Institutioneller Flächenstaat

Als institutionellen Flächenstaat bezeichnet m​an einen mittelalterlichen bzw. (früh-)neuzeitlichen Staat, d​er über e​in zusammenhängendes Territorium, s​owie öffentliche Institutionen verfügt. Die politische Ordnung innerhalb e​ines institutionellen Flächenstaat definiert s​ich in erster Linie d​urch das zusammenhängende Territorium (vgl. a​uch Territorialstaat).

Entwickelt w​urde der Begriff v​om österreichischen Historiker Theodor Mayer u​nd ist i​m Kontrast z​um Personenverbandsstaat z​u sehen.

Der Begriff setzte s​ich in d​en 1950er Jahren i​n der Forschung durch. Er i​st dabei e​in bewusster Anachronismus, d​a der d​arin enthaltene Begriff Staat erstmals i​n der italienischen Literatur d​es 15. Jahrhunderts nachweisbar ist.[1] Aufgrund dieser Einschränkung h​at sich d​ie Unterscheidung zwischen d​en als Rechtsbewahrungsstaaten bezeichneten mittelalterlichen Herrschaftsverbänden (zu d​enen der institutionelle Flächenstaat zählt) u​nd den (modernen) Gesetzgebungsstaaten herausgebildet.[2]

Entstehung des Begriffes

Der Begriff wurde in den 1930ern von Theodor Mayer entwickelt, um eine Staatsformen des Mittelalters zu definieren. Dabei ist zu beachten, dass dieser nicht als Entwicklungsstufe, aufbauend auf seinen Begriffspartner, den Personenverbandsstaat, sondern als eigenständige Bezeichnung für Staatsformen, welche bis in die fränkische Zeit zurückreichen können, zu betrachten ist. Beide Formen können vielmehr gleichzeitig existieren (Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen). Sehr wohl sieht Mayer aber idealtypisch einen Übergang vom aristokratischen, dezentralistischen zum zentralistisch feudalen Personenverbandsstaat hin zum modernen, anstaltlichen oder institutionellen Flächenherrschaftsstaat an.[3] Dem Begriffspaar Personenverbandsstaat/institutioneller Flächenstaat ging forschungsgeschichtlich die Unterscheidung zwischen genossenschaftlichem und herrschaftlichem Prinzip voran. In einen Staat herrsche laut Otto von Gierke immer ein Gegensatz und Miteinander dieser Prinzipien. Beide Ansätze sehen jedoch im genossenschaftlichen Prinzip bzw. im Personenverbandsstaat eine im Vergleich zum herrschaftlichen bzw. institutionellen Prinzip der Staatsverfassung niedere Entwicklungsstufe.

Beispiele

Heute sind die meisten Staaten der Welt institutionelle Flächenstaaten. Ein Land, das bereits seit dem frühen Mittelalter zu den institutionellen Flächenstaaten gezählt wird, ist England. Es wurde von einem Herrscher regiert, der die gesamte Staatsmacht innehatte. Parlamentarismus und die Bürokratisierung gelten – in England mustergültig ausgebildet – als Folgen der Ausbildung einer Institutionalisierung im Staatswesen, die diese gleichzeitig jedoch auch ausmachen. Deutschland hat erst im späten 19. Jahrhundert, im Zusammenhang mit der Gründung des zweiten deutschen Kaiserreiches, die Entwicklung dieser Staatsform abgeschlossen.

Literatur

  • Theodor Mayer: Die Ausbildung der Grundlagen des modernen deutschen Staates im hohen Mittelalter. In: Historische Zeitschrift. Band 159, 1939, S. 457–487.
  • Ernst Schubert: Fürstliche Herrschaft und Territorium im späten Mittelalter. Band 35, 2006, S. 57 ff.

Einzelnachweise

  1. Siehe das Lemma Staat in K. Fuchs, H. Raab: Wörterbuch Geschichte. 12. Auflage. München 2001, S. 762f. Siehe auch E. Isenmann: Staat, A. Westen. In: LexMA VII. Sp. 2151–2155, hier: Sp. 2152.
  2. E. Isenmann: Staat, A. Westen. In: LexMA VII. Sp. 2151–2155, hier: Sp. 2153.
  3. Th. Mayer: Die Ausbildung der Grundlagen des modernen deutschen Staates im hohen Mittelalter. In: H. Kämpf: Herrschaft und Staat im Mittelalter. Nachdruck des Artikel aus der HZ von 1939, S. 293f; Vgl. auch E. Isenmann: Staat, A. Westen. In: LexMA VII. Sp. 2151–2155, hier: Sp. 2153.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.