Lungenqualle

Die Lungenqualle (Rhizostoma pulmo) ist eine von drei Arten aus der Gattung Rhizostoma in der Familie der Wurzelmundquallen (Rhizostomatidae). Der wissenschaftliche Name beruht auf der Form im Medusenstadium. Durchschnittlich erreicht die Lungenqualle einen Schirmdurchmesser von 60 cm, kann in Einzelfällen aber auch bis zu 90 cm groß werden,[1] was sie zu einer der größten im Mittelmeer vorkommenden Quallenart macht. Man kann sie leicht erkennen durch ihren weißen bis teilweise rosa Schirm mit einem blauen bis violetten Saum. Der Schirm besitzt Nesselzellen, welche aber nicht für den Menschen gefährlich werden können und nur in Ausnahmefällen zu einem Unwohlsein führen. Sie ernährt sich ihr gesamtes Leben in all ihren verschiedenen Entwicklungsstadien hindurch von Plankton, das sich in ihren Tentakeln oder Armen verfängt.

Lungenqualle

Lungenqualle (Rhizostoma pulmo)

Systematik
Stamm: Nesseltiere (Cnidaria)
Klasse: Schirmquallen (Scyphozoa)
Ordnung: Wurzelmundquallen (Rhizostomae)
Familie: Rhizostomatidae
Gattung: Rhizostoma
Art: Lungenqualle
Wissenschaftlicher Name
Rhizostoma pulmo
(Macrì, 1778)

Verbreitung und Vorkommen

Die Lungenqualle kommt an allen europäischen Atlantikküsten, im Ärmelkanal sowie der Nord- und Ostsee vor und ist im kompletten Mittelmeer bis hin zum Schwarzen Meer verbreitet. Sie ist die häufigste küstennahe Quallenart in diesen Gebieten.[2][3] An der katalanischen Küste war sie in den Sommern von 2007 bis 2009 ebenfalls die am zweithäufigsten gesichtete Quallenart.[4] Ein Schwerpunkt ihrer Verbreitung bildet das Mar Menor, eine 135 km² große Meereslagune in Südostspanien, in der jährlich mehrere 100.000 Medusen gezählt werden.[4] Medusen können ab Anfang Mai beobachtet werden, die Hauptzeit ist aber von Juli bis Ende September.

Weltweit ist die Anzahl der Quallen insgesamt ansteigend und es werden immer häufiger saisonale, massenhafte Auftreten von Quallen in Schwärmen beobachtet, sogenannte „Quallenblüten“[5][6]. Dieses Phänomen wurde auch schon mehrmals bei R. pulmo beobachtet, zum Beispiel im Nord- und Südadriatischen Meer und im Schwarzen Meer.[7] Solche Quallenblüten stellen ein enormes Problem für Tourismus und kommerzielle Fischerei dar, da dadurch große Mengen an toten Quallen an die Strände gespült werden und die Fischernetze ebenfalls von ihnen verstopft sind[7][8]. Über die Gründe und Voraussetzungen dafür kann bisher nur spekuliert werden, es wird jedoch vermutet, dass dieses Phänomen mit einer ansteigenden Wassertemperatur zusammenhängt, da sich die Quallen dann besser entwickeln können sowie mit dem Rückgang der Prädatoren durch Überfischung.

Im Frühjahr u​nd Frühsommer 2021 i​st eine solche "Quallenblüte" v​on außergewöhnlicher Zeitdauer u​nd Verbreitung a​n der oberen Adria, v​or allem i​n der Nähe d​er Küstenstadt Triest, z​u beobachten.[9][10][11]

Lebenszyklus und Anatomie

Der Lebenszyklus der Lungenqualle ist gekennzeichnet durch einen Wechsel von benthischer zu pelagischer Lebensweise sowie sexueller und asexueller Fortpflanzung. Adulte Medusen pflanzen sich sexuell fort, indem sie ihre Keimzellen in das Freiwasser abgeben, wodurch sich eine befruchtete Eizelle bildet. Diese entwickelt sich dann zur sogenannten Planulalarve, welche zweischichtig (Endo- und Ektoderm) und bewimpert ist. Diese setzt sich dann an einem Felsen fest, wodurch die benthische Phase des Lebenszyklus beginnt. Sie entwickelt sich zu einem Polypen, dem Scyphostoma. Dieser hat eine ungefähre Länge von 1,7 mm und durchschnittlich 16 Tentakel, welche das Peristom (Mundscheibe) säumen und der Ernährung dienen. Der Scyphostom ist in der Lage, sich asexuell fortzupflanzen, durch sogenannte Knospung an Calyx (Kelch) und Stiel und dadurch andere Polypen zu erzeugen. In diesem Stadium wird der Winter überdauert und es wird außerdem vermutet, dass der Polyp mehr als einen Winter überstehen kann und somit mehrjährig ist[4].

Die Scyphostoma produzieren d​ann Ephyralarven, d​as nächste Entwicklungsstadium, d​urch einen Prozess d​er sich Strobilation nennt. Dabei w​ird der Calyx verlängert u​nd die Mundscheibe verdickt sich, woraufhin direkt u​nter der Tentakelkrone e​ine Einschnürung entsteht. Danach s​itzt der Ephyra-Vorläufer (Primordia) a​uf dem Scyphostom. Dieser Prozess k​ann bis z​u 8 m​al wiederholt werden, w​obei alle Vorläufer d​ann gleichzeitig a​uf dem Polypen sitzen. Die Entwicklung dieser Vorläufer vollzieht s​ich ebenfalls simultan u​nd sie werden d​ann gleichzeitig i​ns Freiwasser abgegeben. Der Polyp benötigt danach ungefähr z​wei Wochen, u​m wieder z​u adulter Größe m​it Tentakeln heranzuwachsen u​m weitere Ephyrae z​u produzieren.

Ephyrae h​aben einen Durchmesser v​on 3,5 mm, besitzen a​cht Arme u​nd sind pelagisch. Die Entwicklung z​um Medusenstadium i​st durch a​cht Phasen gekennzeichnet.[12] Dabei vollzieht d​as gastrische System Veränderungen u​nd die charakteristischen Strukturen a​m Ende d​er Arme bilden s​ich aus. Die Entwicklungsdauer hängt s​tark von Temperatur u​nd Umgebung ab. Die juvenile Meduse h​at dann e​inen Schirmdurchmesser v​on 5–10 c​m und a​cht Arme.

Commons: Lungenqualle (Rhizostoma pulmo) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Divers 'humbled' by Cornwall jellyfish encounter. bbc.com, 17. Juli 2019, abgerufen am 16. Juli 2020.
  2. Mills, C.E. Hydrobiologia (2001) 451: 55. doi:10.1023/A:1011888006302.
  3. Lilley, M., Houghton, J., & Hays, G. (2009). Distribution, extent of inter-annual variability and diet of the bloom-forming jellyfish Rhizostoma in European waters. Journal of the Marine Biological Association of the United Kingdom, 89(1), 39-48. doi:10.1017/S0025315408002439.
  4. Fuentes, V., Straehler-Pohl, I., Atienza, D. et al. Mar Biol (2011) 158: 2247. doi:10.1007/s00227-011-1730-7.
  5. Arai, M.N. Hydrobiologia (2009) 616: 241. doi:10.1007/s10750-008-9588-5.
  6. CIESM (Commission Internationale pour l’Exploration Scien-tifique de la mer Méditerranée) (2001) Gelatinous zooplankton outbreaks: theory and practice. CIESM Workshop Series No. 14, Monaco. Available at www. ciesm.org/publications/Naples01.pdf
  7. Mariottini GL, Pane L. Mediterranean jellyfish venoms: a review on scyphomedusae. Mar Drugs. 2010;8(4):1122-52. Published 2010 Apr 4. doi:10.3390/md8041122.
  8. Lakkis, S. "Aggregations of the scyphomedusa Rhizostoma pulmo in the Lebanese coastal waters during the summer of 1986." Jellyfish blooms in the Mediterranean, Proceedings of the II Workshop on Jellyfish in the Mediterranean Sea. MAP Technical Reports Series. No. 47. 1991.
  9. Von Regina Rauch-Krain | 05 04 Uhr, 27 April 2021: Das steckt dahinter : Rätselhafte Quallenblüte. 27. April 2021, abgerufen am 28. April 2021.
  10. Invasion der Quallen im Hafen von Triest. Abgerufen am 28. April 2021.
  11. Il “bloom” di meduse in centro a Trieste. 8. April 2021, abgerufen am 28. April 2021 (it-IT).
  12. Straehler-Pohl, Ilka, Chad L. Widmer, and Andre C. Morandini. Characterizations of juvenile stages of some semaeostome Scyphozoa (Cnidaria), with recognition of a new family (Phacellophoridae). Zootaxa 2741.1 (2011): 1-37.
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