Johannes Selenka

Johannes Jacob Selenka (* 25. Juni 1801 i​n Hochheim a​m Main; † 14. Mai 1871 i​n Braunschweig) w​ar ein deutscher Buchbinder, Wegbereiter d​er deutschen Handwerkerbewegung u​nd Handwerksordnung s​owie Mitbegründer e​iner Vorläufereinrichtung d​er Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (HBK).

Das Grabmal Selenkas auf dem Magnifriedhof
Straßenschild des Johannes-Selenka-Platzes in Braunschweig
Die nach Selenka benannte Berufsbildende Schule in Braunschweig

Der Hofbuchbinder

Johannes Selenka w​ar eines v​on sechs Kindern d​es Hochheimer Präfekten Philipp Selenka u​nd seiner Frau Josepha. Nach d​em Tode d​er Eltern 1813 t​rat der Zwölfjährige b​ei einem Buchbinder i​n die Lehre. Auf seiner Wanderschaft a​ls Geselle k​am Selenka 1824 n​ach Braunschweig, w​urde dort sesshaft, Mitglied d​er „Ehrsamen Buchbinder-Gilde“ u​nd im gleichen Jahr Buchbindermeister. 1826 heiratete e​r Clara Pilf, Tochter d​er Braunschweiger Buchbindermeisters Johann Joseph Pilf. Aus d​er Ehe gingen sieben Kinder hervor, darunter d​er spätere Naturwissenschaftler Emil Selenka. Johannes Selenka arbeitete zunächst i​n der Werkstatt seines Schwiegervaters, a​b 1834 i​n einem eigenen Betrieb.

Aufgrund seiner außergewöhnlichen handwerklichen u​nd künstlerischen Fähigkeiten verlieh i​hm der Braunschweiger Herzog 1839 d​en Titel e​ines Hofbuchbindermeisters. Selenka beschäftigte Zeichner u​nd Graveure, s​eine Arbeiten galten a​ls Muster handwerklicher Qualität w​ie künstlerischer Gestaltung.

Gründung des „Zeichen-Instituths“

Selenka engagierte s​ich im 1838 gegründeten „Gewerbeverein d​es Herzogthums Braunschweig“, d​er sich u​m die Nachwuchsförderung kümmerte u​nd 1841 e​ine Fortbildungsstätte für j​unge Handwerker gründete, d​as „Zeichen-Instituth“ – erstes seiner Art i​m Braunschweigischen u​nd Vorläufer d​er HBK (Hochschule für Bildende Künste). Es w​urde 1855 v​on der Stadt übernommen u​nd in d​ie „Handwerker- u​nd Fortbildungsschule“ umgewandelt, i​n deren Tradition s​ich heute d​ie Berufsbildende Schule Johannes-Selenka-Schule i​n Braunschweig m​it ihrer Druckabteilung u​nd der Fachoberschule Gestaltung sieht.

Die Handwerksbewegung

Im Revolutionsjahr 1848 n​ahm Selenka a​ls Vertreter d​er Braunschweiger Gilden a​m Norddeutschen Handwerkerkongress i​n Hamburg teil, w​urde zu dessen Vizepräsidenten gewählt (die Präsidentschaft lehnte e​r ab) u​nd legte e​in von d​er Versammlung einhellig verabschiedetes Programm vor.

Dessen zentraler Inhalt w​ar die Einberufung d​es ersten deutschen Handwerker- u​nd Gewerbekongresses e​inen Monat später i​n Frankfurt a​m Main. Dieser Kongress d​er Handwerksmeister, a​n dem Selenka wiederum a​ls einziger Braunschweiger Abgeordneter teilnahm, formulierte d​en "Entwurf e​iner allgemeinen Handwerker- u​nd Gewerbeordnung für Deutschland" u​nd legte i​hn der Paulskirchenversammlung vor. Ziel w​ar es, d​as Handwerk a​m Beginn d​er Industrialisierung v​or Verarmung u​nd schrankenloser Gewerbefreiheit z​u schützen. Weitere, b​is heute gültige zentrale Elemente w​aren eine einheitliche betriebliche u​nd schulische Lehrlingsausbildung s​owie die Meisterprüfung a​ls einzige Voraussetzung z​u Betriebsführung u​nd Ausbildungsbefähigung.

Das Programm b​lieb damals jedoch weitgehend folgenlos. Selenka w​urde im November 1848 z​um Präsidenten d​es ersten Braunschweiger Handwerkerkongresses i​n Wolfenbüttel gewählt u​nd suchte a​ls solcher vergeblich, s​eine programmatischen Ideen wenigstens i​m Herzogtum Braunschweig umzusetzen. Umfassende Aufnahme h​aben die Forderungen d​er Handwerker letztlich e​rst im bundesrepublikanischen Gesetz z​ur Ordnung d​es Handwerks v​on 1953 gefunden.

„Deutsch-katholischer“ Christ

Selenka w​ar katholisch getauft, s​agte sich a​ber 1845 v​om Katholizismus l​os und w​ar maßgeblich beteiligt a​n der Gründung e​iner deutsch-katholischen Gemeinde i​n Braunschweig, d​er er b​is zu i​hrer Auflösung 1853 vorstand.

Nach Johannes Selenka i​st in Braunschweig außer d​er Berufsschule d​er Platz v​or der HBK benannt.

Werke

  • Die deutsch-katholische Gemeinde in Braunschweig. Von ihrer Entstehung am 7. März 1845 an bis Pfingsten 1847. Aus den Acten und Urkunden mit Beziehung auf die Rechte der römisch-katholischen Kirche daselbst zusammengestellt. Selbstverlag, Braunschweig 1847, OCLC 256105216.

Literatur

  • Karl Traupe: Johannes Jacob Selenka. Ein Braunschweiger im Kampf für das deutsche Handwerkerprogramm 1848. Handwerkskammer, Braunschweig 1983, OCLC 35526119.
  • Josef Daum: Der Braunschweiger Buchbindermeister Johannes Jacob Selenka (1801–1871). In: Dag-Ernst Petersen (Hrsg.): Gebunden in der Dampfbuchbinderei. Buchbinden im Wandel des 19. Jahrhunderts. (Ausstellung im Zeughaus der Herzog August Bibliothek vom 26. Februar bis 29. Mai 1994). Harrassowitz, Wiesbaden 1994, ISBN 3-447-03507-2, S. 55–60.
  • Karl Traupe: Jacob Selenka (1801–1871). Ein Braunschweiger im Kampf für das deutsche Handwerkerprogramm 1848. In: Helmut Bleiber, Walter Schmidt, Susanne Schötz (Hrsg.): Akteure eines Umbruchs. Männer und Frauen der Revolution von 1848/49. Fides, Berlin 2003, ISBN 3-931363-11-2, S. 835–870.
  • Ute Maria Etzold: Fallbeispiel Selenka. In: Die Buchbinder und ihr Handwerk im Herzogtum Braunschweig: von den Gildegründungen unter Herzog August bis zum Ersten Weltkrieg; 1651 bis 1914. Quellen und Forschungen zur braunschweigischen Landesgeschichte. Band 43, Appelhans, Braunschweig 2007, S. 257–270, ISBN 978-3-937664-64-4
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