Lindemann-Mechanismus
In der Kinetik ist der Lindemann-Mechanismus, der manchmal auch als Lindemann-Hinshelwood-Mechanismus bezeichnet wird, ein schematischer Reaktionsmechanismus für Reaktionen in der Gasphase. Das Konzept wurde 1922 von Frederick Lindemann vorgeschlagen und von Cyril Norman Hinshelwood entwickelt.[1][2] Eine scheinbar unimolekulare Reaktion wird dabei in zwei elementare Schritte zerlegt. Der Lindemann-Mechanismus wird verwendet, um Gasphasenzersetzungs- oder -isomerisierungsreaktionen darzustellen. Die Reaktionsgleichungen von Zersetzungs- oder Isomerisierungsreaktionen lassen häufig auf eine unimolekulare Reaktion schließen:
Doch der Lindemann-Mechanismus zeigt, dass dem unimolekularen Reaktionsschritt ein bimolekularer Aktivierungsschritt vorausgeht. Für bestimmte Fälle ergibt sich daher eine Reaktion zweiter und nicht, wie zu erwarten wäre, erster Ordnung:[3]
Geschwindigkeitsgesetz
Das entsprechende Geschwindigeitsgesetz kann aus den Geschwindigkeitsgleichungen und -konstanten hergeleitet werden: [A 1] Die Geschwindigkeit, mit der das Produkt P gebildet wird ergibt sich aus dem Bodenstein’schen Quasistationaritätsprinzip. Wir nehmen hierbei an, dass die Konzentration des aktivierten Eduktes (das Intermediat A*) in gleicher Geschwindigkeit gebildet wie verbraucht wird.[4] Diese Annahme vereinfacht die Berechnung der Ratengleichung.
Die Geschwindigkeitskonstante der Hinreaktion des ersten Schritts bezeichnen wir mit , die Rückreaktion mit . Die Geschwindigkeitskonstante der Hinreaktion des zweiten Schritts bezeichnen wir mit .
Die Geschwindigkeit, mit der A* gebildet wird, ergibt sich somit durch folgendes differentielles Geschwindigkeitsgesetz:
- (Hinreaktion im ersten Schritt)
A* wird sowohl bei der Rückreaktion als auch bei der Produktbildung im zweiten Schritt verbraucht. Es ergeben sich folgende differentielle Geschwindigkeitsgesetze:
- (Rückreaktion im ersten Schritt)
- (Hinreaktion im zweiten Schritt)
Nach dem Quasistationaritätsprinzip ist die Bildung von A* gleich dem Verbrauch von A*. Daher ergibt sich:
Aufgelöst nach :
Das differentielle Geschwindigkeitsgesetz ergibt so für die Gesamtreaktion:[5][4]
Reaktionsordnung
Die Reaktionsordnung einer Reaktion, die annähernd dem Lindemann-Mechanismus folgt, ist druckabhängig. Bei hohem Druck (Hochdruckgrenzwert für ) handelt es sich um eine Reaktion erster und bei niedrigem Druck (Niederdruckgrenzwert für ) um eine Reaktion zweiter Ordnung.
Siehe auch
Anmerkungen
- Ebenfalls geläufig sind die Ausdrücke Ratengleichung, Ratengesetz und Ratenkonstante. Diese Ausdrücke werden Synonym verwendet, der Übersichtlichkeit halber soll hier konsistent eine Schreibweise verwendet werden.
Einzelnachweise
- F. Di Giacomo: A Short Account of RRKM Theory of Unimolecular Reactions and of Marcus Theory of Electron Transfer in a Historical Perspective. In: Journal of Chemical Education. 92, Nr. 3, 2015, S. 476. bibcode:2015JChEd..92..476D. doi:10.1021/ed5001312.
- F. A. Lindemann, S. Arrhenius, I. Langmuir, N. R. Dhar, J. Perrin, W. C. Mcc. Lewis: Discussion on ?the radiation theory of chemical action?. In: Transactions of the Faraday Society. 17, 1922, S. 598. doi:10.1039/TF9221700598.
- "Gas phase decomposition by the Lindemann mechanism" by S. L. Cole and J. W. Wilder. SIAM Journal on Applied Mathematics, Vol. 51, No. 6 (Dec., 1991), S. 1489–1497.
- Atkins P. and de Paula J., Physical Chemistry (8th ed., W.H. Freeman 2006) S. 820-1, ISBN 0-7167-8759-8.
- Steinfeld J.I., Francisco J.S. and Hase W.L. Chemical Kinetics and Dynamics (2nd ed., Prentice-Hall 1999), S. 335, ISBN 0-13-737123-3.