Jochen Bohn
Jochen Bohn (* 1969 in Siegen) ist ein deutscher Staatswissenschaftler und Offizier der Bundeswehr. Er ist außerplanmäßiger Professor für Politische Philosophie und Sozialethik an der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften der Universität der Bundeswehr München und Prüfstabsoffizier am Assessmentcenter für Führungskräfte der Bundeswehr.
Werdegang
Nach seinem Abitur am Evangelischen Gymnasium Siegen-Weidenau war Bohn von 1988 bis 2000 Offizier des Truppendienstes im deutschen Heer. Er wurde zum Offizier für Psychologische Verteidigung (heute: Operative Kommunikation) ausgebildet und war im ersten SFOR-Kontingent 1997 beim Hauptquartier der NATO in Sarajevo (BiH) eingesetzt. Hier hat er den deutschen Anteil der NATO-Information-Campaign mitverantwortet. Von 1997 bis 2000 war er als Stabsabteilungsleiter im Feldjägerbataillon 760 (München) für Führungs- und Informationsmanagement des Verbandes zuständig.
Nach Ende seiner militärischen Dienstzeit wechselte Bohn 2000 als Assistent an das Institut für Theologie und Ethik der Universität der Bundeswehr München. Nebenberuflich hat er als Stabsoffizier für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Wehrbereichskommando IV (München) geübt. Seit 2019 ist Bohn wieder aktiver Soldat und beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (Köln) in der Personalgewinnung tätig.
Von 1991 bis 1995 hat Bohn an der Universität der Bundeswehr München Staats- und Sozialwissenschaften studiert. 1998 bis 2001 absolvierte er das Studium der Wirtschaftsphilosophie an der FernUniversität in Hagen. 2003 wurde Bohn an der Universität der Bundeswehr München zum Doktor der Staats- und Sozialwissenschaften promoviert, 2013 folgte ebenda die Habilitation.
Bohn ist verheiratet und hat vier Töchter.
Forschung und Positionen
Wissenschaftlich arbeitet Bohn auf der Schnittstelle von Politischer Philosophie und Politischer Theologie. Ausgehend von Denkbewegungen bei Dietrich Bonhoeffer und Jacques Derrida fragt er nach einer noch möglichen Wirklichkeitsinterpretation und dem daraus zu gewinnenden Verständnis politisch relevanter Wirklichkeitsmacht. Im erweiterten Kontext gegenwärtiger Debatten zur Postsäkularität von Gesellschaft und Politik schlägt Bohn vor, den in der religiösen und metaphysischen Tradition entwickelten, repräsentativen Machtbegriff zu verabschieden und durch einen reservativen Begriff von Wirklichkeitsmacht zu überwinden. Bei der Entfaltung dieses Begriffs greift er auf die in der vorchristlichen paulinischen Theologie entwickelte Figur des als ob nicht zurück, die in der jüngeren Vergangenheit vor allem durch Giorgio Agamben politisch reaktiviert wurde.[1][2]
In seinen Beiträgen zu aktuellen militärethischen Diskursen, insbesondere zu Fragen des Selbstverständnisses deutscher Soldaten, gilt Bohn als Kritiker der Inneren Führung und des Leitbildes vom Staatsbürger in Uniform. Dieses Bild droht sich in Bohns Perspektive angesichts eigentümlicher Dynamiken des bürgerlichen politischen Systems zur Vorstellung des Staatsdieners in Uniform zu überdehnen. Gegen die damit sich verschärfende Gewaltfunktionalisierung der deutschen Streitkräfte und ihrer Soldaten fordert Bohn eine Öffnung des Primats der Politik im Sinne einer institutionalisierten Stärkung der politischen Stellung und Rolle der Bundeswehr und ihrer Soldaten. Erreicht werden soll diese Öffnung durch Umbrüche im äußeren und inneren Gefüge der Streitkräfte, nicht zuletzt auch durch eine grundlegende Reform der Bildung des militärischen Führernachwuchses.[3][4]
Schriften (Auswahl)
- Der Mensch im calvinischen Staat. Göttliche Weltordnung und politischer Beruf (= Biblia et symbiotica. Band 11). Verlag für Kultur und Wissenschaft Schirrmacher, Bonn 1995, ISBN 3-926105-45-3 (zugleich Diplomarbeit, Universität der Bundeswehr München 1995).
- Herrschaft ohne Naturrecht. Der Protestantismus zwischen Weltflucht und christlicher Despotie (= Erfahrung und Denken. Band 93). Duncker & Humblot, Berlin 2004, ISBN 3-428-11506-6 (zugleich Dissertation, Universität der Bundeswehr München 2003).
- als Herausgeber mit Thomas Bohrmann: Religion als Lebensmacht. Eine Festgabe für Gottfried Küenzlen. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2010, ISBN 978-3-374-02780-4.
- als Herausgeber mit Thomas Bohrmann und Gottfried Küenzlen: Die Bundeswehr heute. Berufsethische Perspektiven für eine Armee im Einsatz (= Beiträge zur Friedensethik. Band 44). Kohlhammer, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-17-021654-9.
- Reservation. Entwurf einer Theologie der Politik (= Schriften des Instituts für Theologie und Ethik der Universität der Bundeswehr München. Band 2). Lit-Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-643-12417-3.
Einzelnachweise
- Jochen Bohn: Reservation. Entwurf einer Theologie der Politik (= Schriften des Instituts für Theologie und Ethik der Universität der Bundeswehr München. Band 2). Lit-Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-643-12417-3.
- Jochen Bohn: Philosophischer Paulinismus. Von einem neuen messianischen Ton im politischen Denken. In: Oliver Hidalgo, Holger Zapf (Hrsg.): Das Narrativ von der Wiederkehr der Religion. Springer VS, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-18450-6, S. 89–113.
- Jochen Bohn: Der Nachfolger des Staatsbürgers in Uniform. Annäherung an einen Soldaten jenseits bürgerlicher Funktionalität. In: Uwe Hartmann, Claus v. Rosen (Hrsg.): Jahrbuch Innere Führung 2014: Drohnen, Roboter und Cyborgs – Der Soldat im Angesicht neuer Militärtechnologien. Miles-Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-937885-61-2, S. 266–284.
- Jochen Bohn: Uwe Hartmanns guter Soldat. Eine Kritik. In: Uwe Hartmann, Claus v. Rosen (Hrsg.): Jahrbuch Innere Führung 2018: Innere Führung zwischen Aufbruch, Abbau und Abschaffung. Neues denken, Mitgestaltung fördern, Alternativen wagen. Miles-Verlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-945861-86-8, S. 270–291.
Weblinks
- Literatur von und über Jochen Bohn im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Jochen Bohn in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Seite von Jochen Bohn an der Universität der Bundeswehr München
- Blog von Jochen Bohn hosme.de