Artikel Qualifikationsstufen desselben Deliktes und nicht drei eigenständige Delikte beschreiben, ist in Lehre und Praxis unbestritten.
Diese Grundkonzeption basiert wie das gesamte Strafgesetzbuch auf Entwürfen des Schweizer Strafrechtlers Carl Stooss.
Mordbegriff
Die Mordqualifikation ist wie folgt umschrieben: „Handelt der Täter besonders skrupellos, sind namentlich sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung besonders verwerflich, so ist die Strafe lebenslängliche Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.“ Die Tat muss also das Mass an Verwerflichkeit, das jedem Tötungsdelikt ohnehin innewohnt, noch übersteigen. Das Gesetz nennt keine fest umrissenen Mordmerkmale, sondern lässt dem Gericht bei der Qualifikation einen Ermessensspielraum. Der Strafrahmen für Mord reicht von 10 Jahren Freiheitsstrafe bis zu lebenslänglich. In der Praxis wird die lebenslängliche Freiheitsstrafe sehr selten verhängt.
Einfach gesagt gibt es also zwei Qualifikationsgründe: das besonders verwerfliche Motiv und die besonders verwerfliche Art der Ausführung. Die feinsinnige Differenzierung zwischen Zweck und Beweggrund spielt in der Praxis keine Rolle.
Das Qualifikationsmerkmal des besonders verwerflichen Motivs
Hier geht es darum, dass der Täter eine besonders krasse Geringschätzung des Lebens an den Tag legt. Einfach gesagt ist dieses Qualifikationsmerkmal umso eher erfüllt, je nichtiger oder egoistischer der mit der Tat verfolgte Zweck ist. Die Abgrenzung ist schwierig und wird im konkreten Fall oft kontrovers diskutiert.
Von der Praxis wird grundsätzlich immer auf Mord erkannt, wenn die Tat dazu dient, eine andere Straftat zu ermöglichen (etwa Raubmord) oder sich der Täter durch die Tat einer Festnahme entziehen will (etwa indem er sich den Fluchtweg freischiesst).
Das Qualifikationsmerkmal der besonders verwerflichen Art der Ausführung
Dieses Qualifikationsmerkmal ist erfüllt, wenn der Täter das Opfer unnötig leiden lässt (etwa indem er ihm besondere Schmerzen zufügt oder es über längere Zeit in Todesangst versetzt). Keine Rolle spielt, ob die Tatausführung auf einen Dritten besonders abstossend wirkt (etwa weil sie besonders blutig ist oder weil der Täter nach der Tötung die Leiche verstümmelt).
Die im deutschen Recht aufgeführte Heimtücke ist in der Schweiz kein Qualifikationsgrund. Gemeingefährlichkeit kann insofern ein Qualifikationsgrund sein, als der Täter durch die Gefährdung von vielen Menschen eine besonders krasse Geringschätzung des Lebens an den Tag legt.
Mordqualifikation und Eventualvorsatz
Allgemein herrscht Einigkeit, dass die Mordqualifikation auch eventualvorsätzlich erfüllt werden kann (etwa wenn der Täter einer vorausgegangenen Straftat zur Sicherung seiner Flucht einen ungezielten Schuss in Richtung der Verfolger abgibt).
Totschlag
Als privilegierter Totschlag gilt eine Tötung, die „in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung oder unter grosser seelischer Belastung“ erfolgt. Damit kann also nicht nur der augenblickliche Affekt privilegiert werden („heftige Gemütsbewegung“), sondern auch eine geplante Tat, die aus einer anhaltenden, subjektiv ausweglosen Situation erfolgt, kann Totschlag sein („unter grosser seelischer Belastung“). Notwendig ist aber immer, dass die Gemütsbewegung entschuldbar sein muss; es reicht nicht, dass sie bloss psychologisch erklärbar ist. Der Strafrahmen für Totschlag beträgt von 1 bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe.
Vorsätzliche Tötung
Der Grundtatbestand der vorsätzlichen Tötung liegt dann vor, wenn die Tat weder Mord noch Totschlag ist, also gewissermassen dazwischen fällt. Die Abgrenzung ist notorisch schwierig. Beziehungsdelikte werden oft als vorsätzliche Tötung qualifiziert. Vorsätzliche Tötung wird mit Freiheitsstrafe von 5 bis 20 Jahren bestraft.
Andere Tötungsdelikte
Daneben sind in der Schweiz andere Tötungsvarianten als Leges speciales in eigenen Artikeln des Strafgesetzbuches geregelt. So Tötung auf Verlangen in Art. 114, Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord in Art. 115 und Kindstötung in Art. 116 als Vorsatzdelikte sowie die fahrlässige Tötung in Art. 117.
Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord ist in der Schweiz nur strafbar, wenn sie „aus selbstsüchtigen Gründen“ erfolgt (Art. 115).
Verjährung
Anders als nach dem Recht Deutschlands und Österreichs unterliegt nach dem Recht der Schweiz Mord der Verjährung; die Verjährungsfrist beträgt nach Art. 97 StGB 30 Jahre. Lediglich Völkermord im Sinne von Art. 264 verjährt nicht, da dies völkerrechtswidrig wäre.
In einer 2016 eingereichten Motion zur Änderung der Verjährungsfristen im Strafgesetzbuch, insbesondere für schwere Straftaten, die lebenslange Strafen nach sich ziehen, bezog der Bundesrat wie folgt Stellung:
„Die strafrechtliche Verjährung ist in den meisten Rechtsordnungen vorgesehen. Sie beruht in erster Linie auf dem Recht auf Vergebung und Vergessen und auf der heilenden Wirkung des Zeitablaufs. Das Interesse des Staates an der Rechtsverfolgung erlischt mit dem Laufe der Zeit, das Vergeltungsbedürfnis nimmt ab. Zudem kann sich die Persönlichkeit des Täters verändern. Es sprechen aber auch praktische Gründe für die Verjährung: Verstreicht zwischen dem Zeitpunkt der Tatbegehung und der Eröffnung des Strafverfahrens viel Zeit, so ist die Beweiserhebung viel schwieriger. Es besteht das Risiko, dass der rechtserhebliche Sachverhalt nicht oder nicht rechtsgenüglich aufgeklärt werden kann; die Gefahr eines Justizirrtums erhöht sich. […]“
Weblinks
Einzelnachweise
- Geschäft Ansehen. Abgerufen am 19. April 2019.