Karl-Heinz Vehring

Karl-Heinz Vehring (* 18. Juli 1935 i​n Klosterholte, Landkreis Emsland) i​st ein deutscher Verwaltungsjurist, zuletzt Oberstadtdirektor v​on Lingen.

Karl-Heinz Vehring

Leben

Karl-Heinz Vehring i​st als zweitjüngstes v​on neun Kindern geboren. Er l​egte die Reifeprüfung 1956 a​m Gymnasium Meppen a​b und n​ahm im Sommersemester 1956 d​as Studium d​er Rechts- u​nd Staatswissenschaften a​n den Universitäten Münster u​nd Freiburg auf. Seine e​rste juristische Staatsprüfung erfolgte i​m Januar 1960, d​ie zweite i​m Januar 1964 n​ach 3,5 Jahren Referendarausbildung. Anschließend w​ar er b​is zum 31. Juli 1964 a​ls Gerichts-Assessor b​ei der Staatsanwaltschaft Bückeburg u​nd anschließend v​om 1. August 1964 b​is 28. Februar 1965 a​ls Regierungs-Assessor b​ei der Landeskulturverwaltung i​n Meppen tätig. Zum 1. März 1965 erfolgte s​eine Einstellung b​ei der Stadt Lingen (Ems) a​ls Stadtoberrechtsrat b​ei gleichzeitiger Übertragung d​er Funktion d​es allgemeinen Vertreters d​es Stadtdirektors. Am 1. Dezember 1966 w​urde er für d​ie Zeit v​om 1. Juni 1967 b​is 31. Mai 1979 einstimmig z​um Stadtdirektor d​er Stadt Lingen (Ems) gewählt. Durch d​en Statuswechsel d​er Stadt Lingen a​b 1. August 1977 (Lingen w​urde große selbstständige Stadt) erhielt e​r die Dienstbezeichnung Oberstadtdirektor u​nd wurde a​m 6. Juli 1978 o​hne Gegenstimmen für d​ie Zeit v​om 1. Juni 1979 b​is 31. Mai 1991 u​nd erneut a​m 7. Juni 1990 für d​ie Zeit v​om 1. Juni 1991 b​is 31. Mai 2003 wiedergewählt. Seine Dienstzeit b​ei der Stadt Lingen beendete e​r im 65. Lebensjahr a​m 30. April 2000. Karl-Heinz Vehring w​urde zum Ehrenbürger d​er Stadt Lingen (seit 1. Mai 2000) ernannt. Im Jahr 2009 w​urde ihm d​as Bundesverdienstkreuz a​m Bande verliehen.[1]

In seiner m​ehr als 30-jährigen Amtszeit bewirkte Karl-Heinz Vehring i​n Zusammenarbeit m​it dem Rat d​er Stadt maßgebliche Weichenstellungen i​n fast a​llen Lebensbereichen v​on Lingen.

Stadt Lingen

Gebietsreform

  • Nach schwierigen Verhandlungen erhielt die Stadt im Rahmen der niedersächsischen Gemeindereform in den 1970er Jahren die erforderliche Ausdehnung, um neue Wohn- und Gewerbegebiete ausweisen zu können. In den eingegliederten Gemeinden wurde eine Ortschaftsverfassung mit eigenen Zuständigkeiten geschaffen.
  • Im Zusammenhang mit der Kreisreform konnte zwar der Kreissitz nicht erhalten werden. Auf ihren Antrag erhielt Lingen allerdings als einzige Stadt in Niedersachsen neben den früheren kreisfreien Städten den Status einer großen selbstständigen Stadt mit eigenen Zuständigkeiten und der Kommunalaufsicht durch das Land.

Wirtschaft

  • Im Süden der Stadt wurde der Industriepark Lingen–Süd angelegt. Industrie- und Gewerbeflächen zur Größenordnung von mehreren 100 ha wurden unter weitgehender Erhaltung von Waldbestand landschaftlich integriert. Zahlreiche neue Unternehmen konnten sich hier niederlassen; in Lingen ansässige Betriebe konnten sich erweitern. Mehr als 2000 neue Arbeitsplätze entstanden.
  • Im Norden von Lingen wurde in Ergänzung zur vorhandenen Erdölraffinerie ebenfalls ein großzügiges Industrie- und Gewerbegebiet angelegt. Auch hier entstanden viele neue Arbeitsplätze.
  • Als Ausgleichsgebiet wurde 1995/1996 in Verbindung mit der Molkeentsorgung in Lingen nach dem Atomreaktorunglück von Tschernobyl ein von der Bundesrepublik gefördertes „Entwicklungs- und Erprobungsvorhaben Brögberner Teiche“ geschaffen. Im östlichen Stadtgebiet entstand ein mehrere 100 ha großer ökologisch gestalteter Naturraum.
  • Eine neu gegründete Stadtwerke Lingen GmbH übernahm 1998 nach erfolgreichen Verhandlungen die Strom-, Gas- und Wasserversorgung in Lingen. Die Versorgung mit Strom erfolgte vorher durch die Vereinigten Elektrizitätswerke Dortmund (VEW). Das Vertragswerk umfasste einen Wert von ca. 200 Millionen DM.
  • Auf dem Gelände des früheren Wagenwerkes der Deutschen Bundesbahn wurden 1991 für 23 Millionen DM neue Markt- und Messehallen zur Größe von 7000 m² mit einer multifunktionalen Nutzungsmöglichkeit geschaffen.

Innenstadt

  • Als Modellfall des Landes Niedersachsen erfolgte auf der Grundlage des Städtebauförderungsgesetzes die notwendige Sanierung der Innenstadt. Der historische Marktplatz mit den angrenzenden Zugangsstraßen wurde als Fußgängerbereich umgebaut. Eine unter dem Marktplatz geschaffene Tiefgarage nahm den ruhenden Verkehr auf. Es wurde bereits 1980 eine autofreie Innenstadt für ein gesellschaftliches Miteinander und einen attraktiven Wochenmarkt eingerichtet.
  • Nach fast 20-jähriger Planung wurde die den Marktplatz prägende Bebauung auf der südlichen Seite des historischen Platzes fertiggestellt.

Verkehr

  • Um die Verkehrsprobleme zu lösen – es führten die Bundesstraßen B 70, B 213 und B 214 mitten durch die Stadt – wurde von 1977 bis 1983 für 13 Millionen DM mit dem heutigen Konrad Adenauer Ring eine innerstädtische Straßenführung um die historische Wallanlage geschaffen.
  • Mehrere höhengleiche Bahnübergänge wurden durch Über- bzw. Unterführungen ersetzt.
  • Mit dem Bau einer Umgehungsstraße von 1976-1985 in einer Länge von 17 km konnte der Durchgangsverkehr aus der Stadt heraus gehalten werden.
  • Parallel zum Ausbau von Straßen wurde ein attraktives Radwegenetz angelegt.

Wohnen

  • Anfang der 1970er Jahre wurde eine städtische Grundstücks- und Erschließungsgesellschaft gegründet. Sie kauft Bauerwartungsland. Nach Aufstellung von Bebauungsplänen, Bau von Straßen und Verlegung der Versorgungsleitungen werden die Bauplätze unter Berücksichtigung der entstandenen Selbstkosten veräußert. Der Planungsgewinn von Baulanderwartung zu Bauplätzen kommt den Bauwilligen zugute. Mehr als 2000 preisgünstige Baugrundstücke konnten so zu Verfügung gestellt werden.
  • Von 1971 bis 1974 wurde durch die Bereitstellung von Baugrundstücken die sog. „Friedlandsiedlung“ mit 130 Häusern für Flüchtlinge und Spätaussiedler gebaut.

Soziales

  • Mit zukunftsgerichteten Planungen, Grundstücken sowie mit nicht unerheblichen finanziellen Mitteln konnte in der Innenstadt zur Entwicklung des St. Bonifatius Hospitals als Schwerpunkt- und Lehrkrankenhaus beigetragen werden.
  • Das Christophorus-Werk als eine Einrichtung für Menschen mit Behinderungen sowie ein angegliedertes Berufsbildungswerk für die nordwestliche Region mit mehr als 200 Internatsplätzen wurden in den 1970er Jahren durch Grunderwerb, umfassende Planungen und finanzielle Hilfen gefördert.
  • Eine neue Klinik (Hedon Klinik) u.a. für die Anschlussheilbehandlung nach Unfall- und Schlaganfallerkrankungen wurde 1994 mit einem Kostenaufwand von 60 Millionen DM durch einen Investor geschaffen. Der Bau wurde durch die Bereitstellung von Grundstücken, Planung und Erschließung umfassend unterstützt.
  • Der Landesverband des Deutschen Jugendherbergsverbandes konnte 1994 dafür gewonnen werden, in Lingen eine neue ökologisch orientierte Jugendherberge mit einem Kostenaufwand von 7,5 Million DM zu errichten. Das Vorhaben wurde ebenfalls durch Bereitstellung von Grundstücken, Planungen und finanziellen Hilfen gefördert.

Kultur

  • Zum Gedenken an die Ermordung Lingener Bürger jüdischen Glaubens, die Auslöschung der jüdischen Gemeinde und die Zerstörung der Synagoge wurde eine Gedenkstätte mit Gedenksteinen errichtet, auf denen die Namen aller ermordeten jüdischen Familien aufgeführt sind. Die erhaltene frühere jüdische Schule wurde erworben und zusammen mit dem Arbeitskreis Judentum-Christentum als Dokumentationszentrum hergerichtet.
  • Das im Jahre 1680 errichtete Seminargebäude und 1685 gebaute Professorenhaus der alten Lingener Universität wurden erworben, renoviert und dem Kunstkreis Lingen bzw. einem von der Emsländischen Landschaft gegründeten Theaterpädagogischen-Zentrum zur Verfügung gestellt.
  • Die Hochschultradition wurde 1995 dadurch fortgeführt, dass eine Fachhochschule als weitgehend eigenständiger Standort der Fachhochschule Osnabrück mit heute mehr als 2000 Studierenden eingerichtet wurde. Sie befindet sich heute im Wesentlichen in umgebauten Hallen des frühen Eisenbahn Ausbesserungswerkes Lingen.
  • In Lingen wurde 1989 die erste Berufsakademie in Niedersachsen als duales Studienangebot auf der Grundlage von Praxiserfahrung und Studium gegründet. Sie wird heute als eigener Studiengang der Fachhochschule geführt.
  • Im Jahre 1977 nahm das neue städtische Theater an der Wilhelmshöhe mit mehr als 700 Plätzen seinen Betrieb auf.
  • In der Folgezeit wurden in der Nähe zum historischen Universitätsplatz eine neue Bücherei, ein städtisches Archiv, eine neue Musikschule und ein Emslandmuseum (zusammen mit dem Landkreis) errichtet.
  • Eine vom Land Niedersachsen geförderte und in der Region bekannte Kunsthalle konnte 1996/1997 in einem von der Stadt Lingen zur Verfügung gestellten Gebäude des früheren Eisenbahnausbesserungswerkes durch einen Trägerverein gebaut werden.

Sport

  • Ein bereits 1971 gebautes Freibad wurde 1995/1996 zu einem Erlebnisbad „Linus“ mit Badelandschaft erweitert.
  • Der Bau von Tennisplätzen mit einer mehrere Plätze umfassenden Halle sowie die Errichtung eines Reitsportzentrums wurden gefördert.
  • Die Anlage eines großzügigen Golfplatzes an der Ems wurde unterstützt.
  • Umfangreiche städtische Sportanlagen wurden in allen Ortschaften von Lingen geschaffen.

Behörden

  • Nach einer baulichen Erweiterung des Amtsgerichts Lingen wurde diesem zwecks Einrichtung einer Vollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück ein angrenzendes bebautes Grundstück überlassen.
  • Für den Neubau des Arbeitsamtes sowie zur notwendigen Erweiterung des Finanzamtes wurden jeweils zentrumsnah ein Grundstück zu einem symbolischen Preis zur Verfügung gestellt.
  • Während der niedersächsischen Polizeireform 1993/1994 konnte die Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim in Lingen dauerhaft eingerichtet werden. In der Folgezeit investierte das Land Niedersachsen für Aus- und Neubau fast 10 Millionen Euro.

Im Jahre 1975 feierte d​ie Stadt Lingen n​ach umfangreichen Vorbereitungen i​hr 1000-jähriges Bestehen m​it einer großen Jubiläumsfeier. Der damalige Bundespräsident Walter Scheel s​owie das gesamte niedersächsische Kabinett u​nter dem Ministerpräsidenten Alfred Kugel w​aren anwesend.[2][3]

Ehrenämter

  • Erster Vorsitzender des Deutschen Roten Kreuzes, DRK-Kreisverband Emsland (früher DRK Lingen), von 1980 bis 2017.[4]
  • Erster Vorsitzender des Altenwerks Lingen e.V. (gemeinnütziger Verein mit 67 Wohnungen für Betreutes Wohnen) von 1991 bis 2021.
  • Mitglied des Akademischen Lehrkrankenhauses St. Bonifatius Hospital Lingen e.V. seit 1968.
  • Mitglied im Trägerverein des Christophorus-Werk Lingen e.V. seit 1976.[5]
  • Vorstandsmitglied des Wasserverbandes Lingener Land seit 1982 und dessen Verbandsvorsteher von 2001 bis 2017.[6]
  • Stellvertretender Verbandsvorsteher des Dachverbandes der Wasserwirtschaft im Landkreis Emsland von 2002 bis 2017.
  • Mitglied des Unterhaltungsverbandes Ems I von 1967 bis 2017.[7]
  • Vorstandsmitglied des Heimatvereins Lingen (Ems) seit 1982 und dessen erster Vorsitzender von 1982 bis 1992.
  • Mitglied im Trägerverein des Ludwig-Windthorst-Hauses e.V. seit 1977.[8]
  • Mitglied des Verwaltungsrats der Kreissparkasse Lingen von 1981 bis 2000.

Literatur

  • Karl-Heinz Vehring: Lingen – Zentrum einer Region – Strukturwandel und Modernisierung. Verlag Edition Virgines, Düsseldorf 2013, ISBN 978-3944011097.
  • Karl-Heinz Vehring: Jüdische Bürger nach dem 2 Weltkrieg in Lingen – Begegnungen und Veranstaltungen. Lingen 2020.[9][10]
  • Gestaltung und Mitverfasser: Die Wilhelmshöhe 2020 – 175 Jahre Begegnungsstätte in Lingen. Lingen 2020.[11]
  • Kommunale Steuerzeitschrift (2006,2008,2010) über Zahlung einer Konzessionsabgabe nach der Konzessionsabgabenanordnung (KAE) durch Wasserverbände als Wasser- und Bodenverbände (Zulässigkeit der Zahlung, Mindestgewinn, Gewerbesteuerpflicht).
Commons: Karl-Heinz Vehring – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Ex-Oberstadtdirektor wird 80, abgerufen am 30. Januar 2018.

Einzelnachweise

  1. Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den früheren Oberstadtdirektor Karl-Heinz Vehring, abgerufen am 30. Januar 2018.
  2. Karl-Heinz Vehring: Lingen – Zentrum einer Region: Strukturwandel und Modernisierung. Edition Virgines, Düsseldorf 2013, ISBN 978-3-944011-09-7.
  3. Jährliche Verwaltungsberichte der Stadt Lingen (Ems) seit 1968
  4. DRK-Präsident Rudolf Seiters ehrt Lingener Karl-Heinz Vehring, abgerufen am 30. Januar 2018.
  5. Der Verein Christophorus-Werk Lingen e.V., abgerufen am 30. Januar 2018.
  6. Vehring Ehrenverbandsvorsteher des Wasserverbandes Lingener Land, abgerufen am 30. Januar 2018.
  7. Unterhaltungsverband in Lingen dankt Vehring für Einsatz, abgerufen am 30. Januar 2018.
  8. Ludwig-Windthorst-Haus e.V., abgerufen am 30. Januar 2018.
  9. noz.de: Lingen und die jüdischen Bürger: Ein ermutigendes Buch | NOZ. 19. November 2020, abgerufen am 15. Februar 2022.
  10. Stadt Lingen (Ems). Abgerufen am 15. Februar 2022.
  11. noz.de: "An diesem Abend war ich auf der Wilhelmshöhe angekommen" | NOZ. 26. Oktober 2020, abgerufen am 15. Februar 2022.
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