Latif Barzandschi
Scheich Latif Hafid al-Barzandschi (* nach 1915[Anm. 1] in Barzinjah, Sandschak as-Sulaimaniya, damals Osmanisches Reich; † 1972[1] im Irak), gelegentlich auch als Barzanji, Barzinji oder Barzinja transkribiert, war ein kurdischer Politiker im Irak. Er war der jüngste der drei Söhne des Scheichs Mahmud Barzandschi (Mehmûd Berzincî).[1][2]
Sein Vater Mahmud hatte zwischen 1919 und 1941 in der nordirakischen Provinz Sulaimaniya mehrere erfolglose Aufstände gegen die britische Kolonialmacht angeführt und war schließlich nach Bagdad verbannt worden. In Berichten von 1939 vermuteten die Briten, dass Latif in die Fußstapfen seines Vaters treten werde, sobald sich ihm die Gelegenheit dazu biete:[2]
„Latif is the pet of his father, and will follow closely in his footsteps, if he has the chance to do so.“
Anders als sein Vater unterstützte Latif 1943 den ersten Aufstand Mustafa Barzanis[3] und wurde 1946 Gründungsmitglied in Barzanis Kurdischer Demokratischer Partei (KDP).[1] Während Barzanis Abwesenheit im sowjetischen Exil fungierte Latif im Irak ab 1946 zunächst als einer der beiden Vizepräsidenten der KDP[4][5] faktisch aber wurde die Partei von linken Funktionären um Ibrahim Ahmed geführt.[6]
Die teilweise noch feudalen Verhältnisse auf dem umfangreichen Großgrundbesitz der Barzandschis erregten derweil den Unmut kurdischer Kommunisten, und einige linke KDP-Mitglieder liefen zu den Kommunisten über.[7] Latif, der während des irakischen Aufstands von 1947/48 noch von den Kommunisten attackiert worden war[8], trat unmittelbar nach der Revolution von 1958 der Irakischen Kommunistischen Partei bei – angeblich aber nur, um eine kommunistische Bodenreform abzuwenden.[9][10] Sein Bruder Baba Ali wurde Minister in der von den Kommunisten gestützten Regierung Abd al-Karim Qasims. Nach Qasims Bruch mit Barzani (Aufstand 1961) bzw. dem Sturz Qasims und der Zerschlagung der Kommunistischen Partei (1963) war Latif wieder für die KDP aktiv.[1][11]
Latifs Sohn Kawa trennte sich spätestens 1974 schließlich von Barzani und wurde in der von der irakischen Regierung eingerichteten Kurdischen Autonomen Region Mitglied des Legislativrats (Regionalparlament).[1]
Anmerkungen
- Latifs älterer Bruder Baba Ali wurde um 1915 geboren
Einzelnachweise
- Erhard Franz: Kurden und Kurdentum - Zeitgeschichte eines Volkes und seiner Nationalbewegungen, Seiten 126, 164f, 171f. Mitteilungen 30, Deutsches Orient-Institut Hamburg 1986
- Robin Leonard Bidwell: British documents on foreign affairs - reports and papers from the Foreign Office confidential print, Band 9 (From the First to the Second World War. Series B, Turkey, Iran, and the Middle East, 1918–1939), Seite 305. University Publications of America, Michigan 1985
- Wadie Jwaideh: The Kurdish National Movement - Its Origins and Development, Seite 230. Syracuse University Press, New York 2006
- Ofra Bengio: Kurdish Awakening - Nation Building in a Fragmented Homeland, Seite 77. University of Texas Press, Austin 2014
- Michael M. Gunter: Historical Dictionary of the Kurds, Seite 172. Scarecrow Press, Lanham 2010
- Ronen Zeidel, Amatzia Baram, Achim Rohde: Iraq Between Occupations - Perspectives from 1920 to the Present, Seite 80. Springer, New York 2010
- Mohammed Shafi Agwani: Communism in the Arab East, Seite 69f. Asia Publishing House, Calcutta 1969
- Society for the Study of Oriental Culture: Journal D'histoire Du Soufisme, Bände 1–2, Seite 138. Simurg, University of Michigan 2000
- Martin van Bruinessen: Agha, shaikh, and state - the social and political structures of Kurdistan, Seite 212. Zed Books, Michigan 1992
- Martin van Bruinessen: Mullas, Sufis and Heretics - The Role of Religion in Kurdish Society, Seite 118. Isis Press, Michigan 2000
- Kurdistan-Photolibrary.org: Sheikh Latif Barzinji um 1920, 1939 (mit Vater Mahmud und Mutter Aisha) und 1963 (mit Talabani)