Karl Ferdinand Becker (Sprachforscher)
Karl Ferdinand Becker (* 14. April 1775 in Lieser; † 4. September 1849 in Offenbach am Main) war ein deutscher Arzt, Naturwissenschaftler, Pädagoge und Sprachforscher.
Herkunft
Seine Eltern waren Franz Anton Becker, Leiter eines kurfürstlichen Eisenhammers bei Lieser/Mosel und Anna Maria, geborene Sartorius.[1] Um 1780 kehrte die Familie in die westfälische Heimat zurück, und der Vater kaufte ein Gut in Schloß Neuhaus.
Leben
Nach dem Besuch des Gymnasiums in Paderborn trat Karl Ferdinand Becker in das Priesterseminar in Hildesheim ein und wurde kurz darauf Lehrer am Gymnasium Josephinum. Er verzichtete jedoch auf eine kirchliche Laufbahn und studierte seit 1799 an der Georg-August-Universität Göttingen Medizin. Im Jahre 1802 gewann er durch seine Abhandlung von dem Einfluß der äußern Wärme und Kälte auf den menschlichen Körper einen Preis der medizinischen Fakultät.
Im Jahre 1803 heiratete er Amalie Schmincke aus Karlshafen und ließ sich als praktischer Arzt in Höxter nieder. Im Jahre 1810 wurde er Unterdirektor der Pulver- und Salpeterfabriken im Département der Leine und des Harzes (Königreich Westphalen) und kehrte nach Göttingen zurück,[2] wo er seit 1812 an der Universität auch naturwissenschaftliche Vorlesungen hielt. Als um 1814 nach dem Sieg der alliierten Truppen über Napoleon die Seuche des „Nervenfiebers“ ausbrach, publizierte er eine Abhandlung Über die Erkenntnis und Heilung des Petechialfiebers. Daraufhin wurde er nach Frankfurt am Main berufen, wo er kurzfristig im Lazarett „Im deutschen Hause“ als Arzt tätig war, bevor er leitender Arzt am Kriegshospital in Heusenstamm (Fürstentum Isenburg) und dann in einem Hospital in Aschaffenburg (Großherzogtum Frankfurt) wurde.
Nach der Auflösung der „Centralhospitalverwaltung“ ließ er sich im Januar 1815 als praktischer Arzt in Offenbach nieder. Da die Arztpraxis kein finanzieller Erfolg war, widmete er sich nicht nur der Erziehung seiner acht Kinder, sondern auch der Erziehung der Kinder von Freunden. Im Jahre 1823 errichtete er in seinem Haus ein Internat, um sich ganz den pädagogischen Aufgaben widmen zu können. Beim Unterricht in der deutschen Sprache stellte er fest, dass eine grundlegende Grammatik fehlte. Seitdem widmete er sich Sprachforschungen und korrespondierte mit Jakob und Wilhelm Grimm, sowie mit Wilhelm von Humboldt.
Durch den finanziellen Erfolg infolge der hohen Auflage seiner „Schulgrammatik“ konnte sich Becker ganz der Sprachforschung widmen, so dass er vor allem als Sprachforscher bekannt wurde. Seine Lehre, die vorhandene Sprache als einen streng logischen Organismus aufzufassen, wurde allerdings von Jakob Grimm widerlegt, der die historische Betrachtungsweise bei Sprachproblemen in den Vordergrund stellte.
Sein Grab auf dem Alten Friedhof in Offenbach ist ein Ehrengrab.
Familie
Er heiratete im Jahr 1803 Amalia Schmincke aus Karlshafen. Das Paar hatte fünf Söhne und drei Töchter, darunter:
- Theodor (1822–1895), Prinzenerzieher, Geheimer Schulrat
- Bernhard, Schulmethodiker in Oldenburg
- Ferdinand Wilhelm (* 24. April 1805; † 22. Juni 1834), Arzt und Privatdozent in Berlin[3]
- Carl (1821–1897), Bankier und Konsul ⚭ Julie Schöffer (1839–1917), Eltern des Ministers Carl Heinrich Becker
- Dorothea Wilhelmine Sophie (1807–1871) ⚭ Johann Georg Helmsdörfer (1803–1856), Philologe[4]
- Ferdinande Dorothea Wilhelmine (* 22. November 1811; † 25. Juni 1893) ⚭ 1836 Friedrich Adolf Trendelenburg (1802–1872)
Publikationen
Naturwissenschaftliche und medizinische Schriften
- Beleuchtung des Marcardischen Aufsatzes: Ueber die Brownische Irrlehre (Göttingen 1802), Digitalisat (Göttingen 1803)
- Anleitung zur künstlichen Erzeugung des Salpeters (1814)
- Über die Erkenntnis und Heilung des Petechialfiebers (1814)
Grammatikalische Schriften
- Die deutsche Wortbildung (Frankfurt 1824), Digitalisat
- Deutsche Sprachlehre (Frankfurt 1827)
- Deutsche Sprachlehre. Zweiter Band: Deutsche Grammatik (Frankfurt a. M. 1829), Digitalisat
- Der Organismus der Sprache (1827)
- Ausführliche deutsche Grammatik als Kommentar der Schulgrammatik, Digitalisat (1. Abteilung, Frankfurt am Main 1836), Digitalisat (2. Abteilung, Frankfurt am Main 1837), Digitalisat (2. Ausgabe, 1. Band, Frankfurt am Main 1842, und 2. Band, Frankfurt am Main, 1843)
- Schulgrammatik der deutschen Sprache (Prag 1831)
- Handbuch der deutschen Sprache (Neuauflage der deutschen Schulgrammatik, neu bearbeitet von Theodor Becker), Digitalisat (9. Aufl., 1870), Digitalisat (10. Aufl., 1872), Digitalisat (11. Aufl., 1876)
- Organism der Sprache (2. Aufl. des Werks von 1827, Frankfurt 1841) (Digitalisat in der Digitalen Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern)
- Der deutsche Stil (Frankfurt am Main 1848; 3. Aufl. von Lyon, 1883), Digitalisat
- Lehrbuch des deutschen Stils (hrsg. von Theodor Becker, Frankfurt am Main 1850; 2. Aufl. 1870), Digitalisat (1. Auflage)
Einzelnachweise
- Kirchenbuch 2, Lieser, aufbewahrt im Bistumsarchiv Trier
- Franz Schmitt, Chronik Weindorf Lieser, Paulinusdruckerei Trier 1988, S. 595
- Deutsche Biographie Enzyklopädie -- Aachen - Braniß, S.470; Heinz Knab: Das kurze Leben des Ferdinand Becker zur Zeit der Romantik 1805 bis 1834 (hg. und bearb. von Bert Böhmer), Berlin 2005.
- Didaskalia: Blätter für Geist, Gemüth und Publizität, Band 16, S.433, Nachruf Johann Georg Helmsdörfer
Literatur
- Georg Helmsdörfer, Karl Ferdinand Becker, der Grammatiker, Digitalisat
- Henrik Becker: Becker, Karl Ferdinand. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 710 f. (Digitalisat).
- Robert Eitner: Becker, Karl Ferdinand. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 46, Duncker & Humblot, Leipzig 1902, S. 322–324.
- Gerhard Haselbach. Grammatik und Sprachstruktur. Karl Ferdinand Beckers Beitrag zur Allgemeinen Sprachwissenschaft in historischer und systematischer Sicht. Berlin: De Gruyter 1966.
- W. Keith Percival.'Josiah Gibbs (1790–1861): An echo of Karl Ferdinand Becker in the New World'. In: Lo van Driel & Theo Janssen (eds), Ontheven aan de tijd. Linguistic-historiografische studies voor Jan Noordegraaf bij zijn zestigste verjaardag. Amsterdam: Stichting Neerlandistiek VU & Muenster: Nodus Publikationen 2008, S. 161–170. (ISBN 978-3-89323-757-9).
- Franz Schmitt, Chronik Weindorf Lieser, Paulinusdruckerei Trier 1988, S. 595–599.
- Friedrich Schrod, Becker Karl Ferdinand, Pädagoge und Sprachforscher, in: Hessische Biographien, Band 2, Darmstadt 1927, S. 224ff.
- Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage von 1888 bis 1890.