Kovarianz und Kontravarianz
In der objektorientierten Programmierung unterscheidet Kovarianz und Kontravarianz, ob ein Aspekt (d. h. eine Typdeklaration) gleichartig der Vererbungsrichtung (kovariant) oder entgegengesetzt zu dieser (kontravariant) ist. Liegt in der Unterklasse keine Änderung gegenüber der Oberklasse vor, wird das als Invarianz bezeichnet.
Den Begriffen liegen die Überlegungen des Ersetzbarkeitsprinzips zugrunde: Objekte der Oberklasse müssen durch Objekte einer ihrer Unterklassen ersetzbar sein. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Methoden der Unterklasse mindestens die Parameter akzeptieren müssen, die die Oberklasse auch akzeptieren würde (Kontravarianz). Die Methoden der Unterklasse müssen ebenfalls Werte zurückliefern, die mit der Oberklasse vereinbar sind, also nie allgemeineren Typs sind, als der Rückgabetyp der Oberklasse (Kovarianz).
Begriffsherkunft
Die Begriffe Kontravarianz und Kovarianz leiten sich in der Objektorientierung davon ab, dass sich die Typen der betrachteten Parameter mit der Vererbungshierarchie der Ersetzung (kovariant) bzw. entgegengesetzt zur Vererbungshierarchie (kontravariant) verhalten.
Auftreten von Varianzen
Man kann zwischen Ko-, Kontra- und Invarianz bei
- Methoden
- Argumenttypen (die Typen der übergebenen Parameter)
- Ergebnistypen (die Typen des Rückgabewertes)
- sonstige Signaturerweiterungen (z. B. Exceptiontypen in der throws-Klausel in Java)
- generischen Klassenparametern
unterscheiden.
Durch das Substitutionsprinzip ergeben sich in der Vererbungshierarchie der objektorientierten Programmierung folgende Auftrittsmöglichkeiten für Varianzen:
Kontravarianz | Eingabeparameter |
Kovarianz | Rückgabewert und Ausnahmen |
Invarianz | Ein- und Ausgabeparameter |
Kovarianz, Kontravarianz und Invarianz
Kovarianz bedeutet, dass die Typhierarchie mit der Vererbungshierarchie der zu betrachtenden Klassen die gleiche Richtung hat. Wenn man also eine vererbte Methode anpassen will, so ist die Anpassung kovariant, wenn der Typ eines Methodenparameters in der Oberklasse ein Obertyp des Parametertyps dieser Methode in der Unterklasse ist.
Wenn die Typhierarchie entgegengesetzt zur Vererbungshierarchie der zu betrachtenden Klassen läuft, so spricht man von Kontravarianz. Wenn die Typen in der Ober- und Unterklasse nicht geändert werden dürfen, spricht man von Invarianz.
In der Objektorientierten Modellierung ist es oft wünschenswert, dass auch die Eingabeparameter von Methoden kovariant sind. Dadurch wird allerdings das Substitutionsprinzip verletzt. Das Überladen wird in diesem Fall von den verschiedenen Programmiersprachen unterschiedlich gehandhabt.
- Vererbung vom Typ des Methodenparameters bzw. Rückgabewerts.
- Typhierarchie des Methodenparameters ist entgegen der Vererbungshierarchie von ClassA und ClassB
- Typhierarchie des Rückgabewertes der Methode ist mit der Vererbungshierarchie von ClassA und ClassB
- Typhierarchie des Methodenparameters bleibt unverändert
Beispiel anhand von Programmcode
Grundsätzlich gilt in Programmiersprachen wie C++ und C#, dass Variablen und Parameter kontravariant sind, während Methodenrückgaben kovariant sind. Java verlangt hingegen die Kovarianz der Methodenparameter und Variablen, wobei der Rückgabeparameter kovariant sein muss:
Kontravarianz | Kovarianz | Invarianz |
---|---|---|
public abstract class Animal
{
public abstract string Name { get; }
}
public class Giraffe : Animal
{
public Giraffe(string name)
{
Name = name;
}
public string Name { get; private set; }
}
public string GetNameFromAnimal(Animal animal)
{
return animal.Name;
}
[Test]
public void Contravariance()
{
var herby = new Giraffe("Herby");
// kontravariante Umwandlung von Giraffe nach Animal
var name = GetNameFromAnimal(herby);
Assert.AreEqual("Herby", name);
}
|
public abstract class Animal
{
public abstract string Name { get; }
}
public class Giraffe : Animal
{
public Giraffe(string name)
{
Name = name;
}
public string Name { get; private set; }
}
public string GetNameFromGiraffe(Giraffe animal)
{
return animal.Name;
}
[Test]
public void Covariance()
{
var herby = new Giraffe("Herby");
// kovariante Umwandlung des Rückgabewerts von String nach Object
object name = GetNameFromGiraffe(herby);
Assert.AreEqual((object)"Herby", name);
}
|
public abstract class Animal
{
public abstract string Name { get; }
}
public class Giraffe : Animal
{
public Giraffe(string name)
{
Name = name;
}
public string Name { get; private set; }
}
public string GetNameFromGiraffe(Giraffe animal)
{
return animal.Name;
}
[Test]
public void Invariance()
{
var herby = new Giraffe("Herby");
// keine Umwandlung der Datentypen
string name = GetNameFromGiraffe(herby);
Assert.AreEqual("Herby", name);
}
|
Beispiel anhand von Abbildungen
Im Folgenden wird verdeutlicht, wann die Typsicherheit gewährleistet bleibt, wenn man eine Funktion durch eine andere ersetzen will. Dies lässt sich im Weiteren dann auf Methoden in der Objektorientierung übertragen, wenn nach dem Liskovschen Substitutionsprinzip Methoden von Objekten ersetzt werden.
Seien und Funktionen, die beispielsweise folgende Signatur haben:
- , wobei und , und
- , wobei und .
Wie man sieht, ist eine Obermenge von , jedoch eine Untermenge von . Wenn man die Funktion anstelle von einsetzt, dann nennt man den Eingabetyp C kontravariant, den Ausgabetyp D kovariant. Im Beispiel kann die Ersetzung ohne Typverletzung geschehen, da die Eingabe von den gesamten Bereich der Eingabe von abdeckt. Außerdem liefert Ergebnisse, die den Wertebereich von nicht überschreiten.
Korrektheit von Kontra- und Kovarianz
Als Modell soll die UML-Schreibweise zur Darstellung der Vererbungshierarchie dienen:
Kontravarianz Kovarianz Invarianz ┌─────────┐ ┌───────────────┐ ┌───────────────┐ ┌───────────────┐ │ T │ │ ClassA │ │ ClassA │ │ ClassA │ ├─────────┤ ├───────────────┤ ├───────────────┤ ├───────────────┤ │ │ │ │ │ │ │ │ ├─────────┤ ├───────────────┤ ├───────────────┤ ├───────────────┤ │ │ │ method(t':T') │ │ method():T │ │ method(t :T&) │ └─────────┘ └───────────────┘ └───────────────┘ └───────────────┘ ↑ ↑ ↑ ↑ ┌─────────┐ ┌───────────────┐ ┌───────────────┐ ┌───────────────┐ │ T' │ │ ClassB │ │ ClassB │ │ ClassB │ ├─────────┤ ├───────────────┤ ├───────────────┤ ├───────────────┤ │ │ │ │ │ │ │ │ ├─────────┤ ├───────────────┤ ├───────────────┤ ├───────────────┤ │ │ │ method(t :T ) │ │ method():T' │ │ method(t :T&) │ └─────────┘ └───────────────┘ └───────────────┘ └───────────────┘
Kontravarianz: Das Substitutionsprinzip wird eingehalten, denn man kann method(t : T) der Unterklasse ClassB so verwenden, als wäre es die Methode der Oberklasse ClassA.
Prüfen: Man kann der method(t : T) eine Variable eines spezielleren Typs T' übergeben, da aufgrund der Vererbung T' alle Informationen enthält, die sich auch in T befinden.
Kovarianz: Das Substitutionsprinzip wird eingehalten, denn man kann method():T' der Unterklasse ClassB so verwenden, als wäre es die Methode der Oberklasse ClassA.
Prüfen: Der Rückgabewert der Methode aus ClassB ist T'. Man darf diesen Wert einer vom Typ T deklarierten Variable übergeben, da T' aufgrund der Vererbung über alle Informationen verfügt, die sich auch in T befinden.
Typsicherheit bei Methoden
Auf Grund der Eigenschaften des Substitutionsprinzipes ist statische Typsicherheit dann gewährleistet, wenn die Argumenttypen kontravariant und die Ergebnistypen kovariant sind.
Typunsichere Kovarianz
Die in der Objektorientierten Modellierung oft wünschenswerte Kovarianz der Methodenparameter wird trotz resultierender Typunsicherheit in vielen Programmiersprachen unterstützt.
Ein Beispiel für die Typunsicherheit kovarianter Methodenparameter findet sich in den folgenden Klassen Person
und Arzt
, und deren Spezialisierungen Kind
und Kinderarzt
. Der Parameter der Methode untersuche
in der Klasse Kinderarzt
ist eine Spezialisierung des Parameters derselben Methode von Arzt
und demnach kovariant.
Typunsichere Kovarianz - allgemein
┌─────────┐ ┌───────────────┐ │ T │ │ ClassA │ ├─────────┤ ├───────────────┤ │ │ │ │ ├─────────┤ ├───────────────┤ │ │ │ method(t :T ) │ └─────────┘ └───────────────┘ ↑ ↑ ┌─────────┐ ┌───────────────┐ │ T' │ │ ClassB │ ├─────────┤ ├───────────────┤ │ │ │ │ ├─────────┤ ├───────────────┤ │ │ │ method(t':T') │ └─────────┘ └───────────────┘ |
Beispiel für typunsichere Kovarianz
┌────────────────┐ ┌───────────────────────┐ │ Person │ │ Arzt │ ├────────────────┤ ├───────────────────────┤ │ │ │ │ ├────────────────┤ ├───────────────────────┤ │ stillHalten() │ │ untersuche(p: Person) │ └────────────────┘ └───────────────────────┘ ↑ ↑ ┌────────────────┐ ┌───────────────────────┐ │ Kind │ │ Kinderarzt │ ├────────────────┤ ├───────────────────────┤ │ │ │ │ ├────────────────┤ ├───────────────────────┤ │ tapferSein() │ │ untersuche(k: Kind) │ └────────────────┘ └───────────────────────┘ |
Die Implementierung des Beispiels in Java sieht folgendermaßen aus: | Ein Programm unter Verwendung der Klassen könnte so aussehen: | Die Ausgabe lautet dann: |
---|---|---|
public class Person {
protected String name;
public String getName() { return name; }
public Person(final String n) { name = n; }
public void stillHalten() {
System.out.println(name + " hält still");
}
}
public class Kind extends Person {
boolean tapfer = false;
public Kind(final String n) {super(n); }
public void stillHalten() {
if(tapfer)
System.out.println(name + " hält still");
else
System.out.println(name + " sagt AUA und wehrt sich");
}
public void tapferSein() {
tapfer = true;
System.out.println(name + " ist tapfer");
}
}
public class Arzt extends Person {
public Arzt(final String n) { super(n); }
public void untersuche(Person person) {
System.out.println(name + " untersucht " + person.getName());
person.stillHalten();
}
}
public class Kinderarzt extends Arzt {
public Kinderarzt(final String n) { super(n); }
public void untersuche(Kind kind) {
System.out.println(name + " untersucht Kind " + kind.getName());
kind.tapferSein();
kind.stillHalten();
}
}
|
public class Main {
public static void main(String[] args) {
Arzt arzt = new Kinderarzt("Dr. Meier");
Person person = new Person("Frau Müller");
arzt.untersuche(person);
Kind kind = new Kind("kleine Susi");
arzt.untersuche(kind);
// und jetzt RICHTIG
Kinderarzt kinderarzt = new Kinderarzt("Dr. Schulze");
kinderarzt.untersuche(person);
kinderarzt.untersuche(kind);
}
}
|
Dr. Meier untersucht Frau Müller
Frau Müller hält still
Dr. Meier untersucht kleine Susi
kleine Susi sagt AUA und wehrt sich
Dr. Schulze untersucht Frau Müller
Frau Müller hält still
Dr. Schulze untersucht Kind kleine Susi
kleine Susi ist tapfer
kleine Susi hält still
|
Wichtig ist, dass das Objekt arzt
richtig deklariert werden muss, weil hier eine Methode nicht überschrieben, sondern überladen wird, und der Vorgang des Überladens an den statischen Typ des Objekts gebunden ist. Die Folge sieht man beim Vergleich der Ausgaben: Dr. Meier kann keine Kinder untersuchen, Dr. Schulze hingegen schon.
In Java funktioniert das Beispiel korrekt: Die Methode untersuche
von Arzt
wird in Kinderarzt
nicht überschrieben, sondern aufgrund der unterschiedlichen Parameter lediglich überladen, dadurch wird jeweils die richtige Methode aufgerufen. Wenn Arzt
untersuche
aufgerufen wird, wird die Methode auch immer dort aufgerufen; wenn jedoch Kinderarzt
untersuche
aufgerufen wird, wird je nach Typ einmal untersuche
bei Arzt
und einmal bei Kinderarzt
aufgerufen. Laut der Sprachdefinition von Java muss eine Methode, die überschrieben werden soll, die gleiche Signatur (in Java bestehend aus Parameter + evtl. Exceptions) besitzen.
Das gleiche Beispiel kann man auch in Python codieren, allerdings ist zu beachten,
dass Parameter nicht typisiert werden. Der Code würde so aussehen:
#!/usr/bin/env python
class Person:
def __init__(self,name):
self.name = name
def stillHalten(self):
print(self.name, " hält still")
class Arzt(Person):
def __init__(self,name):
super().__init__(name)
def untersuche(self,person):
print(self.name, " untersucht ", person.name)
person.stillHalten()
class Kind(Person):
def __init__(self,name):
super().__init__(name)
self.tapfer = False
def tapferSein(self):
self.tapfer = True
print(self.name, " ist jetzt tapfer")
def stillHalten(self):
if self.tapfer:
print(self.name, " hält still")
else:
print(self.name, " sagt AUA und wehrt sich")
class Kinderarzt(Arzt):
def __init__(self,name):
super().__init__(name)
def untersuche(self,person):
print(self.name, " untersucht ", person.name)
if isinstance(person,Kind):
person.tapferSein()
person.stillHalten()
if __name__ == "__main__":
frMüller = Person("Frau Müller")
drMeier = Arzt("Dr. Meier")
drMeier.untersuche(frMüller)
kleineSusi = Kind("kleine Susi")
drMeier.untersuche(kleineSusi)
drSchulze = Kinderarzt("Dr. Schulze")
drSchulze.untersuche(frMüller)
drSchulze.untersuche(kleineSusi)
Kovarianz auf Arrays
Bei Array-Datentypen kann Kovarianz bei Sprachen wie C++, Java und C# zu einem Problem führen, da diese intern den Datentyp auch nach der Umwandlung beibehalten:
Java | C# |
---|---|
@Test (expected = ArrayStoreException.class)
public void ArrayCovariance()
{
Giraffe[] giraffen = new Giraffe[10];
Schlange alice = new Schlange("Alice");
// Kovarianz (Typumwandlung in Vererbungsrichtung)
Tier[] tiere = giraffen;
// führt zur Laufzeit zu einer Ausnahme,
// da das Array intern vom Typ Giraffe ist
tiere[0] = alice;
}
|
[Test, ExpectedException(typeof(ArrayTypeMismatchException))]
public void ArrayCovariance()
{
var giraffen = new Giraffe[10];
var alice = new Schlange("Alice");
// Kovarianz
Tier[] tiere = giraffen;
// Ausnahme zur Laufzeit
tiere[0] = alice;
}
|
Um derartige Laufzeitfehler zu vermeiden, können generische Datentypen genutzt werden, die keine modifizierenden Methoden anbieten. In C# wird häufig das Interface IEnumerable<T>
verwendet, das unter anderem vom Array-Datentyp implementiert wird. Da ein IEnumerable<Tier>
nicht verändert werden kann, muss z. B. über Erweiterungsmethoden aus LINQ eine neue Instanz erzeugt werden, um Element alice
aufzunehmen.
[Test]
public void ArrayCovariance()
{
var giraffen = new Giraffe[10];
var alice = new Schlange("Alice");
IEnumerable<Tier> tiere = new Tier[]{ alice }
.Concat(giraffen.Skip(1).Take(9));
Assert.Contains(alice, tiere);
}