Kanzi (Bonobo)
Kanzi (* 28. Oktober 1980) ist der Name eines Bonobos (Zwergschimpanse), der aufgrund seiner vergleichsweise ausgeprägten englischen Sprachkenntnisse berühmt wurde.[1]
Seine mentalen Fähigkeiten wurden unter anderem 1994 in „The Ape at the Brink of the Human Mind“ (deutscher Titel: „Kanzi, der sprechende Affe“) beschrieben.[2] Das Sprechen menschlicher Sprache ist Bonobos anatomisch zwar nicht möglich,[3] Kanzi versteht aber teilweise gesprochenes Englisch und kann mithilfe einer 300 Lexigramme umfassenden Symboltafel kommunizieren.[1] Er wurde in verschiedenen Dokumentarfilmen über tierische Intelligenz und tierische Sprache porträtiert.[1] Die Erkenntnisse der Versuche mit Kanzi trugen zum Verständnis der Verhaltensbiologie von Bonobos bei.[4]
Leben
Kanzi wurde in der Yerkes field station der Emory University geboren. Seine Eltern waren Lorel und Bosandjo. Kurz nach seiner Geburt wurde Kanzi von der ranghöheren Bonobo Matata gestohlen und adoptiert. Kanzi lebt in einem speziellen Tierheim in Des Moines (US-Bundesstaat Iowa) und lernte dort schon ab seinem ersten Lebensjahr, mit Menschen zu kommunizieren. Später wurde er zum Language Research Center der Georgia State University transferiert.
Kanzi, der von der Psychologin und Affenforscherin Sue Savage-Rumbaugh unterrichtet wird, versteht etwa 3000 Wörter (in englisch) und reagiert darauf. Sein eigenes Vokabular umfasst etwa 500 Wörter. Kanzi kommuniziert per Computertastatur mit Lexigrammen. Das sind kleine, abstrakte Wortsymbole, auf die er tippt. Damit kann er Sätze bilden, verwendet Wörter auch im übertragenen Sinn (er schimpft über einen anderen – wohl bemerkt sauberen – Affen als „Affe, dreckig“), äußert Gefühle und Wünsche und hat die Intelligenz eines etwa dreijährigen Menschen. Sein eigenes Lexigramm ist vom chinesischen Zeichen 太 abgeleitet, sein Name bedeutet auf kisuaheli ‚verborgener Schatz‘. Er ist in der Lage, einem zuvor unbenutzten Symbol auf seiner Tastatur ein neues Wort zuzuordnen („rote Tasse“) und beantwortet ab dann die Frage, ob er etwas zu trinken haben möchte, mit „Orangensaft, rote Tasse“. Des Weiteren hat er durch seine Fähigkeit, mit Streichhölzern Feuer zu machen und Nahrung (unter anderem Marshmallows) zu grillen, Aufmerksamkeit erregt.[5] Kanzi kann Lebensmittel aus einem Verkaufsautomaten beziehen und in einem Mikrowellenherd zubereiten[1] und schaut sich selbstausgewählte Filme im Fernsehen an.[1]
Zu den beschriebenen Versuchen zählt: In einem durch ein Gitter geteilten Raum ist in jedem Teil ein Affe. Einer (A) bekommt hintereinander Delikatessen in verschlossenen Behältern, jeder lässt sich nur mit einem ganz bestimmten Werkzeug öffnen. Alle diese Werkzeuge hat der andere Affe (B). Nun muss (über eine Tastatur) A bei B das richtige Werkzeug anfordern, B sucht es und übergibt es durch ein Loch im Gitter an A. Nun kann A den Behälter öffnen und kommt an die begehrte Leckerei.[2] Ab 1990 wurde zudem Kanzis Fähigkeit untersucht, Steinwerkzeuge herzustellen.[6][7][8]
Dokumentarfilme
- National Geographic Explorer: Pygmy Chimps: Star Students (1985)
- TEDtalks: Susan Savage-Rumbaugh: The Real-Life Culture of Bonobos (2006)
Literatur
- Metin I. Eren, Stephen J. Lycett, Masaki Tomonaga: Underestimating Kanzi? Exploring Kanzi‐Oldowan comparisons in light of recent human stone tool replication. In: Evolutionary Anthropology. Band 29, Nr. 6, 2020, S. 310–316, doi:10.1002/evan.21858.
- P. Segerdahl, W. Fields, S. Savage-Rumbaugh: Kanzi's Primal Language. Springer, 2005, ISBN 978-0-230-51338-9.
- Sue Savage-Rumbaugh, William M. Fields, Tiberu Spircu: The emergence of knapping and vocal expression embedded in a Pan/Homo culture. In: Biology and Philosophy. Band 19, 2004, S. 541–575, doi:10.1007/sbiph-004-0528-0.
- Sue Savage-Rumbaugh, Roger Lewin: Kanzi:The Ape at the Brink of the Human Mind. Wiley, 1996, ISBN 978-0-471-15959-9.
- J. Mitani: Kanzi: The Ape at the Brink of the Human Mind. In: Scientific American. 272, 6, 1995 (ISSN 0036-8733).
- Roger D. Masters: Kanzi: The ape at the brink of the human mind. By Sue Savage-Rumbaugh and Roger Lewin. New York: John Wiley & Sons. 1994. In: American Journal of Physical Anthropology. Band 97, 1995, S. 203–205, doi:10.1002/ajpa.1330970212.
Weblinks
- Susan Goldin-Meadow: Book Review, ausführliche Buchrezension zu dem Buch Kanzi: The Ape at the Brink of the Human Mind (englisch)
Belege
- Margo DeMello: Animals and Society. Columbia University Press, 2012, ISBN 978-0-231-52676-0, S. 369.
- Sue Savage-Rumbaugh, R. Lewin: Kanzi: The Ape at the Brink of the Human Mind. Wiley 1994 ISBN 0-471-58591-2. Deutsche Ausgabe: »Kanzi - der sprechende Schimpanse. Was den tierischen vom menschlichen Verstand unterscheidet.« Aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel. Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München 1995, ISBN 3-426-77311-2.
- Barry Lewis: Cengage Advantage Books: Understanding Humans: An Introduction to Physical Anthropology and Archaeology. Cengage Learning, 2008, ISBN 978-0-495-60474-7.
- Richard W. Wrangham: Chimpanzee Cultures. Harvard University Press, 1996, ISBN 978-0-674-11663-4, S. XVIII.
- P Raffaele: Speaking Bonobo. In: Smithsonian Magazine (Hrsg.): Smithsonian Magazine. November 2006. Abgerufen am 26. November 2018.
Amazing photos of Kanzi the bonobo lighting a fire and cooking a meal. Fotostrecke auf telegraph.co.uk. Abgerufen am 26. November 2018 - Nicholas Toth, Kathy D. Schick, E. Sue Savage-Rumbaugh, Rose A. Sevcik, Duane M. Rumbaugh: Pan the Tool-Maker: Investigations into the Stone Tool-Making and Tool-Using Capabilities of a Bonobo (Pan paniscus). In: Journal of Archaeological Science. Band 20, Nr. 1, 1993, S. 81–91, doi:10.1006/jasc.1993.1006.
- Kathy D. Schick, Nicholas Toth, Gary Garuf, E. Sue Savage-Rumbaugh, Duane Rumbaugh, Rose Sevcik: Continuing Investigations into the Stone Tool-making and Tool-using Capabilities of a Bonobo (Pan paniscus). In: Journal of Archaeological Science. Band 26, Nr. 7, 1999, S. 821–832, doi:10.1006/jasc.1998.0350.
- Itai Roffman, Sue Savage-Rumbaugh, Elizabeth Rubert-Pugh, Avraham Ronen, Eviatar Nevo: Stone tool production and utilization by bonobo-chimpanzees (Pan paniscus). In: PNAS. Band 109, Nr. 36, 2012, S. 14500–14503, doi:10.1073/pnas.1212855109.