Lehrgerüst
Ein Lehrgerüst ist eine Hilfskonstruktion, die im Bauwesen früher beim Mauern von Bögen und Gewölben verwendet wurde und heute insbesondere im Betonbrückenbau als Schalungsgerüst zur Formgebung und Befestigung der Betonschalung eingesetzt wird.
Beim gemauerten Gewölbe oder Mauerwerksbogen dient das hölzerne Lehrgerüst als Grundlage. Die einzelnen Bausteine werden direkt auf das Lehrgerüst gemauert. Hat das Gewölbe oder der Bogen die nötige Festigkeit erreicht, kann das Lehrgerüst vorsichtig abgesenkt und entfernt werden. Das Gewölbe trägt sich durch seine Form nun selbst.
Lehrgerüste werden schon seit der Antike im Bauwesen eingesetzt und finden bis heute im Mauerbau Verwendung. Je nach Form der Gewölbe sind die Lehrgerüste halbkreisförmig, segmentbogenförmig, spitzbogenförmig und je nach zu tragender Last stärker oder schwächer ausgeführt. Bei einfachen Gewölben, etwa zur Unterstützung von Tonnen- oder Muldengewölben, bestehen sie meist aus einzelnen Bohlenbögen, die durch Latten verbunden sind. Bei komplexeren Gewölben wie etwa Kreuzgratgewölben enthalten sie auch Diagonalbögen.
Insbesondere im Bogenbrückenbau war bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts der Einsatz von Lehrgerüsten ohne Alternative. Hier unterscheidet man
- stehende Lehrgerüste
- bei denen das Gerüst über die gesamte Länge des zu überbrückenden Raumes auf senkrechte Pfosten aufgeständert ist.
- gesprengte Lehrgerüste
- bei der die Gerüstkonstruktion den zu überbrückenden Raum freilassen und auf zwei Punkten bei den Bogenfundamenten aufliegen.
- Lehrgerüste mit Fachwerkträgern
- die aus zwei Teilen bestehen, dem oberen Lehrgerüst mit Lehrbogen und Stützen auf denen das Gerüst aufliegt.
Ein Lehrgerüst besteht aus einem Lehrbogen und einer versteifenden und stützenden Unterkonstruktion. Auf den Bogen sind die Kranzhölzer montiert, auf denen der eigentliche Mauerwerksbogen aufgemauert wird. Mittels Keilen oder Exzenterscheiben kann die Lage eines Lehrgerüstes korrigiert werden. Nach Abschluss der Mauerarbeiten wurden die Lehrgerüste oft herausgeschlagen, bei wiederverwendbaren Gerüsten wurden auch entleerbare Sandkisten oder Sandsäcke zum Senken der Gerüste eingesetzt.
Mit der Einführung der Stahlbeton- oder Spannbetonbalkenbrücken haben sich die Gerüstkonstruktionen stark vereinfacht und bestehen heute im Wesentlichen aus Stahlfachwerktragwerken, den sogenannten Rüstbindern.
Das Lehrgerüst wird vom Tragwerksplaner entworfen und auf einem Rüstungplan bzw. Rüstplan dargestellt.
Galerie
- Das Bild Bau der Teufelsbrücke zeigt ein Lehrgerüst der zweiten Teufelsbrücke, Schöllenenschlucht, Schweiz
- Nicht entferntes Lehrgerüst der Römerbrücke in Grins (Tirol) von 1639
- Lehrgerüst des Pont de Montanges, Frankreich
- Spitzbögen, die auf ein Lehrgerüst aufgemauert wurden
- Lehrgerüst einer Spannbetonbrücke
- Hölzernes Lehrgerüst für das Lorraineviadukt mit einer Spannweite von 146 m, 1938
Literatur
- Stefan M. Holzer: Gerüste und Hilfskonstruktionen im historischen Baubetrieb. Geheimnisse der Bautechnikgeschichte. Edition Bautechnikgeschichte hrsgn. v. Karl-Eugen Kurrer u. Werner Lorenz. Berlin: Ernst & Sohn 2021, ISBN 978-3-433-03175-9.
Siehe auch
Weblinks
- Andreas Kessler: Ein Kunstwerk auf Zeit
- Bebilderte Beschreibungen von Lehrgerüsten bei Zeno.org
- Lehrgerüste, Viktor von Röll (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, 2. Aufl. 1912–1923, Bd. 7, S. 74–81
- Lehrgerüste, Lueger: Lexikon der gesamten Technik, Bd. 6, S. 118–120
- Lehrgerüste, Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd. 12, S. 346