Im Harem sitzen heulend die Eunuchen
Im Harem sitzen heulend die Eunuchen beginnt der Kehrreim eines deutschen Nachkriegs-Foxtrottschlagers, dessen Übertitel Skandal im Harem lautet. In den Notenausgaben und auf den Plattenlabels wird er als „Comedy-Fox“ bezeichnet. Die Musik komponierte Gerhard Winkler, den Text dazu verfasste Ralph Maria Siegel. Er erschien 1947 im Musikverlag Kasparek in München.[1]
Hintergrund
Der vorwiegend durch seine Italien-Schlager[2] bekannt gewordene Komponist Winkler begibt sich hier zwei Strophen lang auf einen heiteren Ausflug in orientalische Gefilde, die mit Harem, Haremsfrauen, Eunuchen und einem grausamen („köpfen und verfluchen“) Sultan noch immer alle abendländischen Bilderklischees[3] aufweisen, die man seit dem Orientalismus mit dieser Weltgegend assoziierte:
Kehrreim:
Im Harem sitzen heulend die Eunuchen.
Die Lieblingfrau des Sultans ist entfloh’n.
Er wird sie alle köpfen und verfluchen:
Die Lieblingsfrau erwartet einen Sohn!
Der Sultan, der ist nicht kleinlich,
Doch es ist peinlich:
Er war ein ganzes Jahr verreist!
Im Harem sitzen heulend die Eunuchen,
Denn einer ist im Dienst total entgleist.
Interpreten
Bereits im Januar 1948 spielte Walter Dobschinski mit der Tanzkapelle des Berliner Rundfunks den Titel für Amiga ein. Mit einem Ensemble nahm Peter Igelhoff den Titel in einer swingenden Version bei Tempo auf. Die vielleicht bekannteste Aufnahme machte davon das Comedien-Quartett[4] im Juli 1948 bei Polydor. Für die Kristall-Nachfolgemarke Imperial sang Erwin Hartung das Lied zur Begleitung des Tanzorchesters von Hans-Werner Kleve.[5] Wiederum für Amiga nahm das Corni-Trio, begleitet vom Bruno Klennert Quartett, im Oktober 1948 den Titel auf deren „Sonderklasse“-label auf;[6] später war die Gruppe als „Cornel-Trio“ auch im Westen bekannt.[7]
Weiterleben
Musikalisch
Der Gründer der Musikgruppe „Friedel Hensch und die Cyprys“, Werner Cyprys, nahm das Lied unter dem Pseudonym Jack Terry 1961 erneut bei Polydor (Label-Nummer 24 644) auf.[8]
Die Opernparodistin und Diseuse Annette Postel sang das Lied 2010 in ihrem Programm Heut’ nacht ist mir so o-la-la mit Chansons und Schlagern der 1930er und 1940er Jahre, begleitet vom Salonorchester Schwanen.[9]
Auch der Schauspieler und Musikant Ulrich Tukur „blickte feixend in Richtung Orient“, als er den Schlager bei einem Auftritt zu Silvester 2013/14 in Wuppertal[10] zum Vortrag brachte; ebenso nahmen Retro-bands wie das „Ballaststofforchester Salzburg“ unter seinem Dirigenten Egon Achatz, mit Gesang durch „Die 3 Tenöre“, sich gern des lustigen Comedy-Fox an, der noch immer Gelegenheit bietet, komödiantisches Talent zu zeigen.[11]
Literarisch
Die Liedzeile wird auch mehrmals in der neueren erzählenden Literatur zitiert, so z. B. in Gustav Adolf Himmels Erstlings-Roman Überfahrt von 1962,[12] dann 1982 in Will Bertholds Roman Geld wie Heu,[13] bei Matthias Zschokke in seinem 2012 im Wallstein-Verlag erschienenen Roman Lieber Niels,[14] 2014 in Stefanie Zweigs autobiographischem Roman Irgendwo in Deutschland[15] und in Else Scherhags Erinnerungen aus meiner Kindheit, die 2014 unter dem Titel Helle und dunkle Tage erschienen sind,[16] 2015 bei Hans Müller-Jüngst in seinem Roman Paulo wird Studienrat[17] und ebenfalls 2015 in Meg Cabots fünftem Heather-Wells-Krimi Gibt es ein Leben nach der Torte?, den Claudia Geng übersetzt hat.[18]
Das Lied wird auch erwähnt in dem gesellschaftskritischen Theaterstück Das Frühlingsfest[19] der mehrfach preisgekrönten[20] Schriftstellerin Gerlind Reinshagen.[21]
Einem Hörspielkrimi, der Folge 18 seiner Reihe um den Meisterdetektiv Prof. Dr. Dr. Dr. Augustus van Dusen, gab Autor Michael Koser den Titel Im Harem sitzen heulend die Eunuchen.[22]
Tondokumente (Auswahl)
- Skandal im Harem. Comedy-Fox (Gerh. Winkler - Ralph M. Siegel) Comedien-Quartett. Polydor 48 114 (Matrizennummer: 667KK), im wax: 48114A; 26. Juli 1948[23]
- Skandal im Harem. Comedy-Fox (Gerh. Winkler - Ralph M. Siegel) Peter Igelhoff mit Ensemble. Gesang: Peter Igelhoff. Tempo 3566, Matr. 561 - Lic 91 APO 407[24]
- Skandal im Harem. Comedy-Fox (Gerh. Winkler - Ralph M. Siegel) Walter Dobschinski und die Tanzkapelle des Berliner Rundfunks. Amiga 1145 (Matr. AM 1020), aufgen. Berlin, Januar 1948[25]
- Skandal im Harem. Fox v. Winkler - Siegel. Das Corni-Trio. Amiga Sonderklasse 1178 (Matr. AM 1109)
- Skandal im Harem (Im Harem sitzen heulend die Eunuchen), Comedy-Fox (Gerhard Winkler - Ralph Maria Siegel) Hans-Werner Kleve mit seinem Tanzorchester. Gesang: Erwin Hartung. Imperial 17 485 (Matr. K-C 29 986), aufgen. Berlin 1948
Notenausgaben
- Skandal im Harem: Im Harem sitzen heulend die Eunuchen; Comedy-Fox. M.: Gerhard Winkler. T.: Ralph Maria Siegel. F. Ges. m. Klav.; München: Edition Kasparek GmbH., Erscheinungsdatum: 1947. Verlagsnr. EKM 519; 4º
- Skandal im Harem: Im Harem sitzen heulend die Eunuchen; Comedy-Fox. M.: Gerhard Winkler. T.: Ralph Maria Siegel. Bearb.: A. Steimel. F. S.-Orch.; München: Kasparek 1947. Ch.8º
Literatur
- Matthias Bardong, Hermann Demmler, Christian Pfarr (Hrsg.): Das Lexikon des deutschen Schlagers. Verlag Schott, Mainz 1993, ISBN 3-7957-8208-2, S. 379.
- Angelika Czekay: German National Identity and the female subject. In: Karen Hermine Jankowsky, Carla Love (Hrsg.): Other Germanies. Questioning Identity in Women's Literature and Art. 1997, ISBN 0-7914-3450-8, S. 225f.
- Michael Fritsche, Kathrin Schulze: Sesam öffne dich. Bilder vom Orient in der Kinder- und Jugendliteratur. BIS-Verlag, 2006.
- Karen Hermine Jankowsky, Carla Love: Other Germanies. Questioning Identity in Women's Literature and Art. Verlag SUNY Press, 1997, ISBN 0-7914-3449-4.
- Library of Congress Catalog: Music and phonorecords, Band 27. Verlag: Library of Congress, 1953, S. 941.
- Stephanie Mattes: Orient im Film. Verlag Books on Demand, 2002, ISBN 3-8311-3690-4, S. 3, 5, 48–49, 67, 76, 112 u. 118
- Stephan Pflicht: Gerhard Winkler: ein Komponisten-Porträt. R. Birnbach Musikverlag, 1986, ISBN 3-920103-00-9, S. 261.
- Martina Thöne: Ulrich Tukur: Ein Tausendsassa beweist im Tal sein Taktgefühl. In: WAZ. 1. Januar 2014. wz.de
Einzelnachweise
- Katalogeintrag der Deutschen Nationalbibliothek: DNB 1001387643
- sein wohl bekanntester, die Capri-Fischer („Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt …“, Text ebenfalls von R. M. Siegel), ist bereits 1943 entstanden, vgl. Video auf YouTube: Rudi Schuricke mit dem Waldo Favre-Chor, Orchester der Plaza Berlin, Siemens-Polydor 47 867 (Matr. 10167 ½ GD 9)
- vgl. z. B. Fritsche-Schulze S. 8, Mattes S. 48, 67, 114.
- nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet von dem Tenor Herbert Imlau, vgl. user ‘humoresk’ Fr Dez 26 2014, 22:39 bei schellacksender, dort auch Fotos. Das Quartett bestand aus Herbert Imlau, Fred Ritter, Werner Schliebietz und Karl-Heinz Nowak.
- label abgeb. bei schellacksender (user ‚Austroton‘ Fr Mär 06 2015, 18:58), dort auch Näheres zu dem Orchesterleiter Kleve. Zu diesem vgl. auch: Hans Werner Kleve: Tanz auf vielen Hochzeiten. Ein Berliner Kapellmeister erzählt aus seinem Leben. Verlag Frieling, 1997.
- vgl. rocknroll-schallplatten-forum.de
- wurde 1946 von Peter Cornehlsen gegründet, bestand aus Peter Cornehlsen * 27. Januar 1924, Bariton, Gitarre, Michael Lengauer * 6. Dezember 1924, Bassbariton, HORST „Dickie“ Kraft * 27. Mai 1924, Tenor, Kontrabass, vgl. ddrschlager.de und memoryradio.de
- siehe dada-records.de
- Video auf YouTube, vgl. salonorchester-schwanen.de: Georg Huber (Leitung, Violine), Eva Zacharias (Violine, Viola), Bernhard Spranger (Cello), Rosanna Zacharias (Kontrabass), Ernst Ruprich (Flöte), Jutta Fischer (Klarinette, Saxophon), Waldemar Bischke (Klarinette), Leo Langer (Klavier), Heinz R. Huber (Akkordeon), Jochen Blum (Percussion).
- vgl. M. Thöne in WAZ Januar 2014.
- vgl. Video auf YouTube
- Gustav Adolf Himmel: Überfahrt. Roman. Verlag Mohn, 1962, S. 165: „Die Preisrichter blicken sich ratlos an, der Pianist spielt: ‚Im Harem sitzen heulend die Eunuchen‘, moduliert dann nach G und beginnt ein Schnaderhüpferl, weil zwei von Pollys friends ihre in Hamburg erworbenen Lederhosen vorführen.“ – Gustav Adolf Himmel, 1928 in Moers geboren, gab 1962 sein schriftstellerisches Debüt mit dem Roman Überfahrt. Seine ersten Hörspiele, Die Kröte und Altes Kinderlied, wurden 1969 vom WDR erstgesendet. Vgl. dra.de
- Will Berthold: Geld wie Heu. Roman. Verlag W. Goldmann, 1982, ISBN 3-442-06420-1: „Carroni, offensichtlich durch eine eilige Dienstsache weggeholt, erhebt sich unwillig; er läßt einen Colonello und einen ältlichen Major als Beschützer seiner jungen Frau zurück. ‚Im Harem sitzen heulend die Eunuchen, die Lieblingsfrau des Sultans ist entfloh’n‘“ (S. 70)
- Matthias Zschokke: Lieber Niels. Wallstein Verlag, 2012, ISBN 978-3-8353-2136-6: „Das Verrückte ist: Im Tagesspiegel stand vor einem halben Jahr eine Kritik über die Operette Rose von Stambul unter der Überschrift: Im Harem sitzen heulend die Eunuchen. Deswegen dachte ich, die Zeile werde wohl dort drin vorkommen.“
- Stefanie Zweig: Irgendwo in Deutschland. Autobiographischer Roman. Langen Mueller, Herbig, 06.2014: „Der Riese mit dem dunkelbraun gewellten Haar, der aussah wie gestern noch der Vater, sang ‚Im Harem sitzen heulend die Eunuchen‘, ‚Wer soll das bezahlen?‘ und ‚Gaudeamus igitur‘. Schäumende Blasen kamen aus seinem Mund.“
- Else Scherhag: Helle und dunkle Tage: Erinnerungen aus meiner Kindheit. Verlag epubli, 2014, ISBN 978-3-8442-4341-3: „Die Darbietungen gingen von: ‚Nachtigall, ich hör' dich singen‘ bis zu: ‚Im Harem sitzen heulend die Eunuchen: die Lieblingsfrau des Sultans ist entflo-o-ohn! Der Sultan wird sie köpfen und verfluchen; denn die Lieblingsfrau erwartet einen Sohn‘“ (S. 185)
- HaMuJu: Paulo wird Studienrat und reist (2). Verlag neobooks, München 2013, ISBN 978-3-8476-5170-3: „Ich erinnere mich an Reinhard, der viel älter war als wir und eine Alkoholkarriere hinter sich hatte. Ich weiss noch, wie der unten bei Gabi auf dem Klavier spielte und sang: ‚Im Harem sitzen heulend die Eunuchen, die Lieblingsfrau des Sultans ist entflohn; er könnt sie alle köpfen und verfluchen, die Lieblingsfrau erwartet einen Sohn.‘“
- Meg Cabot: Gibt es ein Leben nach der Torte? Roman. Übersetzt von Claudia Geng. Blanvalet Taschenbuch Verlag, 2015, ISBN 978-3-641-15894-1: „Da oben in seinem Zimmer geht voll der Punk ab. Jeder weiß, dass sein Daddy ein reicher Sultan mit einem großen Harem ist […] Und in diesem Harem sitzen heulend die Eunuchen […] ‚Die Lieblingsfrau des Sultans ist geflohen‘, murmle ich, bevor ich mich bremsen kann. Genau! sagt Gavin, beugt sich begeistert vor und zeigt auf mich.“
- Erstaufführung am Schauspielhaus Bochum 9. Mai 1980, Regie: Claus Peymann
- sie erhielt z. B. die Fördergabe des Schiller-Gedächtnispreises des Landes Baden-Württemberg (1974), den Mülheimer Dramatikerpreis (1977), die Ehrengabe des Andreas Gryphius-Preises (1982), die Roswitha-Medaille der Stadt Bad Gandersheim (1988), den Ludwig Mülheims-Preis für Religiöse Dramatik (1993) und den Niedersachsen-Preis (1999), vgl. lyrikwelt.de (Memento des Originals vom 21. Oktober 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Gerlind Reinshagen: Das Frühlingsfest. In: Gesammelte Stücke. VEB Deutscher Verlag für Musik, 1986, S. 439: „Die Polonaise kommt wieder, angeführt von Rotermund, der jetzt auf einer Kinderziehharmonika spielt: ‚Im Harem sitzen heulend die Eunuchen‘. Die Frauen schließen sich an. Monk allein, zu Karl-Ernst, der im Vordergrund malerisch unter einem Baum lagert: Das tanzt, mein Junge, glaubt, es könnte mich übern Löffel halbieren!“
- RIAS Berlin, Regie Rainer Clute, Ursendung: 7. Januar 1981, siehe hoerspiel-labor.de und tu-berlin.de
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