Kunstgebäude der Philipps-Universität Marburg
Das Kunstmuseum Marburg oder Kunstgebäude der Philipps-Universität Marburg ist ein 1925–1927 errichtetes Institutsgebäude der Philipps-Universität Marburg. Es gehört zu den wichtigsten deutschen Bildungsbauten der 1920er Jahre. Das von Hubert Lütcke entworfene Gebäude trug – in Anlehnung an die 400-jährige Wiederkehr der Universitätsgründung – ursprünglich den Namen „Jubiläumsbau“. Im Jahre 1950 erfolgte die Umbenennung in „Ernst-von-Hülsen-Haus“, um so des Universitätskurators Ernst von Hülsen zu gedenken, der sich für die Errichtung des Baus eingesetzt hatte. Da diese Gebäudebenennung wegen der Rolle des Namensgebers im Nationalsozialismus als nicht mehr tragbar erachtet wurde, beschloss das Präsidium der Philipps-Universität 2016 die Umbenennung in „Kunstgebäude“.[1] Später wurde es umbenannt in „Kunstmuseum Marburg“.[2]
Geschichte
Die vierflügelige, quadratische Anlage, vom Architekten und preußischen Baubeamten Hubert Lütcke entworfen, präsentiert sich im Inneren wie im Außenbau als eine architektonische Verbindung aus Regionalstil und Expressionismus. Selbst die Innenausstattung wurde von Lütcke bis in Einzelheiten wie den gezackten Lehnen der Stühle entworfen, die mit den zackenförmigen Fenstergittern korrespondieren. Fast einzigartig für seine Zeit ist auch die Zusammenführung von Lehre, Forschung und universitären Sammlungen. Ein solches integratives Konzept für die Kunstwissenschaften begegnet zeitgleich nur noch an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts. Die Idee zum Marburger Jubiläumsbau geht auf Richard Hamann zurück, der als seit 1913 in Marburg tätiger Professor für Kunstgeschichte auch das Finanzierungskonzept entworfen hatte: Alle Spenden sollten dem einzigen Zweck zugeführt werden, ein gemeinsames Institut für die gesamten Kunstwissenschaften und die Kunstpflege zu schaffen. Um diesem Anspruch zu genügen, zogen das Archäologische Seminar, das Christlich-archäologische Seminar, das Vorgeschichtliche Seminar, das Kunstgeschichtliche Institut und das Bildarchiv Foto Marburg sowie das Musikwissenschaftliche Seminar mit eigenem Konzertsaal und das Universitätsmuseum in den Neubau ein.
Am 30. Juli 1927, dem ersten Feiertag des Universitätsjubiläums, wurde das Haus seiner Bestimmung übergeben. Es diente in weiten Teilen seiner Nutzfläche den verschiedenen kunst- und kulturgeschichtlichen Sammlungen. Dazu gehörte vor allem die Sammlung „Hessische Altertümer“ von Ludwig Bickell (1838–1901) und die archäologische Abguss-Sammlung von Ludwig von Sybel (1846–1929).[3] Für das Universitätsmuseum wurden straßenseitig großzügige Präsentationsräume eingerichtet, für die Bestände des Hessischen Geschichtsvereins und des Kunst- und Altertumsvereins mit seinen überwiegend hessischen Gemälden, Plastiken, Grafiken und kunstgewerblichen Exponaten insbesondere hessischer Volkskunst. Die Sammlung von Originalen und Gipsabgüssen antiker Werke fungierte als Lehrsammlung des Archäologischen Seminars. Zudem brachte Richard Hamann in den Jubiläumsbau den von ihm zunächst als kunstwissenschaftliche Lehrsammlung gegründeten „Photographischen Apparat“ unter, aus dem später unter Hamanns Leitung das Bildarchiv Foto Marburg hervorging, heute mit knapp zwei Millionen unikal überlieferten Fotografien eines der weltweit größten wissenschaftlichen Fotoarchive für Archäologie und Kunstgeschichte. Das „Lektorat für Vortragskunst“ unterstrich das Interesse Hamanns an der breiten Vermittlung von Bildungswissen. Die Oberlichtsäle waren für Wechselausstellungen bestimmt, ein weiterer Oberlichtsaal diente als Zeichensaal. 1930/1931 wurde der Konzertsaal fertiggestellt, der mit 200 Sitzplätzen und einer Bühne bis heute der Aufführung auch öffentlicher Konzerte dient.
Heutige Nutzung
Das Kunstgebäude ist noch heute ein wichtiges Gebäude der Universität. Am ursprünglichen Konzept der integrierten Nutzung durch kulturwissenschaftliche Lehr- und Forschungsinstitute sowie damit verbundener Sammlungen hat sich kaum etwas verändert. Von Sommer 2011 bis Herbst 2018 wurde das Gebäude umfangreich saniert. Die Arbeiten umfassten die Erneuerung des mit Schiefer gedeckten Dachs, die Erneuerung der Fenster und eine Wärmedämmung in Verbindung mit einer Fassadenerneuerung. Ebenfalls wurde das Entwässerungssystem erneuert. Insbesondere das im vorderen Teil des Gebäudes ansässige Kunstmuseum mit einer Sammlung moderner Kunst wurde grundlegend saniert und am 21. Oktober 2018 mit einem Bürgerfest wieder geöffnet.[4]
Literatur
- Lütcke: Der Jubläumsneubau des Kunstinstituts der Universität Marburg. In: Zeitschrift für Bauwesen, Jg. 80, 1930, S. 1–12 (Digitalisat der Zentral- und Landesbibliothek Berlin).
- Kathryn Brusch: Marburg, Harvard and purpose-built architecture for art history, 1927. In: Elizabeth Mansfield (Hrsg.): Art History and Its Institutions. The Nineteenth Century. London 2002, S. 65–84.
- Katharina Krause: Ein Kunstinstitut für Marburg. Konzeptionen und ihr architektonischer Ausdruck. In: alma mater philippina, Ausgabe Wintersemester 1998/1999, S. 12–18.
- Thomas Jahn: Das Kunstinstitut der Philipps-Universität Marburg. In: Jörg Jochen Bruns (Hrsg.): Marburg-Bilder. Eine Ansichtssache. Zeugnisse auf fünf Jahrhunderten. (= Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur, Band 53.) Band 2, Marburg 1996, S. 321–356.
- Martin Warnke: Richard Hamann. In: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, Band 20 (1981), S. 11–20.
Weblinks
Einzelnachweise
- Ernst von Hülsen als Namensgeber nicht mehr tragbar. – auf den Internetseiten der Philipps-Universität Marburg, abgerufen am 15. September 2016
- Offizielle Website des Kunstmuseums Marburg
- Geschichte des Kunstmuseums Marburg
- Mehr als 3.500 Gäste bei Museumsfest. Philipps-Universität Marburg, 22. Oktober 2018, abgerufen am 23. Oktober 2018.