Jüdischer Verlag
Der Jüdische Verlag ist ein deutscher Verlag, der sich der Förderung der jüdischen Kultur in deutscher Sprache widmet. Er bestand von 1902 bis 1938 und wurde in anderer Form 1958 neu gegründet.
Geschichte
Der Jüdische Verlag wurde kurz vor dem fünften Zionistischen Kongress, der vom 26. bis zum 30. Dezember 1901 in Basel stattfand, von einem Initiativkreis gegründet, dem Martin Buber, Chaim Weizmann, Ephraim Moses Lilien, Berthold Feiwel und Davis Trietsch angehörten. Die Eintragung der Rechtsform einer GmbH erfolgte im Oktober 1902 in das Berliner Handelsregister.[2] Der Geschäftssitz war in Berlin, Budapester Straße 11, und B. Feiwel leitete den Verlag bis 1907.
1920 übernahmen Siegmund Kaznelson die Geschäftsführung und Martin Buber die literarische Leitung. Diese Verlagsdirektion prägte während der Weimarer Republik das damalige Verlagsprogramm: Im Jüdischen Verlag erschienen u. a. Werke von Achad Haam, Chaim Nachman Bialik, Simon Dubnow, Theodor Herzl, Theodor Lessing, Max Nordau, Arthur Ruppin, das fünfbändige Jüdische Lexikon und deutsche Übersetzung des Babylonischen Talmud durch Lazarus Goldschmidt.
Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 konnte der Verlag nur unter großen Behinderungen bis zum Verbot im Jahre 1938 weiterarbeiten. Mit der Auswanderung Kaznelsons 1937 hatte sich der Verlag allerdings schon weitgehend aufgelöst.
1958 konnte der Verlag in Berlin restituiert werden. 1978 wurde er vom Athenäum Verlag übernommen und als ein rechtlich unselbstständiger Tochterverlag geführt.[3] 1990 erwarb der Suhrkamp Verlag 51 % der Geschäftsanteile, das Verlagsprogramm erscheint seit 1992 als „Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag“.
Für Aufsehen sorgte die Veröffentlichung des autobiographischen Buchs Bruchstücke (1995) des angeblichen Holocaust-Überlebenden Binjamin Wilkomirski, der 1998 als Konfabulant entlarvt wurde. Dem damaligen Verlagschef Thomas Sparr wurde vorgeworfen, den Enthüllungen des Autors Daniel Ganzfried nicht mit eigenen Recherchen nachgegangen zu sein.[4]
Der Verlag hat heute seinen Sitz als Imprintverlag beim Suhrkamp Verlag in Berlin-Prenzlauer Berg.
Literatur
- Anatol Schenker: Der Jüdische Verlag 1902-1938. Zwischen Aufbruch, Blüte und Vernichtung. Niemeyer, Tübingen 2003, ISBN 3484651415 (Rezension)
- Anatol Schenker: Jüdischer Verlag. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 3: He–Lu. Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02503-6, S. 260–263.
Weblinks
- Beschreibung der ersten Phase 1902–1938 (auf Englisch, mit Foto der Gründer)
- Neuerscheinungen / lieferbare Bücher bei Suhrkamp
Einzelnachweise
- Lionel Gossman: Jugendstil in Firestone: The Jewish Illustrator E. M. Lilien (1874–1925)., letzte Seite
- Curt Vinz u. Günter Olzog: Dokumentation deutschsprachiger Verlag. 8. Ausgabe. Olzog, München/Wien 1983, S. 201.
- Curt Vinz u. Günter Olzog: Dokumentation deutschsprachiger Verlag. 8. Ausgabe. Olzog, München/Wien 1983, S. 201.
- Irene Diekmann, Julius H. Schoeps (Hrsg.): Das Wilkomirski-Syndrom. Eingebildete Erinnerungen oder Von der Sehnsucht, Opfer zu sein. Pendo, Zürich 2002, ISBN 3-85842-472-2.