Johann Heinrich Christoph Weidemann
Johann Heinrich Christoph Weidemann[1] (auch: Johann Heinrich Christoffer Weidemann[2] und Johann Heinrich Christian Weidemann;[3] * 20. Januar 1717; † 9. August 1785 in Hannover)[4] war ein in seiner Zeit bekannter deutscher Glockengießer.[1]
Leben
In den ersten Jahrzehnten nach der Erhebung des Fürstentums Calenberg-Göttingen-Grubenhagen zum Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg mit Hannover als anfängliche Residenzstadt erteilte der aufgrund der Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover[5] vornehmlich in London residierende Landesherr König Georg I.[6] im Jahr 1721 dem Thomas Riedeweg zu Hannover das Privileg zum Gießen von Glocken, das bis in das Jahr 1730 Bestand hatte.[7]
Im Jahr 1740 verkaufte der Rat der Stadt Hannover das Stadtgießhaus vor dem Steintor an einen privaten Glockengießer.[1] Dem Johann Heinrich Christoph Weidemann zu Hannover wurde jedoch erst im Jahr 1743 das Privileg zum Glockengießen zuerteilt,[8] nun durch den Hannoverschen Kurfürsten und britischen König Georg II.[9] Noch im selben Jahr goss Weidemann eine der Glocken für die katholische Clemenskirche[1] in der Calenberger Neustadt.[10]
Ebenfalls ab 1743 begann Weidemann mit der Herstellung von Glocken für Dorfkirchen, etwa in Hänigsen im Amt Burgdorf.[2]
Für 150 Thaler lieferte Weidemann die noch fehlende, dann am 29. Januar 1750 aufgehängte Glocke für die erste Gartenkirche mit einem Gewicht von 298,5 Pfund.[11]
In Hameln wurde im Jahr 1756 in der Marktkirche S. Nicolai eine Glocke von Weidemann aus Hannover geliefert[2] mit einem Gewicht von rund 25 Zentnern, gestiftet von dem seinerzeitigen Hamelner Schuldirektor und Professor Johann David Heilmann und mit der lateinischen Inschrift
„Anna vocor, genuit me voedis Roma tenebris; ad pia nunc populum sacra renata vocco.[12]“
1770 schuf Weidemann zum Preis von 250 Talern eine der ersten großen sogenannten Schlangenrohrfeuerspritzen für das Amt Blumenau. Die in Luthe untergestellte Sprütze hatte zwei Druckzüge und drückte den Wasserstrahl bei einer Leistung von 20 Eimern in zwei Minuten vierzig Fuß hoch.[13]
Die Glocke wurde in Gegenwart des Hamelner Bürgermeisters Johann Friedrich Moller und den Predigern Hampe und Oldendorp am 10. Juli 1756 aufgehängt und am 18. des Monats „unter Pauken- und Trompeten-Schalle eingeweiht“. Sie fand ihren Platz nahe einer älteren aus Hannover aus dem Jahr 1673 stammenden Glocke von Ludolph Siegfried.[12]
Ebenfalls 1756 lieferte Weidemann außerdem zwei der seinerzeit fünf Glocken der Hamelner Münsterkirche St. Bonifatius: Die größte mit einem Gewicht von rund 30 Zentnern enthielt die Namen der Stifter. Die zweite wurde wiederum mit dem Namen des Stifters Johann David Heilmann versehen. Diese beiden Glocken wurden ebenfalls am 18. Juli 1756 geweiht.[12]
Aus der Werkstatt Weidemanns stammt auch eine 1776 in Barsinghausen im Amt Wennigsen gegossene Glocke.[2]
Weidemann war verheiratet mit Ilse Dorothea, geborene Heise († 1759). An der nördlichen Außenwand der Marktkirche findet sich ihre gemeinsame Grabstele,[14] beziehungsweise das Epitaph, das auch die Inschrift für den 1785 verstorbenen Weidemann aufweist.[3]
Joh. Christ. Weidemann
Nach dem Tode von Weidemann im Jahr 1785[3] wirkte etwa 1791 ein Joh. Christ. Weidemann in Hannover als Glockengießer.[15] Nach der sogenannten Franzosenzeit und der Erhebung des ehemaligen Kurfürstentums zum Königreich Hannover[5] vermerkte das Hannöversche Adreß-Buch für das Jahr 1817 den Eintrag „Weidemann, J., Tabacksfabrik und Glockengießer, Steinthorstr. 5.“[16] Das Adressbuch von 1819 verzeichnete Weidemann unter derselben Adresse allerdings nur noch als Rentenier.[17]
Weitere bekannte Glocken
- Die 1751 durch Weidemann gegossene große Glocke für die Gemeinde Elliehausen wurde 1917 zu Rüstungszwecken abgeliefert.[18]
- Nach dem Brand der St. Martins-Kirche in Seelze 1755 wurden die geschmolzenen Reste der 5 großen Glocken sowie weiteres Metall Weidemann, zusammen 28 und 18 Zentner Metall, Weidemann zu Guss von zwei neuen Glocken übergeben. Im beiden im Frühjahr 1757 fertiggestellten Glocken wurden in einem schlichten, niedrigen Glockenstuhl aufgehängt und am 10. April 1757 zu Ostern erstmals geläutet. Die große mit 132 cm Durchmesser und 26 Zentnern Gewichte „musste am 28. Juni 1918 für Kriegszwecke abgeliefert werden.“ Die kleine Glocke mit 109 cm Durchmesser, einem Gewicht von 14 Zentnern in der Inschrift „Gegossen aus feurigen Thränen, welche man mit Weinen in die Asche fallen sahe und mit Freuden auflas“ musste am 22. April 1942 für Kriegszwecke abgeliefert werden. Sie konnte aber in der Nachkriegszeit vom „Glockenfriedhof“ in Hamburg unbeschadet zurückgeholt werden.[19]
- Die kleinste der drei Glocken in der Kirche St. Nikolai in Gifhorn war 1760 offenbar gebrochen. Der zu Hilfe gerufene Weidemann begutachtete diese und schloss einen Vertrag, wonach die defekte Glocke nach Hannover verbracht und dort neu gegossen wurde. Für den Guss der 600 kg schweren Glocke mit gis-Klang, die dann im Turm eingebaut wurde und heute die älteste erhaltene Glocke St. Nikolais ist, erhielt Weidemann 170 Reichstaler, die Handwerker für Ein- und Ausbau sowie den Transport weitere 45 Reichstaler. Die lateinische Inschrift auf der Glocke lautet übersetzt: „Mit helltönendem Klang diene ich den heiligen Dingen, zum Lobe des höchsten Gottes alle erfüllend. Superintendent Dr. Christian Joh. Ludolph Reusmann, Amtmann Johann Philipp Tiling. Die Bronze wurde im Lande Hannover gegossen.“ Am Glockenrand findet sich zudem der Hinweis „A. JOH: HEINR: CHRIST. WEIDEMANN GOS MICH ANNO 1760“.[20]
Literatur
- Carl Wolff: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Heft 1: Landkreise Hannover und Linden, Hannover: Selbstverlag der Provinzialverwaltung, Theodor Schulzes Buchhandlung, 1899, passim; online als PDF bei archive.org
Archivalien
Archivalien von und über Johann Heinrich Christoph Weidemann finden sich beispielsweise
- im Niedersächsischen Landesarchiv (Standort Hannover)
- als Akte unter dem Titel Privileg für den Glockengießer Johann Heinrich Christoph Weidemann zu Hannover zum Glockengießen für die Laufzeit 1743; Archivsignatur NLA HA Hann. 74 Münden Nr. 7123 (alte Signatur K 457)[21]
- als Akte für die Laufzeit von 1749 bis 1774 unter dem Titel Älteste Nachrichten von der Stückgießerei zu Celle. Versuche des Stückgießers und Glockengießers Weidemann zu Hannover wegen des Gusses von Kanonen. Verkauf alter Geschütze unter der Rubrik Generalkommando und Militärakten der Deutschen Kanzlei in London, Archivsignatur NLA HA Hann. 41 VIII Nr. 6[22]
Weblinks
Einzelnachweise
- Carl-Hans Hauptmeyer: 1740 und 1742. In: Hannover Chronik, S. 87f.; Vorschau über Google-Bücher
- Heinrich Otte: Glockenkunde, 2. erweiterte Auflage, Leipzig: Weigel, 1884, S. 216; Vorschau über Google-Bücher
- Helmut Knocke, Hugo Thielen: Johann Heinrich Christoph Weidemann und Johann Heinrich Christian Weidemann, in Dirk Böttcher, Klaus Mlynek (Hrsg.): Hannover. Kunst- und Kultur-Lexikon (HKuKL), Neuausgabe, 4., aktualisierte und erweiterte Auflage, zu Klampen, Springe 2007, ISBN 978-3-934920-53-8, S. 34, 128
- Vergleiche die Inschrift auf der Seite billiongraves.com
- Klaus Mlynek: Hauptstadt(funktion). In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 274.
- Klaus Mlynek: Personalunion. In: Stadtlexikon Hannover, S. 498
- Vergleich die Akte NLA HA Hann. 74 Münden Nr. 7120 im Niedersächsischen Landesarchiv; alte Archivsignatur K 454
- Vergleiche die Akte NLA HA Hann. 74 Münden Nr. 7123 im Niedersächsischen Landesarchiv; alte Archivsignatur K 457
- Klaus Mlynek: Georg August, Kurfürst von Hannover, als Georg II. König von Großbritannien und Irland. In: Hannoversches Biographisches Lexikon, S. 127
- Klaus Mlynek: Clemens, St. C. In: Stadtlexikon Hannover, S. 113f.
- Heinrich Ahrens: Geschichte der Garten-Gemeinde in der Königl. Residenzstadt Hannover. Zum Besten der St. Pauluskirche zu Hannover, Hannover: Schlütersche Buchdruckerei, 1883, S. 17
- Friedrich Sprenger (Bearb.): Geschichte der Stadt Hameln, Hannover: in Kommission der Hellwingschen Hofbuchhandlung, 1826, S. 302, 310; Digitalisat über Google-Bücher
- o.V: Chronik auf der Seite der Ortsfeuerwehr Seelze [ohne Datum], zuletzt abgerufen am 16. April 2020
- Wolfgang W. Ewig: Die Grabmale in der Marktkirche Hannover. Lageplan, Faltblatt DIN A4, [ohne Datum, 2010?]
- Hector Wilhelm Heinrich Mithoff: Kirchen und Kapellen im Königreiche Hannover. Nachrichten über deren Stiftung, Bauart, Geräthe, Kunstschätze und Alterthümer, Heft 1: Gotteshäuser im Fürstentume Hildesheim, Hrsg.: Historischer Verein für Niedersachsen, Hannover: Hahn'sche Hofbuchhandlung, 1865, S. 34; Digitalisat über Google-Bücher
- Hannöversches Adreß-Buch für das Jahr 1817, I. Alphabetisches Verzeichniß der hiesigen Einwohner mit Bemerkung ihres Geschäfts, der Straßen in welchen dieselben wohnen und der Hausnummer, S. 92; Digitalisat der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek (GWLB)
- Hannoversches Adreß-Buch für das Jahr 1819, S. 117; Digitalisat der GWLB
- o. V.: Elliehausen auf der Seite kirchengemeindelexikon.de [ohne Datum], zuletzt abgerufen am 16. April 2020
- Norbert Saul: 250 Jahre „neue“ Kirche in Seelze – eingeweiht am 2. April 1769, Seelze, Februar 2019 als PDF-Dokument auf der Seite seelze.de
- o. V.: St. Nikolai Gifhorn / Glocken auf der Seite nicolai-gifhorn.de [ohne Datum], zuletzt abgerufen am 16. April 2020
- Angaben über das Archivinformationssystem Arcinsys Niedersachsen Bremen
- Angaben über das Archivinformationssystem Arcinsys Niedersachsen Bremen