Huri
Die Huris (arabisch حور, DMG ḥūr, [m. u.] f. pl.; Nebenformen f. sg. u. pl. [nicht im Koran] arabisch حورية, DMG ḥūrīya, pl. ḥūrīyāt) sind nach islamischem Glauben Jungfrauen (al-ḥūr, „die Blendendweißen“) im Paradies, die den Seligen beigegeben werden.
- Von „Huris“ spricht der Koran nur in vier Versen: von „großäugigen“ in 44:54, 52:20, 56:22, ohne dieses Attribut in 55:72.
- Ohne die Bezeichnung „Huris“ erwähnt er „großäugige“ Paradiesesfrauen in 37:48, den Männern „gleichaltrige“ in 38:52, 78:33.
- Von Jungfrauen spricht er in 55:56.74 und 56:35 f. (doch auch hier ohne die Bezeichnung „Huris“).
Die volkstümliche Zahl 72 für die Anzahl der im Paradies einem Mann beigegebenen Huris steht nicht im Koran. Sie hat eine mystisch/magische Funktion und bedeutet etwa so viel wie „reichlich“.
Huris sind nach der Schilderung im Koran von blendender Schönheit (55:58: „wie Rubine und Korallen“; 56:23: „gleich wohlverwahrten Perlen“) und mit schwellenden Brüsten (78:33).
Deutungen
Die Beschreibungen der Huris im Koran sind im Laufe der Zeit von der traditionellen Überlieferung und der Exegese mit Einzelheiten versehen und ausgeschmückt worden. Aus dem Vers, der besagt, dass sie weder von Mensch noch von Dschinn berührt wurden, haben einige Kommentatoren auf die Existenz von zwei Arten Huris geschlossen, und zwar von menschlicher Natur und von der Natur der Dschinn. Auf ihrer Brust seien zwei Namen eingeschrieben: der Namen Gottes und der Name ihres Ehegatten. Sie selbst sind nach der weiblichen Form des Namens ihres Gatten benannt. Immer wieder wird das junge Alter betont und die stets erneuerte Jungfräulichkeit. In ihrer Reinheit kennt eine Huri weder Menstruationsbeschwerden, menschliche Bedürfnisse noch die Schmerzen der Wehen, da sie keine Kinder gebiert.
Der bekannte Koranexeget aṭ-Ṭabarī zitiert einen Prophetenspruch, demnach es sich bei den Huris um verstorbene muslimische Frauen handelt, die, selbst wenn sie im hohen Alter verstarben, im Paradies ihre Jungfräulichkeit und Jugend zurück erhalten und dort für immer jung bleiben.[1]
Die Vorstellungen bzgl. des Lebens im Jenseits unterscheiden sich sehr in den unterschiedlichen Richtungen des Islam. Dies gilt unter anderem sowohl für die Huris (in der arabischen Sprache maskulin!), die gemäß verschiedener Richtungen mit Weiblichkeit nichts zu tun haben, als auch für die sogenannten Gilmans (Ar. غِلْمانُ الْجَنَّةٌ), welche für fromme Frauen bestimmt sein sollen. Bedenken gegen allzu materialistische und sinnliche Deutungen zu den Genüssen des Paradieses wurden in der islamischen Geschichte schon früh geäußert. Der schafiitische Koranexeget al-Baidawi aus dem 13. Jahrhundert n. Chr. war der Meinung, dass die Substanzen, aus denen Frauen oder auch Nahrungsmittel des Paradieses bestehen, sich von den jeweiligen irdischen Entsprechungen grundlegend unterscheiden. Eine ähnliche Interpretation wird auch von den islamischen Philosophen und den Sufis (islamische Mystiker) vertreten, welche den konkreten Angaben aus dem Koran einen esoterischen Sinn verleihen.[2][3]
Der persische Dichter Omar Chayyam schrieb im 12. Jahrhundert durchaus kritisch: „Wenn's heißt, ein Paradies mit Huris winkt, lob' ich den Wein, den man auf Erden trinkt. 's ist bares Geld. Auf Hoffnung pfeife ich! Von fern nur schön die tapfre Trommel klingt.“[4]
Der unter dem Pseudonym Christoph Luxenberg schreibende Autor geht in seinem Buch Die syro-aramäische Lesart des Koran[5] von einer fehlerhaften Interpretation des Begriffes „Hur“ aus und interpretiert diesen mit „weiße, kristallklare Trauben“:[6] Früchte, die in den Paradiesvorstellungen des Orients von alters her als Sinnbild von Wohlleben und Behaglichkeit galten und die im Kontext des nächsten Verses[7] ihre Ergänzung finden. Seine dahingehenden Thesen sind auf teils heftige Kritik gestoßen. (Siehe Christoph Luxenberg#Akademische Rezeption der syro-aramäischen Lesart des Koran)
Bedeutung in der Gegenwart
In der Gegenwart dienen die Huris mehrfach als Mittel zur Motivierung von jungen männlichen Muslimen zu Selbstmordattentaten. So wurde zum Beispiel den Attentätern des 11. September in der „Geistlichen Anleitung“, die in ihrem Gepäck gefunden wurde, in Aussicht gestellt, dass die Paradiesgärten bereits für sie geschmückt seien und die Huris sie herbeiriefen.[8]
Einzelnachweise
- Siehe Tor Andrae: Mohammed. The Man and his Faith. Routledge, 2013. S. 57 mit Verweis auf aṭ-Ṭabarīs Kommentar zu 56:36 (Online verfügbar): hunna allawātī qubiḍna fī 'd-dunyā ʿaǧāʾiza rumṣan šumṭan, ḫalaqahunna Allāhu baʿda 'l-kibar faǧaʿalahunna ʿaḏārā
- Siehe Arent Jan Wensinck, Charles Pellat: Ḥūr. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Band 3. Brill, 1971. S. 581b
- Gibt es im Paradies Gilman für Frauen? (Memento des Originals vom 23. Februar 2009 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (türkisch)
- Der Hakim von Nischapur Omar Chajjám und seine Rubaijat., nach alten und neuesten persischen Handschriftenfunden von Manuel Sommer, Pressler, Wiesbaden 1974, S. 54
- Christoph Luxenberg: Die Syro-Aramäische Lesart des Koran. Ein Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache. Hans Schiller, 2015.
- Da Luxenberg noch andere sprachliche Ungereimtheiten nachweist, übersetzt er 44:54 folgendermaßen: Wir werden es ihnen unter weißen kristall(klaren) (Weintrauben) behaglich machen. Siehe: Christoph Luxenberg: Die Syro-Aramäische Lesart des Koran. Ein Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache. Hans Schiller, 2015. S. 260.
- ... und sie verlangen darin in Sicherheit (und Frieden) nach allerlei Früchten 44:55 nach Paret.
- Vgl. Albrecht Fuess, Moez Khalfaoui und Tilman Seidensticker: "Die 'Geistliche Anleitung' der Attentäter des 11. September" in Hans G. Kippenberg, Tilman Seidensticker (Hg.): Terror im Dienste Gottes: Die 'Geistliche Anleitung' der Attentäter des 11. September 2001. 2004. S. 17–27, hier S. 22 u. 24.